Der Drang, im Winter seinen Bauchspeck zu zeigen, ist so rätselhaft wie der, im Januar Spaghetti mit Glas-Pesto aus dem Supermarkt zu essen. Im Sommer, da gibt es gutes Basilikum in dicken Bunden. Daraus lässt sich, während die Spaghetti garen, per Stabmixer mit Knoblauch, Pinienkernen, Pecorino und Olivenöl ein köstliches, tiefkühlgeeignetes Pesto zaubern. In den Monaten, in denen Freilandbasilikum im Angebot ist, prägen auch jene Taillen das Straßenbild, die so magnetisierend wirken und die Ursache vieler Auffahrunfälle sind. So weit zum Sommer.
Aber was soll das Ganze im Winter?! Weder gibt es dann gutes Basilikum, noch hat der Mensch denselben Taillen- und Hüftumfang. Im Winter legt der Höhlenmensch zu. Sein Körper, nicht an Zentralheizungen gewöhnt, legt eine Schutzschicht an (was vielleicht auch ganz gut so ist, denn wer weiß, wie lange wir sie noch haben). Trügen wir nun Winterhosen mit erweitertem Hüftumfang, wie wir auch dem Auto grob profilierte Winterreifen gönnen, es ginge noch an. Aber nein, die Leute gehen immer noch mit Sommerhosen auf die Piste und lassen ihren Bauchspeck schillern.
Will man das sehen? Nein, auch aus gesamtgesellschaftlichen Erwägungen nicht: Die Senkung der Krankenkassenbeiträge wird so lange ausbleiben, wie die Hosensaumhöhe auf die Schamhaargrenze sinkt und die Zahl der Nieren- und Blasenentzündungen in der Folge steigt. Hier sollte Ulla Schmidt mal ansetzen. Aus politischen wie ästhetischen Gründen also gehört der Bauch im Winter in die Hose, wie auch statt Konservenpesto-Spaghetti wärmender, frischer, vitamin- und mineralstoffreicher Winterkohl auf den Tisch gehört: Grünkohl, Rotkohl, Weiß- und Rosenkohl, wo immer möglich mit Schmalz und Bauchspeck (hier vom Schwein) zubereitet.
Kohl war immer schon da. Er wuchs (und wächst noch immer) als offenblättriger Wildkohl an den meisten von Europas Gestaden - der Grünkohl ist ihm am nächsten. Dies Gemüse als prall gefüllter Kopf ist eine nordeuropäische Entwicklung des Mittelalters. Der frühgeschichtliche Nahe Osten, die Wiege so vieler Kulturpflanzen, kannte Kohl hingegen nicht. Wir unterscheiden im Wesentlichen drei Formen: Blattkohl (rund und geschlossen wie bei Weißkohl, Rotkohl und Wirsing; kraus und offen wie bei Grünkohl), Blütenkohl (Blumenkohl, Romanesco, Brokkoli) und Stängelkohl (Kohlrabi). Rosenkohl ist eine relativ junge Mutation, bei der die Knospen abnorm langer Stängel gegessen werden.
Roten Kohl beschreibt schon Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert. Die Farbe bedingt auch die Zubereitung: Alle traditionellen Rezepte verlangen nach sauren Geschmackszutaten wie Äpfeln, Essig oder Wein, weil sich ohne sie die grellroten Farbpigmente ins Blaue (bayrisch: Blaukraut) und Grau-Braune wenden. Kohl mieft immer etwas, da er schwefelige Elemente, besonders Senföle enthält. Je länger er gart, desto stärker der Mief. Dafür ist er cholesterinsenkend, kalorienarm, reich an Ballaststoffen und gilt als krebsvorbeugend. Was will man mehr?
Rotkohlsalat mit Orangen und Nuss-Mus
Für 4-6 Personen
1 kleiner Rotkohl (ca. 800 g)
Salz
3 Lauchzwiebeln
2 mittelgroße Orangen
4 EL Balsam-Essig
Pfeffer aus der Mühle
1/2 TL Fenchelsamen (gemörsert)
4 EL aromatisches Olivenöl
100 g Walnusskerne
4-5 EL Orangensaft
2 EL fein gehackte Petersilie
1.
Den Kohlkopf putzen, waschen, vierteln und mit einem Gurkenhobel bis auf die dicken Blattenden und den Strunk in feine Streifen zerkleinern. 1 TL Salz untermischen und den Kohl gut 5 Minuten stampfen und mehrmals wenden.
2.
Lauchzwiebeln putzen, waschen und in dünne Ringe schneiden. Orangen schälen, dabei das weiße Häutchen mit abschneiden, die Frucht vierteln und in Scheiben schneiden, dabei die Kerne entfernen. Essig in eine große Schüssel geben. Erst 1 TL Salz, reichlich Pfeffer und die zerdrückten Fenchelkörner unterrühren, dann 2 EL Olivenöl. Kohl, Zwiebeln und Orangen dazugeben, alles gut mischen, abschmecken und auf einer Platte anrichten.
3.
Die Nüsse im Blitzhacker grob zerkleinern, in einer Pfanne ohne Fett unter Rühren leicht anrösten, in eine Schüssel geben und abkühlen lassen. 2 EL Olivenöl, Orangensaft und Petersilie unterrühren, mit wenig Salz abschmecken und auf dem Salat verteilen.
Zubereitungszeit:
ca. 30 Minuten
Tipp:
Den Salat als Beilage oder Vorspeise mit Baguette servieren. Zum Kohlstampfen ist ein hölzerner Stampfer ideal.
Gefüllte Rotkohlpäckchen
Für 4 Personen
50 g Schinkenspeck
400 g Schweinefilet
2 Schalotten
1 Knoblauchzehe
1 großer säuerlicher Apfel
2 mittelgroße Kartoffeln
3 EL Olivenöl
1/4 l Apfelsaft (ohne Zuckerzusatz); Salz; Pfeffer aus der Mühle
1 TL getrockneter Majoran
1 TL Ingwer, frisch gerieben
3 Gewürznelken
2 Lorbeerblätter
1 Rotkohl (ca. 800 g)
200 ml Fleisch- oder Gemüsebrühe
200 ml Rotwein
4 EL Crème fraîche
1/2 TL Speisestärke
1-2 EL Balsam-Essig
2 EL gehackte Petersilie
1.
Für die Füllung Schinkenspeck in kleine Würfel schneiden. Filet in knapp spielwürfelgroße Stücke schneiden. Schalotten und Knoblauch abziehen und in feine Würfel schneiden. Apfel und Kartoffeln schälen und ebenfalls klein würfeln.
2.
In einem Topf 1 EL Öl mit dem Speck erhitzen, darin das Fleisch unter Rühren 1 Minute anbraten. Schalotten und Knoblauch unterrühren und glasig dünsten. Apfel- und Kartoffelwürfel unterrühren, Apfelsaft dazugießen. Mit Salz, Pfeffer, Majoran und Ingwer würzen. Alles bei schwacher Hitze zugedeckt 10 Minuten köcheln, gelegentlich umrühren, dann abschmecken und offen abkühlen lassen.
3.
Reichlich Wasser, 1 EL Salz, Gewürznelken und Lorbeerblätter in einem großen Topf zum Kochen bringen. Eine Schüssel mit kaltem Wasser bereitstellen. Den Kohlkopf putzen, 3 Minuten in das kochende Wasser legen, einmal umdrehen, aus dem Topf heben, zum Abkühlen kurz in das kalte Wasser legen und die äußeren Blätter vorsichtig abtrennen. Den Vorgang wiederholen, bis genügend Blätter zur Verfügung stehen. Für 8 Päckchen werden jeweils ein großes oder 2-3 kleinere Blätter gebraucht und zusätzliche, um den Topfboden auszulegen und die Päckchen abzudecken. Wenn der Kohl noch sehr fest ist, die Blätter erneut weitere 3-4 Minuten sprudelnd kochen, kalt abschrecken und abtropfen lassen. Die dicken Mittelrippen flach schneiden.
4.
Den Backofen auf 170 Grad vorheizen. Einen ofenfesten Bräter (am besten aus Gusseisen) mit 1 EL Öl einstreichen und den Boden mit blanchierten Kohlblättern auslegen.
5.
Für 8 Päckchen jeweils ein großes oder 2-3 kleinere Blätter überlappend auf die Arbeitsfläche legen. Die Füllung in die Mitte geben und die Päckchen schließen. Große Blätter zusammenfalten, Päckchen aus kleineren Blättern mit Hilfe von Küchengarn zusammenbinden und mit der Nahtstelle nach unten, dicht nebeneinander in den Topf legen. Brühe mit Rotwein verrühren und über die Päckchen gießen. Alles mit einer Lage blanchierter Blätter bedecken und mit 1 EL Öl bestreichen. Kohlpakete zugedeckt auf der mittleren Einschubleiste im Ofen 1 Stunde garen.
6.
Die Deckblätter abheben, auf eine vorgewärmte Platte legen und darauf die Päckchen mit der unteren Blattlage anrichten und warm halten. Crème fraîche mit Speisestärke verrühren. Den Fond im Topf aufkochen, die Crème fraîche unterrühren, 1 Minute köcheln, mit Salz, Pfeffer und Balsam-Essig abschmecken und über die Kohlpäckchen gießen und mit Petersilie bestreuen. Mit frischem Baguette oder Kartoffelpüree servieren.
Zubereitungszeit:
etwa 50 Minuten (plus Kochzeit)
Tipp:
Wer keinen Bräter mit Deckel besitzt, verschließt eine ofenfeste Form fest mit doppelter Alufolie.
Rotkohlborschtsch mit Fleisch und Graupen
Für 4 Personen
1-2 Beinscheiben vom Kalb (ca. 400 g)
1 gr. Zwiebel
1 Lorbeerblatt
2 Gewürznelken
1 Chilischote
1 gr. Möhre
2 Stangen Staudensellerie
1 Stange Lauch
1 Rotkohl (ca. 900 g)
40 g Butter
2 TL brauner Zucker
Salz
Pfeffer
4 EL Perlgraupen
4 EL Rotweinessig
je 3 Zweige glatte Petersilie und Dill
1 Becher saure Sahne
1.
Beinscheiben kalt abspülen und in einen Suppentopf legen. Zwiebel abziehen, mit Lorbeerblatt und Nelken spicken und mit der Chilischote zum Fleisch geben. 1 3/4 l kochendes Wasser dazugießen und alles 30 Minuten kochen. Fleisch aus der Brühe nehmen, abkühlen lassen und würfeln.
2.
Inzwischen Möhre, Sellerie und Lauch putzen, waschen und würfeln. Rotkohl vierteln und die Blätter bis auf die dicken Blattrippen und den Strunk auf dem Gurkenhobel in dünne Streifen zerkleinern.
3.
Butter in einem weiten Topf nicht zu stark erhitzen. Zucker unterrühren und leicht karamellisieren lassen. Das Suppengemüse unter Rühren darin andünsten, den Kohl unterrühren und 2-3 Minuten mitschmoren. Das Gemüse in die Fleischbrühe geben, mit Salz und Pfeffer würzen und zugedeckt 20 Minuten kochen.
4.
Graupen und Fleischwürfel in die Suppe rühren und alles bei schwacher Hitze zugedeckt weitere 20 Minuten kochen, dann mit Essig abschmecken. Kräuter waschen, hacken, zur Suppe geben und den Borschtsch mit saurer Sahne servieren.
Zubereitungszeit:
etwa 30 Minuten (plus Kochzeit)
Tipp:
Mit warmem Vollkornbaguette servieren.
Rotkohlstrudel mit Sultaninen und Pinienkernen
Für 4-5 Personen
Für die Füllung:
50 g Sultaninen
50 ml Rotwein
700 g Rotkohl
1 mittelgroße Zwiebel
20 g Butterschmalz
1 gehäufter TL brauner oder weißer Zucker
100 ml Fleisch- oder Gemüsebrühe
je 1/4 TL gemahlener Piment und Zimt
1 gute Prise Muskatnuss, frisch gerieben
Salz
Pfeffer aus der Mühle
2 EL Apfel- oder Rotweinessig
1 gehäufter EL Orangenkonfitüre
50 g Pinienkerne
2 Stück Zwieback, gerieben
2 große Scheiben gekochter Schinken
Für den Strudelteig:
70 g Butter
1 Paket (450 g) Filoteig (griechischer Blätterteig, erhältlich im griechischen oder türkischen Lebensmittelladen, häufig auch tiefgekühlt)
100 g Petersilienblätter oder Feldsalat
Außerdem:
Backpapier
1.
Die Sultaninen 1 Stunde im Rotwein einweichen. Rotkohl in Viertel schneiden und bis auf die dicken Blattenden und den Strunk auf einem Gurkenhobel in dünne Streifen schneiden.
2.
Zwiebel abziehen und würfeln. Butterschmalz in einem Topf erhitzen, Zucker darin karamellisieren. Zwiebelwürfel unterrühren und glasig dünsten. Kohl untermischen und kurz mitdünsten. Eingeweichte Sultaninen, Brühe und Gewürze, 1 TL Salz und 1 gute Prise Pfeffer unterrühren. Alles zugedeckt bei schwacher Hitze 45 Minuten schmoren, gelegentlich umrühren. 15 Minuten vor dem Ende der Garzeit Essig und Orangenkonfitüre unterrühren und das Gemüse abschmecken.
3.
Die Pinienkerne in einer Pfanne ohne Fett goldgelb anrösten, mit dem Zwiebackmehl unter den Rotkohl mischen und offen abkühlen lassen. Den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen. Den Schinken in mundgerechte Stücke teilen.
4.
Butter schmelzen. Filoteig auseinander rollen. Das oberste Blatt mit Butter einpinseln und auf das Backblech ziehen. Das nächste Blatt ebenfalls einpinseln und exakt auf das erste Teigblatt ziehen. So fortfahren, bis alle Teigblätter mit Butter eingepinselt sind und aufeinander liegen.
5.
Auf die Schmalseite des Filoteiges 14 cm vom Rand entfernt Rotkohl als etwa 12 cm breiten Streifen häufen. Ca. 4 cm Teig am oberen und unteren Ende frei lassen. Den Schinken auf dem Gemüsestreifen verteilen. Einen 14 cm breiten Rand über den Rotkohlstreifen legen, den zweiten Rand darüber klappen. Die Ränder oben und unten jeweils zusammendrücken und unter den Strudel schieben. Den Studel mit Butter einpinseln und in der Ofenmitte in 30 Minuten goldgelb backen. Strudel noch warm in Scheiben schneiden und auf Petersilien- oder Feldsalatblättern anrichten.
Zubereitungszeit:
ca. 1 Stunde (plus Koch- und Backzeit)
Tipp:
Der Strudel passt zu gebratenem Spanferkel oder Lamm, Ente oder Fasan.