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Küchenchef Thomas Bühner "La Vie" Er musste eines der besten Restaurants der Welt schließen – was der Geiz der Deutschen damit zu tun hat

La Vie Thomas Bühner
Thomas Bühner kochte 12 Jahre lang im Drei-Sterne-Restaurant "La Vie". Jetzt ist damit Schluss.
© Philipp Hülsmann/Restaurant "La Vie" / DPA
Das Drei-Sterne-Restaurant "La Vie" zählte zu den 150 besten Restaurants der Welt. Jetzt ist plötzlich damit Schluss. Der stern hat mit Geschäftsführer und Küchenchef Thomas Bühner über das sofortige Aus, das Imageproblem in der Spitzengastronomie und die Knauserigkeit der Deutschen gesprochen.

Herr Bühner, Sie waren zwölf Jahre Geschäftsführer und Küchenchef im "La Vie". Sie haben drei Sterne erkocht, 19 Punkte im Restaurantführer Gault-Millau. So haben Sie dem Restaurant zu Ruhm verholfen und die Stadt Osnabrück bereichert. Jetzt verkündete der Investor die sofortige Schließung. Mit Ihnen verlieren 28 Mitarbeiter ihre Arbeit. Wie geht es Ihnen?

Ich kann im Augenblick nicht gut sagen. Es gibt im Moment schöne Tage - aufs Wetter bezogen - mit schlechten Inhalten. Meine Hauptaufgabe besteht aber darin, alles für meine Mitarbeiter zu tun.

Wie geht's Ihrem Team?

Das war natürlich zunächst in Schockstarre. Sie alle hatten einen Tunnelblick. Aber langsam löst es sich. Ich habe alles dafür getan, dass ich ihre dringendsten Fragen beantworte.

Was sind jetzt die größten Fragezeichen?

Das größte habe ich bereits gelöst. Ein koreanischer Mitarbeiter, der um seine Arbeitsgenehmigung fürchtet, die ans "La Vie" gebunden ist. Wenn wir weitere Nöte abfedern können, will ich nicht von einem Happy End sprechen, aber zumindest konnten wir das Drama abwenden.

Sie haben bereits vor einem Monat vom Investor erfahren, dass Ihr Drei-Sterne-Restaurant dichtmachen muss. Was war Ihr erster Gedanke?

Ich war geschockt ...

... und mussten einen Monat schweigen. Wir tritt man mit diesem Wissen seinem Team gegenüber auf?

Ich habe es in mich hinein gefressen. Wortwörtlich. Ich habe fünf Kilo zugenommen. Es war hart und es gab Tage, an denen ich raus musste. Ich wusste ja, was das für mein Team bedeuten würde. Ich konnte meinen Mitarbeiter nicht mehr ins Gesicht gucken. 

Der offizielle Grund der Schließung lautet "organisatorische Neuausrichtung"; die Georgsmarienhütte Holding GmbH, zu der auch die La Vie GmbH gehört, will ihren Fokus künftig auf die Stahlherstellung und  -verarbeitung richten und sich nicht mehr in der Gastronomie engagieren. Wie üblich ist es in der Spitzengastronomie Investoren im Restaurantgeschäft zu haben?

In New York, London und in anderen Metropolen dieser Welt ist es total üblich - und auch in allen anderen Kulturstätten wie Theater, Museen, und eben auch in der Gastronomie. Nur die Diskussion ist schizophren. Einerseits sind den Gästen die Preise zu hoch, andererseits verteufeln sie die Sponsoren. Die wären aber noch höher, wenn es keine Investoren gäbe.

Hätte es nicht die Möglichkeit gegeben, einen neuen Investor für das "La Vie" zu finden?

Das war einer meiner Vorschläge. Es rechtzeitig öffentlich zu machen.

Aber das wollte der Investor wohl nicht.

Der hat es zumindest so entschieden.

Noch vor einigen Jahren haben Sie abends unter der Woche sieben Gänge zu 98 Euro angeboten. Zuletzt waren es sechs Gänge für 148 Euro. Für ein Drei-Sterne-Restaurant ein Schnäppchen. War das "La Vie" finanziell erfolgreich?

Es war erfolgreich. Das war unser Ziel: ein Drei-Sterne-Restaurant zu haben. Und jedes Jahr wurden wir mit einem anderen Award ausgezeichnet. Darin waren wir gut.

In den letzten Tagen sind die Emotionen hochgekocht. Frank Rosin postete ein Bild mit den Worten "Kochen kann er ja. Jetzt muss er nur noch lernen Geld zu verdienen". Erwarten Sie von Ihren Kollegen mehr Unterstützung in solchen Zeiten?

Er hat sich entschuldigt. Haken dahinter. Unterstützung habe ich große bekommen – von meinen Kollegen. Die Frage ist eher, ob Frank Rosin ein Kollege ist. Für mich ist er ein Fernsehkoch, der nicht nachgedacht hat. Wir kennen uns auch nicht wirklich.

Die Deutschen lieben ihre Geiz-ist-geil-Mentalität. Wie schwer hat es die Spitzengastronomie in Deutschland?

Absolut schwer. Die meisten Deutschen interessieren sich einfach nicht dafür. Es ist nicht immer unbedingt einkommensabhängig, sondern interessensabhängig. Es fehlt die Wertschätzung für gute Lebensmittel. Zudem fehlt der Respekt dafür, was in Spitzenküchen geleistet wird. Natürlich kann man für wenige Euro eine Mahlzeit zubereiten. Aber vor allem wenn Zutaten wie Fleisch und andere tierische Produkte zum Einsatz kommen, sollte man den günstigen Preis nicht als Maß nehmen.

Man sagt, der Deutsche fährt mit seinem Porsche 911 zum Dönerstand und der Franzose mit seinem klapprigen Citroen ins Sternerestaurant. Was machen die Franzosen anders?

Alles. In Frankreich ist gutes Essen Kulturgut. Präsident Macron hat französische Sterneköche eingeladen und mit ihnen ausgelassen gefeiert. Das würde in Deutschland nie passieren. Würde Merkel etwas anderes essen als Bratkartoffeln, wäre sie nicht mehr wählbar.

Also hat die Spitzengastronomie ein Imageproblem.

Wir kämpfen seit Jahren dafür, dass Spitzenküche in Deutschland beispielsweise bei der "Deutschen Zentrale für Tourismus" eine Plattform bekommt. Die Antwort ist immer, dass dies nicht gehen würde, weil nicht alle Sterneköche deutsch kochen würden. Die deutsche Spitzenküche ist halt durch Vielfalt geprägt. Warum ist es nicht möglich, das zu promoten? 

René Redzepi machte es mit der Nordic Cuisine in Dänemark, Massimo Bottura mit der italienischen Küche. Sie erfanden ihre Landesküche neu. Muss sich auch die deutsche Küche neu erfinden?

Sowohl Redzepi als auch Bottura haben eine Plattform bekommen. Sie wurden beide wie Künstler ihres Landes gefeiert und von der Politik unterstützt. Die deutschen Spitzenköche haben es da um einiges schwerer. Es gibt kaum Unterstützung. Es wird erwartet, dass der Sternekoch vor Ort ist und kocht. Fürs Marketing bleibt da leider viel zu wenig Zeit.

Sie haben Ihren Arbeitsplatz verloren. Wie geht es jetzt bei Ihnen beruflich weiter?

Ich muss das "La Vie" noch abwickeln und sehe zu, dass es für die Mitarbeiter befriedigende Lösungen gibt. Am besten auf gleichen Niveau. Gutscheine müssen zurückbezahlt, Rechnungen beglichen werden. Und dann hoffe ich, dass ein paar tolle Angebote kommen, die mir neue Türen öffnen.  

Gemüse wird auf einem Holzbrett geschnitten

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