In der Corona-Pandemie schien das ungezwungene Online-Dating über Tinder auch hierzulande in der breiten Öffentlichkeit angekommen zu sein. Inzwischen sehen die Zeiten für die Dating-App weniger rosig aus. Während die Konkurrenz immer beliebter wird, setzen insbesondere jungen Frauen nur noch selten auf den Marktführer Tinder. Das wirkt sich inzwischen auch auf dessen Börsenkurs aus.
Tinders Mutterkonzern, die Match Group Inc., war im vergangenen Jahr einer der schlechtesten Performer des amerikanischen Aktienindizes S&P500. Der Kurs der Match Group sank laut dem US-Branchenmagazin Bloomberg um beinahe 70 Prozent. Tinder macht über die Hälfte der Einnahmen der Match Group aus.
Tinder-Konkurrenten holen auf
Die Probleme bei Tinder sind vielschichtig. Sowohl die Downloadzahlen als auch die zahlenden Kunden über Tinders Premium Angebot nehmen ab. Junge Menschen zeigen immer mehr Interesse an progressiveren Dating-Apps, die langfristige Beziehungen versprechen wie Hinge oder Bumble.
Es ist durchaus üblich, dass Singles mehrere dieser Apps gleichzeitig nutzen. Tinder versammelt trotzdem immer noch die meisten monatlichen User hinter sich. Insgesamt sind es etwa elf Millionen zahlende Kund:innen. Die meisten User, rund 85 Prozent (etwa 70 Millionen Menschen), nutzen Tinder weiterhin kostenlos. Zudem stagnieren die monatliche Nutzer:innen seit Ende 2019. Bumble und Hinge erfuhren im selben Zeitraum großen Zuwachs. Bei Bumble stiegen die Nutzer:innenzahlen um 87 Prozent, bei Hinge sogar um 140 Prozent.
Der Trend wendet sich eindeutig von Tinder ab. Der Marktführer steht für viele seit der Gründung vor zehn Jahren vorrangig für One-Night-Stands und oberflächliche Bekanntschaften. Die Herausforderer setzen genau dort an. Hinge, welches ebenfalls zur Match Group gehört, wirbt mit dem Slogan "designed to be deleted" (gemacht, um wieder gelöscht zu werden). Wer sich hier anmeldet, sucht in der Regel nach einer tiefen und langfristigen Beziehung.
Bei Bumble liegt es in der Hand der Frauen, nach einem heterosexuellen Match den ersten Schritt zu machen. Folgt nach 24 Stunden keine weibliche Nachricht, wird die Verbindung wieder gelöscht. Für homosexuelle Pärchen gibt es diese Einschränkung nicht. Sowohl bei Hinge als auch bei Bumble stehen Kreativität und Persönlichkeit im Fokus. Unverbindliche Tinder-Matches scheinen nicht mehr angesagt zu sein.
Dieser neue Ansatz scheint vor allem junge Menschen der Generation Z anzusprechen. Während Tinders ursprüngliche Zielgruppe, die Millennials, langsam sesshaft wird, zweifeln viele Menschen unter 30 am Dating-Ansatz von Tinder. Die Grenzen von Sexualität, Identität und dem eigenen Beziehungsstatus sind in den letzten Jahren fluider geworden. Insbesondere in der LGBTQIA+-Community gibt es gute Alternativen.
Tinder versucht gegenzusteuern
Auch heterosexuelle Frauen zweifeln laut Bloomberg immer mehr an Tinder. Das ohnehin ungleiche Verhältnis zwischen den Geschlechtern auf Tinder könnte daher noch weiter auseinander driften. Dies dürfte auch die heterosexuelle Männerwelt langfristig unzufrieden stimmen. Dies hat auch Match Group CFO Gary Swidler erkannt. Bei einem Investoren-Treffen im Dezember versprach er übergriffiges Verhalten auf Tinder härter bekämpfen zu wollen, um ein sicheres Umfeld für Frauen und queere Menschen zu schaffen. Zudem betonte er, dass Tinder-Matches in der Vergangenheit immer wieder zu langfristigen Beziehungen oder sogar Eheschließungen geführt hätten. Dies gelte es stärker hervorzuheben.
Wie eine App das Singleleben revolutionierte

• Sean Rad, Justin Mateen und Jonathan Badeen (von links nach rechts) gründen Tinder in einer Start-Up-Werkstatt des Internetkonzerns IAC
• Die Dating-App verbreitet sich auf dem Campus der University of Southern California in Los Angeles
• Tinder kann im Apple-Store heruntergeladen werden
Tinder will sein Image auch mit neuen Funktionen ablegen. Mit dem Feature "Relationship-Goals" können User seit Kurzem angeben, mit welcher Absicht sie sich auf dem Dating-Markt bewegen. Zudem versucht die App, sich in den sozialen Netzwerken immer deutlicher ein progressives Profil anzuschaffen. So rief Tinder in den USA kurz vor den Midterm-Elections zum Wählen auf, veröffentlichte einen Ratgeber für gesundes Dating und warnte vor einer Liste von Red Flags bei potenziellen Matches. Ob die App auf diesem Weg die Gunst der Generation Z zurückgewinnen kann, bleibt abzuwarten.