"Hast du Alkohol dabei?"
"Nein, nur Wasser."
"Darf ich daran riechen? Nur um sicherzugehen, dass kein Wodka drin ist."
Es ist kein Scherz – die Security an der Einlasskontrolle meint es wirklich ernst. Bereitwillig reiche ich ihm meine halbvolle Gerolsteiner-Flasche. Seine Nase bestätigt ihm, dass von der klaren Flüssigkeit keine Gefahr ausgeht; ich darf auf das Festival-Gelände. In der Vergangenheit hätten einige Besucher versucht, Alkohol aufs Gelände zu schmuggeln, deshalb seien die Kontrollen in diesem Jahr strenger, erklärt Veranstalter Gideon Bellin. Bellin ist ein charismatischer Surfer-Typ – lange blonde Haare, gebräunter Teint, Flip-Flops –, den man vielleicht eher auf Bali oder Ibiza vermuten würde. Ich treffe ihn im ehemaligen Bergbauort Rüdersdorf bei Berlin. Dort veranstaltet er seit drei Jahren das "Natural High"-Festival, ein mehrtägiges Event mit Musik, Workshops, Camping. Alkohol und Drogen sind strikt verboten (Lesen Sie hier ein Interview mit dem Veranstalter).
Festival-Programm erinnert an ein Retreat
Ich selbst gehe zwar gerne nüchtern tanzen, die Mehrheit der Deutschen gefühlt eher nicht. Schon gar nicht auf einem Festival. Ob das Konzept tatsächlich massentauglich ist, wage ich (noch) zu bezweifeln. Ich spaziere über den Zeltplatz. In einem beigefarbenen Tipi liegen mehrere Besucher mit geschlossenen Augen auf dem Boden. Das könnten entweder Atemübungen oder die abschließende Entspannungseinheit im Yoga sein, verrät ein Blick auf das Programm, das stellenweise mehr an ein Retreat als an ein Festival Line-up erinnert. Ich suche die Musik und marschiere dafür einmal quer über das Gelände zur Main Stage.

An der hell beleuchteten Bühne bewegen sich am helllichten Tag nur wenige Besucher zu den wummernden Goa-Klängen. Seifenblasen fliegen durch die Luft. Am wildesten tanzt ein kleines Mädchen, das rote Lärmschutz-Kopfhörer trägt und mit ihren Eltern über den staubigen Boden hüpft. Daneben ragen die meterhohen Schornsteine des ehemaligen Schaftofens in die Luft. Die Kulisse – industriell, urban – stimmt schon einmal. Die Musik eigentlich auch. Mit einer Apfelschorle in der Hand wippe ich zögerlich auf der Stelle. Von den anderen Besuchern, die beim Tanzen befreit und selbstvergessen wirken, bin ich noch weit entfernt. Am Abend geht da bestimmt mehr.