Die 50er und 60er Jahre haben den großen Vorteil, vorbei zu sein. Der Nachteil an ihnen ist, dass alle, die sich an sie erinnern können, schon bald – deo volente – in den Aufsichtsrat wechseln werden, in meinem Fall mit der Hoffnung verbunden, dass in der Himmelsküche noch der Posten für einen Zwiebelschäler vakant ist. Oder der des Verwesers der Speisekammer: Wer in der heutigen Welt kocht, hat nämlich weit mehr Wissen und Überblick über Zutaten als der, der in den 50er und 60er Jahren mit Rosenkohl und Koteletts auskommen musste.
Nun ist es unter dem Einfluss der nordischen Küche (die nur das zubereiten möchte, was im Umkreis von so hundert Kilometern um den Ort wächst, wo der Herd gerade bullert) wieder Mode geworden, von Zutaten aus fernen Küchen abzusehen. Ich finde: Solange wir uns an Rosenkohl und Kotelett als den kulinarischen Polen orientieren, dürfen geschmackliche Exkursionen in die weite Welt gern sein, denn sie bringen uns den Urlaub in die Heimat.
Es gibt im Orient maßlos viele Zutaten und Zubereitungen, ohne die die Jetzt-Küche deutlich langweiliger wäre. Die Gewürzmischung Ras el-Hanout gehört dazu, die Salzzitrone (ähnlich der Salzgurke bereitet, nur besser) oder auch Couscous, das Nudelgekrümel. Jetzt stieß ich auf eine Couscous-Variante, die im Vergleich zum Normal-Couscous erbsengroß daherkommt. Das Zeug heißt auf Arabisch Moghrabieh, was aber nur für den Einkauf im Laden wichtig ist – ich ziehe hier die erklärende Übersetzung Perl-Couscous vor.
Perl-Couscous ist (wie Kartoffeln, Pasta oder Reis) eine stärkehaltige Beilage zu Fleisch. Ich finde sie derart köstlich, lagerbar und in der Zubereitung so pflegeleicht, dass ich das Zeug hier unbedingt empfehlen muss, es gehört in jeden Haushalt.
In Großstädten mit maghrebinischlevantinischer Minderheitspopulation ist es im einschlägigen Lebensmittelhandel erhältlich. Auf dem Land dagegen muss das Internet den Erwerb ermöglichen. Kommt, Leute: Ihr kauft den größten Scheiß bei Amazon, warum dann nicht auch einmal lohnende Dinge wie haltbare Lebensmittel?!
Beim Türken an der Ecke ist das Zeug fast spuckebillig, weshalb Perl-Couscous ideal für studentische Haushalte ist. Um es kennenzulernen, empfehle ich folgende Zubereitung, die sich nach seiner Hauptzutat ebenfalls Moghrabieh nennt.
Wie man Perl-Couscous zubereitet
Als Zutaten brauchen wir 1 Huhn (ca. 1,3 kg) sowie 500 g Lammkeule, Letztere in großen Würfeln; Butterschmalz, Pfefferkörner, schwarz; Pimentkörner, Zimtstangen, Lorbeerblätter (nach Möglichkeit frische), 1 Zwiebel, Salz, 6 Schalotten, 300 ml Pflanzenöl, 300 g Perl-Couscous (Moghrabieh), ferner die Gewürze Zimt, Kreuzkümmel und Kümmel – jeweils als Pulver; 1 Dose bzw. Glas gegarte Kichererbsen, Butter, 2 EL Mehl, Zitrone und Pfeffer.
Zunächst das Fleisch garen. Dazu das Huhn in Schenkel, Brustteile und Karkasse zerlegen. Huhn und Lamm nacheinander in mehreren Schüben in einem großen Topf in 50–70 g Butterschmalz ringsum anbraten, das gebräunte Fleisch danach mit Wasser bedecken und unter Abschäumen zum Kochen bringen. Die Hitze herabstellen und die nur noch schwach siedende Flüssigkeit mit je 1/2 EL Pfeffer- und Pimentkörnern, 2 Zimtstangen, 3 Lorbeerblättern und 1 geviertelten Zwiebel würzen. 1 EL Salz zufügen und das Fleisch garen, bis sich das Hühnerfleisch vom Knochen lösen lässt. Huhn ablösen und samt Lamm beiseitestellen. Brühe separat beiseitestellen.
Die Schalotten pellen, ganz lassen und im Pflanzenöl goldfarben frittieren. Die gebräunten Zwiebeln herausnehmen und mit etwas Brühe bedeckt beiseitestellen.
Die Couscous-Perlen für 10 Minuten in kaltes Wasser geben, damit ihre Außenhülle etwas einweicht und aufnahmefähiger wird. 30 g Butterschmalz zerlassen und die in einem Durchschlag abgeschütteten Kugeln darin für 2 Minuten anrösten, dann je 1/2 TL Zimt, Kreuzkümmel und Kümmel – diese drei als Pulver – sowie 1 TL Salz zu den Kugeln geben und weitere 2 Minuten rösten.
Die gewürzten Kugeln in eine ofenfeste Schale geben, die Hälfte der abgegossenen Kichererbsen dazugeben und dies mit der Zwiebelbrühe sowie mit so viel von der Fleischbrühe begießen, dass sie knapp bedeckt sind. Die Form mit Alufolie verschließen und für 50–60 Minuten in den 180 Grad heißen Ofen geben, wo sich die Kugeln mit der Brühe vollsaugen und anschwellen.
Für eine Sauce 50 g Butter zerlassen, zunächst je 1/2 TL Zimt, Kreuzkümmel und Kümmel, dann auch 2 EL Mehl zufügen und unter Rühren 1–2 Minuten anschwitzen, die Schwitze mit ca. 300 ml von der Fleischbrühe ablöschen und klumpenfrei rühren, das gerissene Hühnerfleisch sowie die Lammwürfel da hineingeben und kurz aufkochen. Die zweite Hälfte der Kichererbsen sowie die frittierten Schalotten dazugeben und die Sauce mit Salz, Pfeffer und Zitrone abschmecken.
Die Couscous-Perlen aus dem Ofen nehmen, in eine Servierschale geben, mit dem Fleisch darüber anrichten und mit der Sauce überziehen. Mit etwas gehackter Minze und vielleicht auch ein paar Granatapfelkernen (oder gelben, in etwas Wein gekochten und damit vollgesogenen Rosinen) verzieren.
Ich schließe mit Antworten auf ein paar imaginierte Fragen: Nein, das Gericht muss nicht Huhn und Lamm kombinieren (es klappt auch nur mit Huhn), aber im Orient macht man es so. Je qualitativ besser das Huhn, desto besser der Geschmack. Perl-Couscous schmeckt wie Pasta eher neutral und schmiegt sich jeder Zutat an, mit der man es kombiniert, das macht es so vielseitig einsetzbar, sagen wir zu Rouladen oder Gulasch.
