Bald könnte die Pasta Frutti di Mare mit einer neuen Meeresfrucht auf die Teller kommen - Qualle. Experten sind überzeugt davon, dass in den Nesseltieren die Zukunft liegt. Während in anderen Teilen der Welt die Qualle seit jeher auch gefangen und gegessen wird, hält sich der kulinarische Westen bislang eher zurück, wenn's um die Zubereitung des glibschigen Meerestiers geht.
Diese Zeiten könnten bald vorbei sein. Forscher arbeiten bereits daran, die heimischen Nesseltiere in die Restaurants zu bringen. Schließlich gibt es sie nicht nur in schier unendlichen Mengen, sie sollen auch noch schmecken und gesund sein.
Quallen als Superfood?
In vielen Teilen Asiens gehören Quallen seit mehr als 1000 Jahren selbstverständlich auf den Speiseplan und gelten sogar als Delikatesse. Ob im Salat oder im Sushi - die Zubereitungsweisen sind vielfältig. Allerdings ist Vorsicht geboten. Denn werden die Nesseltiere, die weder Hirn, Herz noch Blut haben, nicht ordnungsgemäß verarbeitet, kann es zu Vergiftungen kommen. Etwa 30 Arten eignen sich zum Verzehr. Typischerweise werden die Tentakel der Medusen abgeschnitten und nur die sogenannte Glocke verwendet. Gesalzen und getrocknet halten sich die Nesseltiere bis zu einem Jahr.
Quallen schmecken ähnlich wie Austern. Sie bestehen größtenteils aus Wasser, gelten aber als gesund, beinhalten viel Eiweiß, gesunde Fette und Spurenelemente wie Kalzium und Natrium. Zudem sind sie frei von Cholesterin, beinhalten einen hohen Anteil an Kollagen und sind zudem äußerst kalorienarm. Eigentlich sind sie ein echtes Superfood, wären sie nicht auch giftig. In Deutschland sind die hiesigen Quallen als Lebensmittel (noch) nicht zugelassen. Alle Quallen, die in Europa serviert werden, werden aus Asien importiert.
Quallen als Gewinner des Klimawandels?
Die Meere werden wärmer, der Sauerstoffgehalt sinkt. Für viele Tier- und Pflanzenarten ist das ein Problem. Nicht aber für Quallen, sie gelten als anspruchslos und kommen auch unter widrigen Umständen aus. Den Medusen spielen Klimawandel und Überfischung sogar in die Karten. Gerade an Orten, an denen das Ökosystem angegriffen ist, treffen sie auf wenige Gegenspieler.
Wo planktonfressende Fische und Raubfische, die sich von Quallen ernähren, rar sind, haben die Nesseltiere Raum sich auszubreiten und nutzen ihn. Mancherorts sind sie zur regelrechten Plage geworden. Im Mittelmeer gehen die Bestände der Spiegeleiqualle durch die Decke, und Ost- und Nordsee erlebten in diesem Jahr eine wahre Invasion an Ohren- und Rippenquallen.
Quallen als neue Meeresfrucht im Restaurant?
Forscher suchen bereits nach Möglichkeiten, die Quallen auch in Europa nachhaltig zu nutzen. Das internationale Projekt GoJelly, geleitet vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und gefördert von der Europäischen Union, forscht unter anderem daran, ob und wie man die Quallen auf die Teller bringen kann. "Quallen sind ein wertvoller Rohstoff", sagt Jamileh Javidpour, Geomar-Forscherin, Initiatorin und Koordinatorin von GoJelly auf der Internetseite der Bundesregierung. "Wir werden in nicht allzu ferner Zukunft neun Milliarden Menschen sein. Deshalb müssen wir uns nach neuen Nahrungsmitteln umsehen."
Auch Stefana Piraino, Professor für Zoologie an der Universität von Salento in Italien, arbeitet an der Studie. Dabei wurde die chemische Zusammensetzung von Quallen im Mittelmeer untersucht und festgestellt, dass sie den Quallen, die im Fernen Osten gegessen werden, ähneln. "Also dachten wir uns: Warum versuchen wir nicht, sie zu essen?", erzählt Piraino "The Guardian".
Noch aber gibt es einige Hürden, die bewältigt werden müssen. Dazu gehört die Neutralisation des Gifts. Daran arbeitet unter anderem Antonella Leone am italienischen Institut für Wissenschaften der Lebensmittelproduktion in Lecce. Gegenüber "Euronews" spricht auch sie davon, dass es in absehbarer Zeit möglich sein könnte, dass Quallen in Europa wie in Asien auf den Speiseplan kommen.
Aber ist die Nachfrage überhaupt gegeben? "Ich denke, wenn wir ausreichend belegt haben, das Quallen essbar sind und es genügend Untersuchungen gibt, die zeigen, dass sie nicht schädlich sind, werden auch Europäer keine Schwierigkeiten haben, solche Produkte in ihre Ernährung zu integrieren", sagt sie.

Quallen anstelle von Premium-Fischen
Jacob Brown betreibt in Neuseelands Hauptstadt Wellington das Restaurant "The Larder", dort serviert er seinen Gästen seit Jahren auch Quallen. 150 Quallen-Gerichte wöchentlich verkauft er inzwischen, wie er "The Guardian" berichtet - und ist frustriert. Obwohl seine Gerichte großen Anklang finden, darf er heimische Quallen nur für den Hausgebrauch fischen. Er importiert die Quallen fürs Restaurant aus Südkorea, obschon Neuseeland selbst von einer Quallenplage heimgesucht wird.
"Quallen sind hier ein echtes Problem. Als ich angefangen haben mit ihnen zu kochen, wurde mir klar, dass es aber auch ein wirklich gutes Produkt ist", sagt er. Er nutze die Quallen als Ergänzung für andere Meeresfrüchte, für ihn ist das auch eine Frage von nachhaltigem Umgang mit Lebensmitteln. "Die Menschheit überfischt unsere Ozeane, und wir haben Quallen im Überfluss. Ich denke, anstatt nur die vom Aussterben bedrohten Premium-Fische wie Thunfisch sollten wir Quallen essen."
Quellen: Bundesregierung, The Guardian, Euronews, Foodnavigator