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J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Ich bin pornosüchtig, weil Frauen keinen Sex mit mir wollen

Zu häufiger Pornokonsum kann für manche Menschen zu einem Problem werden (Symbolbild)
Zu häufiger Pornokonsum kann für manche Menschen zu einem Problem werden (Symbolbild)
© Marcos Calvo / Getty Images
Timo ist pornosüchtig. Und weiß ziemlich genau, woran das liegt. Doch wie kann er dem Teufelskreis aus Ablehnung und Sex-Bedürfnis entkommen?

Hallo Frau Dr. Julia Peirano,  

ich bin männlich, 24 Jahre alt, Student, und bin pornosüchtig. Es fällt mir schwer, davon loszukommen, da ich meine negativen Emotionen, die sich durch den Alltag ergeben, durch Pornos unterdrücke, statt sie auszuhalten. Ich habe und hatte absolut kein Sexleben, sprich ich bin noch Jungfrau.  

Durch den ständigen Konsum schaffe ich nicht für die Uni zu lernen, habe keine Hobbys, und kaum Freunde. Wenn ich Lust nach Sex habe, schaue ich ebenfalls "Filme" , da ich nicht die Möglichkeit habe, Sex zu bekommen.  

Manchmal frage ich mich auch, warum ich mit dem Pornos schauen aufhören sollte, da der Weg zum Sex einfach extrem mühselig ist (Vermutung). Da müsste ich erstmal auf Frauen zugehen, Nummer austauschen, daten (falls man soweit kommen sollte). Und erst wenn man sich gut versteht, landet man in der Kiste - und da hat man schon Monate investiert. 

Der Aufwand ist so hoch, und die Erfolgschance bei einer Jungfrau wie mir so gering, das wird doch eh nie was? Auf Dating-Portalen muss man wie ein Model aussehen, gut gebaut sein, da sonst keine Frau einen matchen wird. Gut aussehende Frauen brauchen keine Dating-Apps, da es sich im Alltag ergibt, was bei vielen Männern nicht der Fall ist. => Dating-Apps machen einfach nur Frust, ich habe es selbst probiert… 

Ich möchte auch keine Beziehung eingehen. Was ich möchte, ist einfach Intimität und Sex. Ist das zu viel verlangt? Es ist für mich  ein Grundbedürfnis.  

Was ich mir überlegt habe: Mit dem Pornokonsum aufzuhören und durch einen Sport im Verein zu ersetzen, Freundschaften aufzubauen, und öfter rauszugehen. Ist das eine gute Idee? Dadurch wird sich aber mein Sexlosigkeit nicht beheben, wie löse ich das Problem?  

Wie gehe/sollte ich mit negativen Emotionen im Alltag umgehen, statt sie zu betäuben (Pornos, oder Drogen)? Ist Meditation eine gute Alternative?  Sollte ich die negativen Emotionen nicht betäuben und diese "einfach" aushalten, meinen Alltag trotz dessen nachgehen, und nicht so so viele Gedanken in die negativen Emotionen investieren?  

Ich hoffe auf Ihre Antwort!

Timo T.

Lieber Timo T.,

es klingt so, als wenn Sie sich in einer ziemlichen Lebenskrise befinden. Ich finde es aber gut, dass Sie so viel reflektieren und für sich auch bereits einige Zusammenhänge und Lösungsansätze erkannt haben. 

Ihnen ist bewusst geworden, dass Sie die negativen Gefühle betäuben, sei es mit Pornos oder Drogen. Und dadurch verlieren Sie, wie es für Sucht typisch ist, viel Kraft, die Sie bräuchten, um Ihr Leben positiv zu gestalten. Sie haben keine Energie, sich zu verabreden und Freundschaften aufzubauen und zu pflegen, Sie wissen nicht so recht, wie man mit Gefühlen umgeht oder umgehen kann, und es klingt an, dass Sie mit sich und Ihrem Leben nicht so viel anzufangen wissen.

Und da dreht sich der Teufelskreis: Je mehr Sie die Unzufriedenheit (die ja auch sehr konstruktiv und wegweisend sein kann) unterdrücken und Pornos oder Drogen konsumieren, desto energieloser und unzufriedener werden Sie. Ich würde Ihnen empfehlen, diesen Kreislauf zu unterbrechen. Allerdings ist das alleine nicht einfach, denn Sucht ist sehr sehr hartnäckig. Wie wäre es, wenn Sie zuerst einmal zu einer studentischen Beratungsstelle gehen oder zu einer Suchtberatung? Sie finden Ambulanzen mit Suchtberatung an vielen Krankenhäusern oder über soziale oder kirchliche Träger.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Oder Sie können über die Telefonnummer 116 117 oder über die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung auch kurzfristig einen Termin mit einer Psychtotherapeutin oder einem Psychotherapeuten buchen, der über die Krankenkasse abgerechnet wird. Allerdings haben die meisten dieser Therapeut:innen im Anschluss keinen Therapieplatz frei, können aber mit Ihnen überlegen, welche Hilfe Sie brauchen.

Zum Thema Dating und Sex fand ich es sehr mutig und ehrlich von Ihnen, zu sagen, dass Sie nur Sex wollen, aber keine Beziehung. Das gibt schon einmal viel Klarheit und erspart der Partnerin die Enttäuschung. Allerdings nur, wenn Sie das auch deutlich in Ihr Profil schreiben und immer wieder den Frauen gegenüber betonen.

Vorerst wäre es aber sicher ein guter Schritt, wenn Sie schon einmal erste sexuelle Erfahrungen sammeln. Was hat Sie denn bisher davon abgehalten, Sex zu haben? Waren es Selbstzweifel und Ängste (z.B. Unzufriedenheit mit Ihrem Aussehen) oder gab es schlichtweg bisher keine Gelegenheit? Wenn Sie sich mal auf der Straße umschauen: Haben Sie wirklich den Eindruck, dass nur attraktive Männer eine Partnerin finden? Zählen Sie doch mal Paare und beurteilen Sie deren Attraktivität (insbesondere die der Männer) und dann überprüfen Sie, ob man attraktiv sein muss.

Ich habe eher den Eindruck, dass Sie Frauen signalisieren, dass Sie nur Sex wollen und an ihnen persönlich oder ihrer Lebensgeschichte wenig interessiert sind. Mit dieser Einstellung werden Sie wahrscheinlich wenig Erfolg bei Frauen haben. Die Frauen, die "nur Sex" wollten und die mir von ihren Wünschen erzählt haben, wünschten sich einen Liebhaber, der ihnen persönlich Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegen bringt, mit dem sie Spaß haben können, der sexy ist und mit ihnen eine schöne Zeit verbringt (auch mal kochen, ausgehen, spazieren gehen, …). Wenn Sie gar kein Interesse an der Frau haben, sondern möglichst schnell zum "Ziel" (=Sex) kommen wollen, sind Sie für die meisten Frauen nicht attraktiv, weil Ihnen der schöne Rahmen fehlt.

Sexualität ist für viele Menschen ein Grundbedürfnis, und bei Ihnen scheint dieses eher stärker ausgeprägt zu sein. Insofern halte ich eine Kompensation durch Meditation oder übermäßigen Sport für keine so gute Idee. Sie würden sich eher damit quälen. Sie können eher überlegen, wie Sie sich mit einem Sport, den Sie gerne machen, gut tun können, sich gegebenenfalls durch Mediation beruhigen und zentrieren können UND außerdem nach guten Rahmenbedingungen für Sex suchen.

Deshalb gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten.

  1. Sie suchen in einem Internetportal gezielt nach Sexbeziehungen und versuchen Frauen zu finden, die Sex ohne ein freundliches Drum und Dran wollen (es gibt sie!) Ein Patient von mir wurde ohne viel Aufhebens über eine Dating-App nach einem kurzen Chat von der betreffenden Frau in ihre Wohnung eingeladen - zum Sex. Am gleichen Tag…
  2. Sie freunden sich damit an, für Sex zu bezahlen und lassen sich bei einer Massage plus erotisch verwöhnen und gleichen das finanziell aus. Allerdings sollten Sie sich damit auseinander setzen, dass viele Prostituierte unter katastrophalen und traumatischen Bedingungen arbeiten, insbesondere wenn sie minderjährig sind, drogensüchtig sind, an unsicheren Orten arbeiten oder gezwungen werden.    

Ich hoffe, dass Sie für sich eine Möglichkeit finden, Unterstützung zu finden, um von Ihrer Pornosucht loszukommen und die Energie in ein befriedigenderes Leben zu investieren.

Viele Grüße

Julia Peirano    

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