Hamas-Terroristen ziehen durch israelische Städte. Familien mit Kindern werden in den Gazastreifen entführt. Luftangriffe auf beiden Seiten, zerstörte Häuser, Leichen in den Straßen. Die Angriffe der radikalislamischen Hamas gegen Israel haben grauenvolle Bilder erzeugt, die um die Welt gehen und uns schockieren. Und viele machen sich Sorgen, wie der Krieg zwischen Israel und der Hamas weitergeht. Droht ein Krieg im gesamten Nahen Osten?
Die Gewalt im Nahen Osten ist gerade das bestimmende Thema, in den Nachrichten, aber auch zu Hause. Dabei bekommen auch Kinder mit, dass etwas Schlimmes passiert ist. Wie sollte man mit Kindern über den Krieg und den Nahost-Konflikt sprechen? Und was können Eltern tun, wenn das eigene Kind auf Instagram oder Tiktok verstörende Bilder gesehen hat?
"Wichtig ist erst einmal, dass wir das Kind ernst nehmen", sagt die Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf im Gespräch mit dem stern. Sie hat mehrere Jahre mit Kindern, Jugendlichen und Eltern gearbeitet und arbeitet auch beim WDR-Kinderradio. Zudem ist sie Autorin des Buches "Wann ist endlich Frieden", das Kinderfragen zu Krieg, Gewalt und Flucht beantworten soll.
Psychologin: Kinder und ihre Sorgen nicht abwiegeln
"Die Kinder kriegen was mit, kriegen auch die Sorgen und Ängste der Erwachsenen mit und interessieren sich für das, was in der Welt passiert. Sie hören Worte wie Hamas, Krieg oder Bombe." Wichtig sei dann, dass man Kinder in diesen Situationen nicht abwiegele, sondern mit ihnen spreche. "Manche Kinder brauchen einfach ein bisschen Information, um sich sicher zu fühlen. Kinder spüren ja, dass da was los ist." Wenn man Kindern ihr Gefühl ausrede, verunsichere sie das noch mehr, so die Psychologin. "Man sollte dem Kind sagen: Dein Gefühl ist richtig."
Im Gespräch mit den Kindern solle man möglichst keine langen Vorträge halten, sondern kurz und in einfachen Worten die Fragen zu Krieg und Gewalt beantworten. Wichtig sei dabei, so Raffauf, über die Gefühle zu sprechen: "Macht es dem Kind Angst, fühlt es sich unsicher... Jeder hat ein Gespür für sein Kind." Dann sollte vermittelt werden, dass es ganz normal ist, Angst zu haben. "Erwachsene haben die auch. Man darf auch nicht vergessen, dass Angst an sich nichts Schlechtes ist. Sie ist eine Alarmanlage, die wir manchmal auch brauchen."
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Offen für die Fragen der Kinder sein
Wenn das Kind nicht von selbst mit Fragen zu den Eltern komme, könnten diese zum Beispiel fragen, ob in der Schule über den Krieg gesprochen wurde oder ob Bilder in sozialen Netzwerken aufgetaucht sind.
"Als Elternteil sollte man offen sein für die Fragen, die vom Kind kommen und signalisieren, dass das Kind immer auf die Eltern zukommen kann und man die Fragen und Sorgen ernst nimmt", rät Raffauf.
Wie man mit dem Kind spricht, hänge dabei von Alter und Entwicklungsstand ab. "Grundschulkinder wollen vielleicht schon wissen, was die Hamas ist oder was in Gaza passiert. Also sehr politische Fragen. Oder sie bekommen in der Schule mit, wenn es Konflikte zwischen Mitschülern wegen des Nahostkonflikts gibt. Aber wichtig ist, egal wie alt das Kind ist, zu schauen, womit es sich beschäftigt."
Kleineren Kindern müsse man natürlich mit einfacheren Worten die Situation erklären. Besonders Kinder unter drei Jahren hätten ohnehin weniger Fragen und Sorgen, da sie sich nur bedingt damit beschäftigten. "Manche Kinder beschäftigt das sehr und andere weniger. Kinder sind unterschiedlich", so die Psychologin und Autorin.

"Wenn man etwas nicht weiß, dann sollte man das dem Kind auch sagen"
Die Diplom-Psychologin Raffauf erklärt außerdem, dass Kinder Kriege und Konflikte auch nachspielen, wobei sie so tun könnten, als würden sie sich gegenseitig erschießen. "Das sollte man als Elternteil oder Erzieher nicht eins zu eins übersetzen." Für Kinder sei dies auch eine Form der Verarbeitung. "Wenn ein Kind zum Beispiel im Spiel mit anderen Kindern sagt 'Du bist tot', dann ist das Kind vielleicht nicht mehr so hilflos gegenüber dem, was in Israel passiert. Man sollte es also nicht verbieten, aber auch nicht unkommentiert lassen und deshalb mit den Kindern darüber sprechen."
Allerdings ist der Nahostkonflikt kompliziert und auch für Erwachsene schwer zu erklären. "Wenn man etwas nicht weiß oder den Nahostkonflikt nicht erklären kann, dann sollte man das dem Kind auch sagen", rät Raffauf. Man könne aber anbieten, sich gemeinsam zu informieren, ein Buch zu lesen oder im Internet zu recherchieren, um die Frage zumindest ein bisschen zu beantworten. "Man kann dem Kind offen sagen, wie kompliziert der Konflikt zwischen Israel und der Hamas und wie wechselseitig der Nahostkonflikt ist. Eltern müssen auch nicht alles wissen und beantworten können, aber es hilft den Kindern, wenn sie offen und bereit sind, gemeinsam Antworten zu finden."
Eltern könnten auch gemeinsam mit dem Kind überlegen, was man selbst konkret tun kann. Zum Beispiel allein oder mit anderen zusammen der Lehrkraft vorschlagen, in der Klasse über den Krieg zu sprechen. "Bilder malen und an die Fenster kleben, einen Brief schreiben, Spenden sammeln oder vielleicht auch zu einer Demo gehen, können auch kleine Zeichen sein, wenn man Unterstützung zeigen will." So komme man etwas aus dem Gefühl der Ohnmacht heraus.
Bei Social Media müssen Eltern und Kinder zusammen reden und handeln
Sollte der Nachwuchs zu sehr von dem Krieg und den schrecklichen Nachrichten und Bildern eingenommen werden, könne man als Elternteil gemeinsam mit dem Kind schauen, wie man auf andere Gedanken kommen könne, erklärt Raffauf. "Fragen, was dem Kind Spaß macht oder überlegen, was schon mal gut geholfen hat, um auf andere Gedanken zu kommen. Toben oder Sport machen zum Beispiel."
In der heutigen Zeit haben auch schon junge Kinder Smartphones und nutzen soziale Netzwerke. Tiktok und Instagram sind beliebt, doch auf beiden Plattformen werden Videos und Bilder der israelischen Luftangriffe und des Hamas-Terrors gezeigt. Viele davon sind verstörend, selbst für Erwachsene. Was kann man also tun, wenn ein Kind solche Bilder sieht?
"Bei Social Media und den schrecklichen Bildern dort sollte man dem Kind offen sagen: 'Wenn du etwas siehst, was dich verstört, dann schau es dir nicht bis zum Ende an. Zeige es deinen Eltern, dann reden wir darüber'", so Raffauf.
Auch Eltern kennen es, wenn besonders grausame Bilder einem nicht aus dem Kopf gehen. Daher müssten Eltern dem Kind aufzeigen, was es tun kann, wenn es solche Bilder gesehen hat: "Mit den Eltern darüber sprechen, das Video oder Foto melden, vielleicht auch löschen oder gar nicht mehr anschauen, das Handy weglegen und dann damit zu den Eltern gehen."