Das ist wohl der Traum aller Musikfans: In den Plattenladen gehen und sich eine CD nur mit den besten Stücken zusammenstellen. Nie wieder ein ganzes Album von Madonna, Grönemeyer oder Eminem kaufen, wenn man doch nur die Hits haben will. Für Lübecker Musikfreaks ist der Traum wahr geworden: Als erster CD-Händler in Deutschland bietet Martin Salzmann in seinem Shop den Selbst-Zusammenstell-Service an. Die Kunden sind begeistert: "Ich finde das gut, weil auf den meisten CDs zu viele Lieder sind, die ich nicht so toll finde", sagt etwa der 34-Jährige Kunde Martin Berger.
An der Kasse wird gebrannt
So funktioniert die neue Technik: Der Kunde bekommt am Eingang einen Minicomputer in die Hand gedrückt, der so groß ist wie drei Zigarettenschachteln. Wenn der Fan dann im Regal eine CD entdeckt hat, hört er über Computer und Kopfhörer das Album ab. Ein kleiner Bildschirm auf dem Gerät zeigt die einzelnen Titel an. Wenn man einen Song kaufen will, drückt man auf einen Knopf, danach nimmt man die nächste CD. An der Kasse werden die gesammelten Titel auf eine CD gebrannt, jeder ausgesuchte Song kostet 99 Cent.
"Das wird den Handel revolutionieren"
Das Brennen der Individual-CD dauert fünf Minuten. "Just-in-Time-Produktion" nennt das Ladeninhaber Martin Salzmann. Für das Cover stehen 20 Motive zur Auswahl. Der Rohling kostet zwei Euro extra. Eine CD mit 10 Titeln kommt den Fan also 11,90 Euro. Die Qualität entspricht einer herkömmlichen CD. "Das wird den CD-Handel revolutionieren", erwartet Salzmann.
"Der Markt wackelt wie blöd"
Um den Handel steht es nämlich schlecht. Die Umsätze sind in den vergangenen zwei Jahren von 2,5 Millionen auf 1,97 Millionen Euro geschrumpft. Die Anzahl der Musik-Downloads aus dem Internet hat sich im gleichen Zeitraum nahezu verdoppelt. "Der Markt wackelt wie blöd", hatte Tim Renner, Chef von Universal Music Deutschland, schon im Herbst dem "Spiegel" gesagt. Einen Ausweg aus der Krise sieht die Branche nun in der Individual-CD.
Besonders Jugendliche wollen nur einzelne Songs
"Wir beobachten, dass besonders Jugendliche Alben oft nur wegen einzelner Songs kaufen", sagt der Individual-CD-Erfinder Salzmann. Das ist auch das Ergebnis einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung: Die Lieblingsstücke auf nur einem Tonträger zu haben ist für 85 Prozent der CD-Heimbrenner der Hauptgrund. Deshalb hat Salzmann die Firma Innovative Musikhandels GmbH gegründet und rund 500.000 Euro in die Entwicklung der Individual-CD gesteckt.
Noch ist die Auswahl beschränkt
Der Nachteil der neuen Technik: Bisher sind nur die Firmen Universal Music und Sony beteiligt. Deshalb kann der Fan nur etwa 20.000 Stücke aus 1.500 Alben wählen. Die Rubriken Pop, Rock, Jazz und Schlager bieten zwar eine breite Auswahl von Jimi Hendrix über Stevie Wonder bis Oasis. Michael Jackson-Fans werden aber enttäuscht. Zur Zeit verhandelt Salzmann mit der Firma Emi. Letztlich will er in seinem Laden das gesamte Sortiment für die neue Technik zugänglich machen.
Der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, der gegen das Kopieren ganzer CD juristisch entschieden vorgeht, findet Salzmanns Idee gut, weil sie das brachliegende Geschäft beleben könnte. Denn der Verband erwartet, dass weitere CD-Shops dem Lübecker Beispiel folgen werden.
Bis zu 100 Individual-CDs täglich
Nach seinen Angaben verkauft Salzmann etwa 80 bis 100 individuelle Tonträger täglich. Zurzeit verhandelt er mit den Handelsketten Metro (Saturn) und Karstadt Quelle darüber, ob die Großen seine Technik übernehmen.
Kinderkrankheiten
Ein paar Nachteile hat die Individual-CD noch: Manchmal stürzt der Minicomputer ab und die ganze Auswahl geht verloren. Auch mit dem Preis sind die Kunden noch unzufrieden. "0,99 Cent pro Lied finde ich etwas teuer", sagt die Lübeckerin Silke Braatsch. "Aber man kann ja auch weniger Lieder nehmen".