Mastodon Bloß weg von Elon Musk: Wie Böhmermann und Co. die Flucht vor Twitter versuchen – und wie Sie ihnen folgen können

Trommelt auf Twitter ordentlich für die Alternative Mastodon: Jan Böhmermann.
Trommelt auf Twitter ordentlich für die Alternative Mastodon: Jan Böhmermann.
© Sven Hoppe / DPA
Elon Musk macht es sich als Alleinherrscher über Twitter gemütlich – und kündigt seit seiner Übernahme des Netzwerks jeden Tag Änderungen und Neuerungen an. Viele Nutzer:innen suchen daher eine Alternative – und Promis wie Jan Böhmermann empfehlen Mastodon. 

Elefant statt Vogel, Tröt statt Tweet – und kein Elon Musk weit und breit. Während sich der Tesla-Chef und Neu-Eigner von Twitter seit Übernahme des Netzwerks täglich Änderungen, Einschnitte und neue Einnahmequellen überlegt, planen viele bekannte Nutzer der Plattform die Flucht – oder zumindest die Schaffung einer zweiten Anlaufstelle. Die bisher einzige Alternative, die Twitter zwar ähnelt, aber sich in entscheidenden Punkten unterscheidet, ist Mastodon. 

Böhmermann glaubt nicht an eine Zukunft für Twitter

In Deutschland trommelt ZDF-Moderator Jan Böhmermann mit Abstand am lautesten für das dezentrale Netzwerk mit dem Elefanten im Logo. So hat er bei Twitter nicht nur seinen Namen um die Mastodon-Adresse ergänzt, sondern auch mehrfach dazu aufgerufen, ihm dort zu folgen. Regelmäßig schreibt er Dinge wie "Es ist die Zukunft! Kommt alle! Es ist free und funktioniert wie Twitter! Ich bin auch da" und spricht in seinem Podcast (Fest & Flauschig "#Boomercringe 44") positiv über das deutsche Netzwerk. Anders seine Meinung zu Twitter. Böhmermann denkt, dass sich das Musksche Kurznachrichtenportal "selbst im Klo runterspülen werde" und es Spaß mache, sich das anzugucken.

Aber nach einem kurzen Blick wird klar: Der Neuanfang auf Mastodon wird weder einfach noch von heute auf morgen passieren. Selbst eine Person wie Böhmermann schafft es bei Mastodon nur auf einen winzigen Bruchteil der Reichweite (66,600 Follower), die er bei Twitter aufgebaut hat (2,7 Millionen Follower). Der Moderator wiegelt ab – ihm reiche es, "wenn die coolen Leute kommen", sagt er im Podcast.

Das langsame Wachstum könnte auch daran liegen, dass Mastodon anfänglich deutlich komplizierter ist als Twitter – und vor der Musk-Ära ein Nischendasein fristete. Grundsätzlich ist die Idee aber sehr gut: Wie der stern-Autor Stephan Maus im April schrieb, ist das Netzwerk "alles, was Twitter nicht ist: dezentral, offen, ohne Datenkraken-Hunger und (noch) im gegenseitigen Umgang sehr freundlich." Wie Mastodon entstanden ist und warum das Programm so heißt, erfahren Sie hier.

Die ersten Schritte sind holprig, danach wird's einfacher

Angenommen, man wolle sich also nun an der virtuellen Völkerwanderung beteiligen: Wie startet man? Da es sich bei Mastodon um ein dezentrales Netzwerk handelt, muss man sich zunächst eine Heimat für das eigene Profil suchen. Denn Mastodon besteht nicht – wie Twitter oder Facebook – aus einem Anbieter, der die gesamte Infrastruktur stellt und lenkt, sondern aus einem Zusammenschluss zahlreicher, unabhängiger Server, die gemeinsam das Fediverse befeuern. Um auch das kurz zu erklären: Mastodon wird auch gerne als Fediverse bezeichnet. Das ist ein Kofferwort aus den englischen Wörtern Federation und Universe, welches ein Netzwerk unabhängiger sozialer Netzwerke beschreibt – also ziemlich genau das, was das Produkt ausmacht. Am einfachsten ist die Anmeldung über die offizielle Seite von Mastodon.

Der gewählte Server ist dann der Ausgangspunkt für Ausflüge ins Mastodon-Netzwerk. Er bildet auch den zweiten Teil hinter dem eigenen Profilnamen, der sich immer aus einer eigenen Kennung (in meinem Fall "hensen") und dem Server (bei mir "mastodon.social") zusammensetzt. Ansonsten spielt die Wahl aber keine große Rolle, denn die Nutzer:innen können unabhängig davon miteinander agieren und sich folgen. Bei der Auswahl des richtigen Elefantenhauses helfen diverse Seiten wie "Mastodon Instances", wo sich Server nach Nutzerzahlen und lokalen Regeln filtern lassen.

So gibt es beispielsweise Anbieter, die auf ihrem Netzwerk anzügliche Inhalte erlauben, eine Sprache bevorzugen oder Sammelstelle für eine bestimmte Interessengruppe sind. Einfluss auf die übergreifende Interaktion hat das nicht, sondern bestimmt lediglich Inhalte der "lokalen Timeline" und Regeln, nach denen die eigenen Postings auf diesem Server zu gestalten sind. Und keine Panik: Sollte die gewählte Server-Instanz mal nicht mehr zusagen, ist ein Umzug samt aller Inhalte und Follower jederzeit möglich.

Einmal angekommen, verläuft der restliche Anmeldeprozess wie bei anderen sozialen Netzwerken. Ein paar Daten hier, ein Profilbild da – und es kann losgehen. Zu Beginn schlägt Mastodon einige Profile vor, denen man folgen könnte – der Rest sieht aus, wie man es von Twitter gewohnt ist – nur eben, dass Beiträge nun "Tröt" heißen und niemand das Netzwerk "besitzt", sondern es aus der Gemeinschaft heraus gelenkt und gestaltet wird.

Das bedeutet übrigens auch: Lokale Regeln, keine übergreifende Moderation und keine Werbung. Dementsprechend fehlen auch verifizierte Profile und eine zentrale Verwaltung. Ersteres kann bei Prominenten ein Problem sein, allerdings ist es möglich, sich bei Mastodon selbst zu legitimieren. Hat ein Profil einen grünen Haken (wie Böhmermann), wurde im Profil eine Homepage hinterlegt, die durch einen Code-Schnipsel bei Mastodon zurückmeldet, der korrekten Person zugeordnet zu sein.

Vermisst man seine Freunde, gibt es Tools, um nach Kontakten von Twitter bei Mastodon zu suchen. Dazu zählen Debirdify und der Fedifinder.

Weniger Nutzer – und mehr Ruhe

Die erste Zeit auf Mastodon fühlt sich vermutlich etwas leer an. Das liegt daran, dass die Schlagzahl an Beiträgen deutlich geringer ist – und die Menge der aktiven Personen. Aktuell umfasst das Fediverse 5,8 Millionen Nutzer:innen – und damit nur einen Bruchteil dessen, was sich bei Twitter tummelt. Zuletzt kommunizierte Twitter weit über 200 Millionen monatlich Aktive..

Übrigens: Dadurch, dass Mastodon werbefrei ist, ist das Netzwerk auf Spenden angewiesen. Wer als Privatperson bei der Finanzierung helfen möchte, kann dies über ein monatliches Abo über die Spendenplattform Patreon oder eine individuelle Spende über Open Collective tun.

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