Etwas mehr als zwei Wochen liegt der umstrittene Auftritt des deutsch-türkischen Autors Akif Pirinçci bei der Pegida-Kundgebung in Dresden zurück. Vor allem eine Passage seiner knapp halbstündigen Ansprache wurde später heftig kritisiert. Pirinçci hatte den etwa 20.000 Zuhörern darin von einer Informationsveranstaltung in Hessen berichtet, auf der ein CDU-Politiker einem Asylkritiker nahegelegt haben soll, das Land zu verlassen. "Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert", kommentierte Pirinçci damals, um dann nachzuschieben: "Es gäbe natürlich auch andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider außer Betrieb."
Verschiedene Medien berichteten in der Folge empört über den Auftritt des Autors, der seit vergangener Woche mit Hilfe des Rechtsanwalts Joachim Steinhöfel gegen die Veröffentlichungen vorgeht. Der Vorwurf: Die Medien würden Pirinçci unterstellen, Konzentrationslager für Flüchtlinge gefordert zu haben. Tatsächlich aber habe Pirinçci "überspitzt-sarkastisch seine Sorge geäußert, dass sie (die KZs, Anm. der Red.) wieder eröffnet werden könnten und zwar gegen 'Fremdenfeinde'", heißt es in einer Mitteilung der Hamburger Anwaltskanzlei.
Im Interview mit dem stern erläutert Anwalt Steinhöfel, warum er die Vertretung Pirinçcis übernommen hat, wie zufrieden er mit dem bisher Erreichten ist und welche rechtlichen Schritte er noch plant.
Herr Steinhöfel, Sie vertreten Herrn Pirinçci seit Kurzem gegen mehrere deutsche Medien. Diesen werfen Sie vor, eine Äußerung Ihres Mandanten in "rechtswidriger Weise" entstellt zu haben. Warum verteidigen Sie Herrn Pirinçci - was hat Sie an dem Fall gereizt?
Der schlimmste Vorwurf, der einem Menschen in der Bundesrepublik Deutschland gemacht werden kann, ist der Vorwurf, Befürworter des Holocaust zu sein und dazu aufzurufen, diesen gegenüber den Flüchtlingen zu wiederholen. Dies jemandem zu unterstellen, der das nicht gesagt hat, ist einer freien Presse unwürdig.
In Kommentarleisten wie auch sozialen Netzwerken wird Ihr Engagement sowohl gelobt als auch kritisiert. Welche persönlichen Reaktionen haben Sie bislang bekommen?
Naturgemäß polarisiert diese Sache. Aber ich habe tatsächlich fast ausschließlich positive Resonanz erfahren. Im Übrigen beruht meine Grundüberzeugung, dass man sich in einem Rechtsstaat gegen rufschädigende und unwahre Äußerungen wehren darf und muss, nicht auf positiver oder negativer Resonanz in den sozialen Netzwerken.
Sie haben bereits Unterlassungserklärungen, Widerrufe und Entschuldigungen erwirkt. Hätten Sie im Vorfeld mit einem so schnellen Einlenken der Medien gerechnet?
Die große Mehrzahl der Medien hat eingelenkt. Öffentlich-rechtliche Anstalten haben sich öffentlich entschuldigt oder Unterlassungserklärungen abgegeben. Eine große deutsche Tageszeitung hat einen halbseitigen Artikel veröffentlicht, in dem die Phalanx der Fehlleistungen aufgelistet und beklagt wurde, "dass es die Mehrheit der großen deutschen Medien nicht schafft, eine entscheidende, leicht überprüfbare Tatsache richtig wiederzugeben“. Nein, vor einem solchen Hintergrund wundert mich das flächendeckende Einknicken nicht.
Wie zufrieden sind Sie mit dem bisher Erreichten? Was kommt noch und wie weit werden Sie notfalls gehen?
Wir sind sehr zufrieden. Es geht allerdings noch weiter. Wir prüfen Klagen auf Schmerzensgeld, eine Strafanzeige gegen einen Mitarbeiter des WDR und auch Gregor Gysi muss wegen einer vergleichbaren Entstellung der Äußerung unseres Mandanten auf seiner Facebook-Seite mit rechtlichen Schritten rechnen.
Herr Pirinçci hat seine KZ-Äußerung in einem Interview mit dem stern nachträglich selbst als "Riesenfehler" bezeichnet. Steht seine Äußerung nicht im Widerspruch zu Ihrem Vorgehen gegen die Berichterstattung?
Überhaupt nicht. Im Übrigen teile ich die Einschätzung unseres Mandanten, dass die Rede und vieles des dort Gesagten besser unterblieben wäre. Das rechtfertigt es allerdings nicht, Herrn Pirinçci wahrheitswidrig zu unterstellen, er hätte nach KZs zur Lösung der Flüchtlingskrise gerufen. Diese unprofessionelle Arbeit vieler Publikationen ist beschämend und zeigt teilweise eine unglaubliche journalistische Verwahrlosung.
Sie gelten als renommierter Fachanwalt im Bereich Wettbewerbs- und Presserecht. Glauben Sie, die Vertretung von Herrn Pirinçci könnte negative Auswirkungen auf Ihren Ruf haben?
Natürlich nicht. „'Sie haben das Recht auf einen Anwalt…’“. Jeder, der schon einmal einen Krimi gesehen hat, ist mit diesem elementaren Prinzip eines jeden Rechtsstaates vertraut. Die Medien, die diese Ungeheuerlichkeiten verbreitet haben, sind es, die sich um ihren Ruf sorgen müssen. Nicht derjenige, der dafür sorgt, dass diese Unwahrheiten verboten werden.
Zum Hintergrund:
Die Pegida-Bewegung hatte Akif Pirinçci anlässlich ihres einjährigen Bestehens am 19. Oktober als Starredner eingeladen - und Pirinçci sorgte tatsächlich für Aufsehen. Mit seinem KZ-Vergleich löste der 56-Jährige unter Medienvertretern wie Bevölkerung Empörung aus. Teilweise wurde dem Autor sogar "Aufruf zum Massenmord" vorgeworfen.
Seine Äußerung hatte für Pirinçci indes folgenschwere Konsequenzen: Die Verlagsgruppe Random House kündigte angesichts der "inakzeptablen Äußerungen" bestehende Verträge mit ihm auf, Bücher wurden gesperrt. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden wegen Volksverhetzung gegen ihn. Pirinçci selbst ruderte später zurück und bezeichnete den Auftritt und insbesondere seinen KZ-Vergleich in einem Interview mit dem stern als "Riesenfehler", der "zur Falschinterpretation geradezu einlud".
Seit vergangener Woche geht er nun gegen die Berichterstattung über ihn vor - mit Erfolg. Sein Anwalt Joachim Steinhöfel, unter anderem angesehener Anwalt im Bereich Presserecht, hat erste Unterlassungserklärungen, Entschuldigungen und Widerrufe deutscher Medien erwirkt.