Eigentlich wollte Motoko Watanabe Wissenschaftlerin werden. Deshalb hat sie ihren Abschluss in Biologie und Neurowissenschaften gemacht, sie dachte sie würde einst in einem Labor stehen und forschen. Doch es kam alles anders. Die gebürtige Tokioterin lernte ihren israelischen Mann kennen und zog mit ihm vier Gastronomie-Konzepte in New York City und Berlin auf. Zudem ist Watanabe ausgebildete Sake-Sommelière. Das muss man sich vorstellen wie eine Sommelière für Wein. Mit ihrem Wissen und ihrem kulturellen Hintergrund will sie den Menschen Sake und die japanische Esskultur näher bringen. Watanabe pendelt zwischen New York City, Tokio und Berlin. Momentan lebt sie in unserer Bundeshauptstadt.
Frau Watanabe, Sie sind Sake-Sommelière. Die meisten von uns gehen wohl davon aus, dass Sake ein Reisschnaps ist. Das stimmt aber gar nicht. Was hat es mit dem japanischen Getränk auf sich?
Sake wird gebraut wie Bier und getrunken wie Wein. Sake besteht zu 100 Prozent aus Reis, es ist kein Schnaps von 40 Volumenprozent Alkohol, sondern hat in der Regel zwischen 15 und 19 Prozent. Also fast wie Wein. Man sollte ihn zum Essen trinken. Sake hat eine jahrhundertealte Tradition. Früher gab es in jedem Dorf eine Brauerei.
Schmeckt Sake nicht immer gleich?
Die Auswahl an Sake in Deutschland ist sehr limitiert. Vielleicht haben Sie deshalb den Eindruck. Deshalb fühle ich mich dazu verpflichtet, mehr Sake ins Land zu bringen. Ich verstehe mich als Botschafterin für Sake und die japanische Esskultur. Als Sommelière bin ich gewissermaßen die Brücke zwischen den Brauern und den Verbrauchern. Genauso wie es beispielsweise verschiedene Rebsorten beim Weißwein gibt, gibt es unterschiedliche Sake. Es gibt unfiltrierte Sake, die milchig-trüb sind, gealterte Sake, die wie ein Portwein sind, es gibt sie sprudelig wie Sekt, die einen schmecken fruchtig, andere erdig. Die Unterschiede sind immens.
Für Sake benötigt man Reis. Produziert man das mit den Sorten, die es bei uns im Supermarkt gibt?
Nein, für Sake braucht man eine ganz besondere Reissorte. Das Sake-Reiskorn hat einen großen, weißen Kern. Nur der wird für die Produktion verwendet, indem man den Kern ganz fein zermahlt. Sake-Reis ist bis zu 100 Prozent teurer als normaler japanischer Reis, weil der Anbau aufwendiger ist. Die Pflanzen sind größer, dadurch anfälliger für Ernteausfälle. Deshalb gehört Sake auch zu den teuersten alkoholischen Getränken der Welt.
Was zahlt man für einen guten Sake?
Auch das kommt auf die Produktion an, je mehr handwerkliche Schritte, desto teurer. Im Schnitt etwa 50 bis 150 Euro für eine gute Flasche Sake.
Sie sagen Sake ist wie Bier, wird aber getrunken wie Wein. Wie wird er genau hergestellt?
Es ist ein klassischer Fermentationsprozess. Zuerst muss man den Reis 'al dente' dämpfen, dann trocknet man die Körner und besprüht sie mit einem speziellen Schimmel, der für die Sake-Produktion essentiell ist. Dann bringt man die Körner in einen Tank, wo sie mit Milchsäurebakterien und Hefe vermengt werden. Erst dann beginnt der Brauprozess. Am Ende entscheiden die Grundzutaten Reis, Wasser und Hefe über die Qualität des Sake.
Wie viele Brauereien gibt es in Japan?
Etwa 1300. Aber jeden Tag verschwinden mehr. Manche Brauereien gibt es schon seit Hunderten von Jahren. Von Generation zu Generation weitergegeben. Aber es wird immer schwieriger Nachfolger zu finden, wenn die Jungen nicht mehr einspringen wollen.
Welchen Sake würden Sie Beginnern empfehlen?
Die Europäer mögen nichts Hochprozentiges zum Essen, deshalb würde ich Beginnern einen leichten und frischen Sake empfehlen. Beispielsweise einen sprudeligen Sake als Aperitif, der nur 13 Volumenprozent Alkohol hat. Der ist wie ein leichter Wein, etwas süßlicher, aber sehr süffig. Generell frage ich aber immer nach den Vorlieben der Gäste. Ob sie lieber etwas Fruchtiges und Leichtes oder etwas Kräftiges und Erdiges trinken wollen.
In Hamburg gibt es ein japanisches Restaurant, das Ramen (japanische Nudelsuppen) serviert. Zur Auswahl gibt es zwei Sake. Kalt oder warm. Was hat es damit auf sich?
Das ist als würden sie nur 'Weißwein und Rotwein' auf die Karte schreiben. Man kann Sake leicht gekühlt, bei Zimmertemperatur oder warm trinken. Die geeignete Trinktemperatur hängt aber vom Typ ab. Fruchtige Sake trinkt man tendenziell gekühlt, kräftige gern auch gewärmt.
Sie betreiben zwei Restaurants und zwei Cafés. Das Café "House of Small Wonder" und das Fine-Dining-Restaurant "Zenkichi" jeweils in New York City und in Berlin. Wie unterscheiden sich die Restaurants in Berlin und in New York City?
Die Konzepte sind in beiden Städten gleich und vereinen eine Sache: So zu speisen wie in Japan. Wir servieren ein japanisches Menü und passen uns nicht den Essgewohnheiten der jeweiligen Länder an. Manche Gäste kommen zu uns und bestätigen, dass es wie in Japan sei. Andere verstehen die Art und Weise der japanischen Küche nicht, denen erklären wir Detail für Detail, was es mit japanischer Esskultur auf sich hat. Es gibt dann Sake-Appetizer, Sashimi, unseren selbstgemachten Tofu, einen Tempura-Gang, gegrillten Fisch mit einer Miso-Marinade, dann gibt es Fleisch und zum Schluss eine Sättigungsbeilage wie Reis oder Nudeln. Traditionell gibt es in Japan keine Desserts, aber wir mögen Nachtisch, also beenden wir damit das Menü.
In ihren Restaurants servieren Sie ausschließlich Sake zum japanischen Menü. Würde Sake auch zu deutschen Gerichten passen?
Auf jeden Fall. Sake passt sehr gut zu Käse, vor allem, wenn er gereift ist. Aber auch zu Gerichten mit Käsesauce oder Frittiertem.
Haben Sie ein deutsches Lieblingsgericht?
Ich weiß, es klingt wie ein Klischee. Aber ich liebe Schnitzel.
Eine abschließende Frage: Was halten Sie von Marie Kondo?
(lacht) Es ist nicht ihre Philosophie, sie repräsentiert eine typische Charakteristik der Japaner, was Ordnung betrifft. Es hat fast schon buddhistische Züge. Wenn Sie einen Tempel in Japan besuchen, werden Ihnen die Mönche als allererstes sagen, wie wichtig es ist, alles sauber zu halten. Das Putzen soll die Seele reinigen.