Grillen Gut Fleisch will Weile haben

Grillmeister ist in Deutschland ein hektischer Job: Die Würstchen sollen binnen Minuten fertig sein. Mit Barbecue hat das nichts zu tun: Unsere amerikanischen Freunde setzen auf niedrige Temperaturen und ganz viel Zeit.

Ein Mann in der Hängematte, den Hut ins Gesicht geschoben, die Hände vor der Brust gefaltet … eine von fünf typischen Positionen beim Barbecue, hat Smoky unter das Bild geschrieben. Eines will er gleich zu Anfang seines Buches mal klarstellen: Wer sich auf Barbecue einlässt, hat Zeit, sehr viel Zeit. Doch wer ist dieser Smoky? Nun, der Kerl heißt eigentlich Clark Hale, stammt aus dem Süden der USA, und seinen Spitznamen hat er sich redlich verdient, weil er seit Jahrzehnten Fleisch aller Art mittels Feuer und Rauch für den Verzehr zubereitet.

In seiner Heimat ist Smoky ein Grillguru - und doch nur einer von vielen. All diese Hexer am Rost zeigen ihre Künste in Seminaren und im Fernsehen, sie las-sen sich bei der Arbeit für DVDs filmen, und sie schreiben Bücher, die weggehen wie warme Spareribs. Hm, können vielleicht auch wir noch etwas von ihnen lernen? Unbedingt. Vor allem diejenigen, denen beim Wort "Barbecue" einfällt: "Oh, ja, wir haben auch gegrillt am Wochenende, Würstchen und leckere Nackensteaks!" Lektion eins: Das gemeine Grillen, womöglich auf einem Billiggrill von der Tankstelle, hat mit Barbecue nichts zu tun. Okay, verschiedene Menschen meinen Unterschiedliches mit dem Wort Barbecue.

The american way: gaanz laangsaam

Wir aber halten es mit den Südstaatlern, mit Smoky, und sagen: Das tropfende Fett, die Stichflamme, das verbrannte Fleisch - all das ist nicht Barbecue. Und schon gar nicht der bei uns weit verbreitete Wunsch, das Fleisch möge doch bitte schon fertig sein, bevor die Kohlen glühen. Ungeduld ist fehl am Platz; schlag nach bei Smoky! Beim Barbecue wird das Fleisch langsam gegart, gaanz laangsaam, bis es zart ist und dabei viel saftiger bleibt als ein Stück Turbo-Grillgut. Damit es während der langen Garzeit weder anbrennt noch austrocknet, darf die Temperatur nicht zu hoch sein. Also glüht die Kohle, anders als beim Grillen, mit rund 300 Grad nicht direkt unter dem Rost, sondern daneben.

Und weil die Hitze - nie mehr als 160 Grad - trotzdem beim Fleisch ankommen soll, muss auf die ganze Sache noch ein Deckel. Der Vorteil: Kein Wind wirbelt die Asche auf, kein Regen löscht die Glut. Das Behutsame erinnert an die Niedrigtemperaturmethode, die auch in Deutschland populärer wird: Da schmurgelt der Braten im Backofen stundenlang bei 80 bis 90 Grad. Über den Ursprung sowohl des Worts als auch der Methode Barbecue gibt es verschiedene Legenden. Die populärste besagt, beides stamme aus der Karibik, wo einst das Volk der Taíno mit Barabicu den "heiligen Feuerplatz" bezeichnete. Für diese Stätte hoben sie eine Kuhle aus, legten meist eine ganze Ziege hinein, bedeckten sie mit Blättern und schichteten schließlich glühende Kohlen obendrauf. Anschließend fassten auch sie sich in Geduld. Einspruch, werden die Franzosen sagen: Das Wort stammt von unserem Ausdruck "barbe à queue" - unsere Vorfahren sahen einst, wie ein ganzes Schwein "von Bart bis Schwanz" zubereitet wurde.

Probieren geht über studieren

Um jedenfalls ein mächtiges Stück Fleisch auf die sanfte Tour zu garen, beispielsweise ein Spanferkel, muss schon ein großes Gerät her, am besten ein Smoker, mit geräumiger Räucherkammer. Für kleinere Brocken tut es auch ein Kugelgrill. Egal aber, wie groß das Gerät: Auch beim Barbecue ist noch kein Meister aus dem Rauch aufgestiegen, diesem Titel nähert sich ein jeder Sitzung um Sitzung. Wie viel Kohle und wie oft nachlegen? Man weiß es erst nach dem zweiten oder dritten Mal exakt. Wie den Luftzug regulieren mittels der Lüftungsklappen? Probieren geht über studieren. Vielleicht mal mit dem Holz, den Woodchips, experimentieren? Sie glimmen auf der Kohle und sorgen für einen rauchigen Geschmack. Apfel- oder Kirschholz qualmt mild, Walnussholz herzhaft. Wer mag, kann die Chips auch mit Bier, Wein oder Whiskey tränken, um das Aroma zu verfeinern. Der gemächliche Weg zum zarten Fleisch ist immer spannend und mindestens das halbe Vergnügen. Nach jedem Blick auf Fleisch und Glut ist auch Gelegenheit, einmal die zweite typische Barbecue- Position auszuprobieren, die Smoky zeigt: ein Mann auf einer Liege, Augen zu.

Rezepte: Frank Khaschei

Schweineschulter (Pulled Pork)

FÜR 12 PERSONEN

Trockene Gewürzmischung (RUB):

1 EL Paprika, edelsüß; 2 TL brauner Zucker; 1⁄2 TL Cayennepfeffer; 1 TL Knoblauchpulver; 1 TL Zwiebelpulver; 1 TL Senfpulver; 1 TL schwarzer Pfeffer aus der Mühle; 1 EL grobes Salz 1 Schweineschulter mit Knochen (ca. 6 kg, vom Schlachter die Schwarte fingerbreit schachbrettartig einschneiden lassen)

Sauce zum bestreichen (Basting Sauce):

1⁄2 l Apfelessig; 400 ml Fleischbrühe; 200 g Ketchup; 100 g brauner Zucker; 3 TL Salz; je 1 TL schwarzer und weißer Pfeffer aus der Mühle

Beilagen:

ca. 3 Römersalatherzen; 6 - 8 reife Tomaten; 1 Glas saure Gurken (geviertelt oder in Scheiben); 20 Hamburgerbrötchen

  • Für die Gewürzmischung alle Zutaten vermengen.
  • Die Schweineschulter mit dem "Rub" einreiben und über Nacht im Kühlschrank marinieren
  • Für die Sauce zum Bestreichen alle Zutaten verrühren und aufkochen
  • Die Schulter mit der Schwarte nach oben im Garraum des Smokers bei ca. 120 Grad etwa 12 Stunden garen. Alle 1 bis 2 Stunden mit der Sauce bestreichen. Bei 93 Grad Kerntemperatur ist der Braten gar
  • Den Knochen aus der Unterseite des Bratens drehen. Die fast schwarze Schwarte entfernen. Das weiche, sehr faserige Fleisch mit den Händen grob zerzupfen und in eine große Schüssel geben. Mit restlicher Sauce begießen und alles im Smoker in der Restwärme noch einmal kurz erwärmen.
  • Zwischendurch den Römersalat in feine Streifen, Tomaten in Scheiben schneiden und Gurken klein schneiden. Alles getrennt in Schüsseln auf den Tisch stellen.
  • Hamburgerbrötchen aufschneiden und auf dem Grill toasten. Jeder belegt sich seinen "Pulled Pork Bun" selbst mit Gemüseund Fleischstreifen.

Tipp: Die Buns werden mit der Hand gegessen; viele Papierservietten anbieten.

Huhn auf der Dose (Chicken on a can)

FÜR 2 - 3 PERSONEN

Trockene Gewürzmischung (RUB):

2 - 3 EL Paprikapulver, edelsüß; 2 TL grobes Salz; 1 TL Selleriesalz; 1 TL schwarzer Pfeffer aus der Mühle; je 1 TL Knoblauch- und Zwiebelpulver 1 Poularde (ca. 1,3 kg)

Sauce zum bestreichen:

1 EL Zitronensaft; 2 EL Olivenöl; je 1 TL Senf und Honig; 1⁄2 TL Salz

Ausserdem:

1 kleine leere Konservendose ohne Etikett

  • Für den "Rub" alle Zutaten vermengen und die Poularde damit innen und außen einreiben.
  • Das Huhn mit der Körperöffnung über die Dose stülpen, auf eine Aluminiumgrillpfanne setzen, auf den vorgeheizten Grill stellen und bei 160 Grad garen.
  • Alle Zutaten für die Sauce verrühren und nach 1 Stunde Garzeit zusammen mit dem abgetropften Fett aus der Pfanne auf das Huhn streichen. Den Vogel weitere 20–30 Minuten garen, bis die Kerntemperatur 80 Grad beträgt (der Fleischsaft, der beim Einstechen austritt, muss klar sein).
  • Die Poularde von der Dose heben und mit einer Geflügelschere in Portionen schneiden.

Hohe Rippe

FÜR 8 - 10 PERSONEN

Würzpaste:

4–6 Schalotten; 4–6 Knoblauchzehen; 2–3 EL Olivenöl; je 1 Bund Oregano und Thymian; 15 cm Rosmarin; 1–2 EL grober Senf; 1–2 EL Honig; 1 TL Pfeffer aus der Mühle ca. 4 kg hohe Rippe mit der ganzen Fettschicht (die Spitze des Gradknochens vom Schlachter absägen lassen); grobes Salz

Ausserdem:

Küchengarn

  • Für die Würzpaste Schalotten und Knoblauch würfeln, in Olivenöl glasig dünsten und abkühlen lassen. Kräuterblätter zupfen, fein schneiden und mit den restlichen Zutaten unter die Zwiebeln mischen.
  • Von der hohen Rippe nur die dicke Fettschicht oben beginnend mit einem scharfen Messer zu 3⁄4 der Fläche ablösen und wegklappen. Auf keinen Fall abschneiden! An den Spitzen der runden Rippenknochen entlang das Fleisch ca. 4 cm tief einschneiden.
  • Die Würzpaste gleichmäßig in die Tasche und auf das Fleisch streichen. Die Fettschicht zurückklappen und den Braten mit Küchengarn fest zusammenbinden. Den Braten mindestens 1 Stunde bei Raumtemperatur marinieren lassen.
  • Hohe Rippe mit grobem Salz einreiben und bei 150 Grad 3–31⁄2 Stunden garen, bis eine Kerntemperatur von 58 - 65 Grad erreicht ist

Tipp: Dazu Baked Potatoes mit Sour Cream und Schnittlauch sowie frische Salate anbieten – und eine Pfeffermühle für frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer.

Tipps

Fleischqualität: Fleisch am besten vorbestellen, besonders Rindfleisch, möglichst 2–3 Wochen vorher, denn es sollte gut abgehangen sein

Marinieren:

in einer für Lebensmittel geeigneten Plastiktüte. Das Fleisch während des Garens mit Marinade stündlich einpinseln

Brennmaterial:

Holzkohlebriketts halten die Hitze am längsten. In Wasser eingeweichte Holzchips in Abständen in kleinen Portionen auf die Glut streuen; sie geben dem Fleisch Raucharoma

Anzünden:

Ein Anzündkamin bringt die Kohle schnell zum Glühen – ohne Spiritus oder andere chemische Anzündhilfen

Einheizen:

Vorgeglühte Kohle auf den Grillboden schütten, 1–2 Handvoll Briketts dazulegen und warten, bis die gewünschte Temperatur im Garraum erreicht ist. Ca. stündlich 1–2 Handvoll Briketts nachlegen

Temperaturregelung:

Garraum nicht zu häufig öffnen, um eine konstante Gartemperatur zu erhalten. Mit Ventilen unter der Glut und am Gerätedeckel (Schornstein) wird die Temperatur geregelt: Geöffnet heizen sie die Glut an, geschlossen drosseln sie die Temperatur

Garzeit/Kerntemperatur:

Die Garzeit hängt von der Kerntemperatur ab. Diese zeigt ein Thermometer an. Man sticht an der dicksten Stelle ins Fleisch; darauf achten, dass es keinen Knochen berührt

Ruhezeiten:

Jedes Fleisch vor dem Anschneiden mit Folie abgedeckt außerhalb des Garraums je nach Größe 10–40 Minuten ruhen lassen

Bücher:

Steven Raichlen: "Barbecue", h. f. ullmann, 490 S., 14,95 Euro (detaillierte Barbecue-Schule und Rezepte) Matthew Drennan, Scott Givot, Lucy Knox: "Weber’s Barbecue- und Cocktail-Buch", Gräfe und Unzer, 224 S., 14,90 Euro (Grill- und Barbecue-Technik, speziell für den Kugelgrill) Smoky Hale: "The Great American Barbecue & Grilling Manual", Abacus, 406 S., ca. 17 Euro (vom USGrillguru, nur in englischer Sprache)

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