Messenger Per Whatsapp betrieben die Taliban ein Art Beschwerde-Hotline – jetzt wehrt sich der Messenger

Messenger: Per Whatsapp betrieben die Taliban ein Art Beschwerde-Hotline – jetzt wehrt sich der Messenger
Nach ihrer rasanten Übernahme Afghanistans versuchen die Taliban, sich gemäßigt zu geben. Und richteten sogar eine Art Beschwerde-Hotline für die Hauptstadt Kabul ein. Doch Whatsapp wollte damit nichts zu tun haben. Und steht plötzlich von zwei Seiten in der Kritik.

In ungeahnter Geschwindigkeit haben die Taliban Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht, der Welt blieb wenig übrig, als geschockt zuzusehen. Bisher blieb der befürchtete Rückfall in Zeiten vor dem Konflikt aus, die Taliban geben sich gemäßigt. Und versuchten sogar, mit einer Art Hotline das Vertrauen der Bevölkerung zu erlangen. Nun macht Whatsapp ihnen einen Strich durch die Rechnung. Und muss sich dafür Kritik gefallen lassen.

Die Beschwerde-Hotline, die von einem Sprecher am Sonntag bei Twitter beworben wurde, ist als Möglichkeit gedacht, als Zivilist den neuen Machthabern Gewaltverbrechen, Plünderungen oder andere Probleme in der Hauptstadt Kabul zu melden. In der Vergangenheit hatten die Taliban in anderen eroberten Städte ähnliche Nummern angeboten.

Hotline abgeschaltet

Die Nummer passt in die allgemeine aktuelle Strategie der eigentlich als erzkonservative Extremisten bekannten Taliban. Sie geben sich in den letzten Tagen betont moderat und erklärten, sie wollten "Leben, Besitz und Ehre" der Afghanen nicht schaden. Nachdem in der Vergangenheit eine extreme Unterdrückung von Frauen und Mädchen zu beobachten war, wurden nun Frauen eingeladen, sich an der Regierung zu beteiligen, zum ersten Mal ließ sich ein Kommandeur von einer Journalistin interviewen. Die Hotline sollte wohl ebenfalls ein Teil der Strategie sein.

Allerdings hatten die Taliban die Rechnung ohne Whatsapp gemacht. Nachdem dem Mutterkonzern Facebook vorgeworfen wurde, den Taliban eine Bühne zu bieten, ging auch der Messenger gegen sie vor. Zwar sind die Chats selbst verschlüsselt, weil Gruppennamen, -beschreibungen und die für die Gruppen gewählten Bilder aber unverschlüsselt blieben, konnte der Messenger gezielt nach solchen mit Bezug zu den Taliban suchen, erklärte ein Sprecher "CNBC". Und schaltete im Laufe einer Aufräumaktion von "offiziellen Taliban-Kanälen" am Dienstag auch die Beschwerdeplattform ab.

"Der Schritt geht in die falsche Richtung"

Nun muss sich der Social-Media-Gigant überraschend Kritik an seinem Vorgehen gefallen lassen. Denn: Experten aus der Region sehen die Maßnahme als wenig hilfreich. "Wenn die Taliban plötzlich nicht mehr Whatsapp nutzen können, macht es den Afghanen nur schwerer, in einer panischen Situation kommunizieren zu können. Der Schritt geht in die falsche Richtung", erklärt die vor Ort für Oxfam tätige Helferin Ashley Jackson gegenüber der "Financial Times". "Es hilft den Afghanen nicht, sondern ist nur Symbolpolitik." Die Taliban wären nun mal die De-Facto-Regierung. Und die Afghanen bräuchten aktuell jede Hilfe, die sie bekommen können. Und wenn sie von den Taliban käme. "Wenn sie eines tun, dann ist es der Versuch, Recht und Ordnung zu waren", ist sie überzeugt. Die Hotline wäre auch eine Reaktion auf Berichte, nach denen es Plünderungen gegeben habe.

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Ein Opfer dieser Plünderungen war über die angebotene Hilfe dankbar. "Die Beschwerde-Kommission will sich darum kümmern", berichtet die Frauenrechtlerin bei Twitter, nachdem eine Gruppe von selbst ernannten Taliban ihr Büro geplündert hatte. "Sie wollen mit ihnen sprechen und unser Büro demnächst ansehen." Auch in anderen Regionen des Landes hatten ähnliche Hotlines in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass Beute aus Plründerungen wieder an die Besitzer gelangt waren, berichten verschiedene NGOs nach Angaben der "FT".

Umstrittene Entscheidung

Als Begründung für die Sperre nannte Facebook mehreren Medien, dass die Taliban in den USA als terroristische Vereinigung bewertet werden. Doch auch diese Begründung steht in der Kritik. "Warum sperren sie sie dann erst jetzt, wenn sie die Macht übernehmen? Warum nicht schon vor Jahren?", fragt sich Jackson. Dass die Taliban sich der sozialen Netzwerke bedienen, sei tatsächlich nichts Neues, erklärt der auf Militärtechnologie spezialisierte Sozialwissenschaftler Peter Singer gegenüber "Vice". "Sie haben verschiedene Plattformen seit Jahren genutzt. Viele sehen die Taliban als primitiv, aber sie nutzen alle Möglichkeiten von sozialen Medien bis zu Drohnen. Wir bauen es, sie nutzen es."

Ein Grund für Facebooks späte Reaktion könnte sein, dass der Konzern sonst in die Position kommen könnte, den regierenden Taliban die offiziellen Regierungskanäle übergeben zu müssen. Diese Entscheidung will man offenbar nicht treffen. Man sei nicht in der Position, die Legitimität von Regierungen zu bestimmen, erklärte der Konzern gegenüber CNBC. Sondern verlasse sich dafür "auf die Autoritäten der internationalen Gemeinschaft."

Die Taliban fühlen sich durch den Bann unfair behandelt. Sie sollten doch Facebook fragen, "die behaupten, die Fürsprecher für die Meinungsfreiheit zu sein", versuchte der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bei einer Pressekonferenz eine Frage nach Frauenrechten abzuwiegeln. Zustimmung dafür bekam er aus unerwarteter Richtung. "Lol. aber er hat Recht", schrieb ausgerechnet der Sohn des ehemaligen Präsidenten Donald Trump Junior bei Twitter zu einem Clip der Ansage.

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