Fussball-WM der Frauen ARD und ZDF feiern den Erwerb der Senderechte für die Frauen-WM. Doch Gewinner ist die moralisch bankrotte Fifa

Deutschland - Brasilien Vorbereitung für die WM
April 2023: DFB-Frauen im Testländerspiel in Nürnberg gegen Brasilien
© Imago Images
Der Black-out ist abgewendet, die Frauen-Fußball WM wird im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt. Dies als einen Sieg im Kampf um Gleichberechtigung zu deuten, wäre falsch. 

Wenn die Lokführer streiken in Deutschland, ist das zwar ein Ärgernis, aber niemand hat ernsthaft Sorge, dass der Zugbetrieb für längere Zeit oder gar für immer zum Erliegen kommt. Sie werden sich schon wieder einigen, die Lokführer und die Bahn – das ist die berechtigte Hoffnung, die Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer durch Zeiten stillstehender Züge trägt.

Ein ähnliches Muster ist nun auch bei der Vergabe der Übertragungsrechte für die Frauen-Fußball WM in Australien und Neuseeland zu erkennen gewesen. Die Verhandlungen zwischen europäischen TV-Sendern und dem Rechteinhaber Fifa, dem Weltfußballverband mit Sitz in der Schweiz, zogen sich über Monate, und der Turnierstart am 20. Juli rückte immer näher. Aber immer war klar, dass es eine Einigung geben wird. Einen sogenannten Black-out, einen schwarzen Bildschirm während des Turniers, wollten beide Parteien vermeiden. Vor allem die Fifa, die enorme Reichweitenverluste im wichtigen europäischen Fernsehmarkt hätte erleiden müssen, was ihren Sponsoren schwer vermittelbar gewesen wäre.

Seit Mittwochabend steht fest, dass die Weltmeisterschaft bei ARD und ZDF zu sehen sein wird. Aus der Stellungnahme des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) war Erleichterung zu lesen; DFB-Präsident Bernd Neuendorf maß der geklärten Übertragungsfrage gar existentielle Bedeutung zu. Sie sei "für die weitere Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland von enormer Bedeutung", sagte er.

Neuendorf war lange Zeit Politiker, bis 2017 arbeitete der SPD-Mann als Staatssekretär in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Neuendorf weiß, dass Pathos Aufmerksamkeit erzeugt, und dieses Stilmittel benutzt er nur allzu gern, vor allem in seiner Lieblingsrolle als Vorkämpfer für den Frauen-Fußball.    

Es bleibt ein Störgefühl

Wenn man all das Konfetti niederregnen lässt, das jetzt DFB, Fifa und ARD/ZDF in die Luft werfen, und zurückblickt auf die vergangenen Verhandlungswochen, dann kann einem nicht feierlich zu Mute sein. Es bleibt ein Störgefühl, denn die Debatte um die Übertragungsrechte war zwischenzeitlich komplett entgleist. Von der Fifa wurde sie sogar zu einem Exempel stilisiert, an dem sich die Gleichberechtigung der Geschlechter entscheidet. Diese Erzählung verfing in der Öffentlichkeit. ARD und ZDF sollten sich endlich einen Ruck geben und die Rechte von der Fifa kaufen – trotz des sehr ambitionierten Preises, so lautete allenthalben die Forderung. Der Männerfußball sei schließlich um ein Vielfaches teurer, und jetzt müsse man auch mal bei den Frauen großzügig sein.

Das sind richtige und nachvollziehbare Argumente, doch dass gerade die Fifa in der öffentlichen Debatte zu einer Anwältin des Edlen und Guten erhoben wurde, irritiert doch sehr. Ist die Männer-WM 2022 tatsächlich schon vergessen? Das Turnier wurde von der Fifa nach Katar vergeben, in ein Land, in dem Frau und Mann keinesfalls gleichberechtigt sind, das Homosexuelle verfolgt, das Diversität ablehnt, das Gastarbeitern die Reisepässe wegnimmt und sie ausbeutet.

Das Geld geht an einen moralisch bankrotten Sportverband

Was ist mit dem aberwitzigen Auftritt von Fifa-Präsident Gianni Infantino in Katar? Auch schon vergessen? Jene Rede, die er eröffnete mit den Worten: "Heute fühle ich mich als Katarer. Heute fühle ich mich als Araber. Heute fühle ich mich afrikanisch. Heute fühle ich mich schwul. Heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Arbeitsmigrant." All das sagte er, um nur ein paar Sätze später den WM-Gastgeber Katar in Schutz zu nehmen: "Ich denke, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren weltweit gemacht haben, da sollten wir uns die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge an andere zu verteilen."

Diese Fifa mit Infantino an der Spitze ist der Verhandlungspartner gewesen von ARD und ZDF in den vergangenen Monaten. Die Millionen, die die Sendeanstalten nun zahlen für die Frauen-WM, gehen eben nicht an eine mildtätige Organisation, sondern an einen moralisch bankrotten Sportverband.

Es ist gut, dass die Frauen-Fußball-WM in Deutschland im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt wird. Es ist auch gut, dass sich ARD und ZDF gestreckt haben, um dies zu ermöglichen. Es ist aber falsch, diesen TV-Rechtedeal als einen Sieg im Kampf um Gleichberechtigung zu deuten. Es gibt wenig zu feiern, jetzt, da die Verträge unterschrieben sind. Der Fifa geht es nicht wirklich um die Frauen, es geht ihr auch nicht um Behinderte, Schwule, Schwarze oder Arbeitsmigranten. Das ist Maskerade. Und das hätte man spätestens seit der WM 2022 wissen können.