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Von Basel nach Hannover Bombenalarm im ICE: Passagiere werden evakuiert, nur ein Rollstuhlfahrer nicht

Deutsche Bahn: Rollstuhlfahrer muss während Bombenalarms im ICE bleiben
Wegen einer Bombendrohung wurde ein ICE am Frankfurter Südbahnhof evakuiert (Symbolbild)
© Silas Stein/ / Picture Alliance
Nach einer Bombendrohung werden alle Passagiere eines ICE evakuiert. Nur ein Rollstuhlfahrer nicht, der im Zug bleiben muss. Ihm darf oder kann angeblich niemand helfen. Die Deutsche Bahn "bedauert" den Vorfall.

Die Bombendrohung entpuppte sich als Fehlalarm, zum Glück. Doch die Situation war ernst. Etwa um 14 Uhr ging bei der Bundespolizei eine Bombendrohung gegen ICE 74 ein. Rund eine Stunde durchkämmten Beamte den Zug von Basel nach Hannover, alle der knapp 500 Passagiere wurden außerplanmäßig am Frankfurter Südbahnhof evakuiert. "Einer hat gesagt, da sei ein Koffer ohne Namen", erinnert sich Oskar Sommer, 36, in der "Badischen Zeitung". Der Rollstuhlfahrer konnte den Funk eines Polizisten mithören, der während des Bombenalarms neben ihm gestanden habe. Denn Oskar Sommer war der einzige Passagier, der im Zug bleiben musste.  

"Ich traue mich nicht mehr in einen ICE"

Sommer sei sehr oft in Zügen unterwegs. "Ich liebe die Bahn, das ist mein Beförderungsmittel", so der 36-Jährige. Das Mitglied im Behindertenbeirat von Lörrach habe sogar schon mit der Deutschen Bahn zusammengearbeitet, etwa bei der Organisation einer Rollstuhlrampe im Badischen Bahnhof Basel, berichtet er der Lokalzeitung. Von den Ereignissen am 25. Januar sei er daher umso mehr enttäuscht.

Es habe zwar einen Hublift im ICE 74 gegeben, mit dem man den Rollstuhl aus dem Zug hätte heben können - doch offenbar niemanden, der ihn bedienen konnte oder durfte. Laut Sommer habe ihm der Schaffner mitgeteilt, dass er nicht die Befugnis hätte, den Hublift zu benutzen. Die Polizei bestätigt diese Darstellung laut "Badischer Zeitung". So habe der Einsatzleiter entschieden, den Rollstuhl erst per Hand aus dem Zug zu heben, wenn tatsächlich etwas Verdächtiges gefunden werde. Auch wenn sich das aufwendig gestaltet hätte, da der Rollstuhl so groß sei, so ein Sprecher auf Anfrage der Zeitung.

Für Sommer nur ein schwacher Trost. Er musste im Zug bleiben, während nach einer vermeintlichen Bombe gesucht wurde. Man hätte die Feuerwehr rufen müssen, um auch ihm aus dem Zug zu helfen, so der 36-Jährige. "Die Bahn und die Polizisten waren mit der Situation völlig überfordert. Die haben wohl nicht viel Kontakt mit Menschen mit Behinderung", wird er von der Zeitung zitiert. "Das ist ein schreckliches Gefühl, plötzlich keine Hilfe mehr zu bekommen und nicht laufen zu können." Sommer ist zwar überzeugt, dass er bei einem Bombenfund aus dem Zug geholt worden wäre. Dennoch könne man den Vorfall so nicht stehen lassen, sagt er weiter. "Ich traue mich nicht mehr in einen ICE, weil ich nicht weiß, ob ich gerettet werde, wenn etwas passiert."  

Deutsche Bahn "bedauert" den Vorfall

Dennoch habe Sommer seine Reise fortgesetzt und schließlich in Hannover den Mobilitätsservice der Deutschen Bahn über den Vorfall informiert. Man habe ihm Recht gegeben, dass die Polizei die Feuerwehr hätte informieren sollen. Er habe zudem einen Gutschein über 30 Euro zur Wiedergutmachung bekommen. "Das ist ja ganz nett", sagt Sommer der Zeitung, "aber ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen."

Die Deutsche Bahn hat sich für den Vorfall entschuldigt. "Unsere Notfallkonzepte sehen selbstverständlich auch die Evakuierung von Rollstuhlfahrern vor", wird eine Sprecherin von der "Badischen Zeitung" zitiert. "Wir bedauern sehr, dass dies im Falle von Herrn Sommer nicht geklappt hat und bitten dafür um Entschuldigung." Man werde den Vorfall zum Anlass nehmen, die Richtlinien und Abläufe auf den Prüfstand zu stellen. Darüber hinaus wolle man nochmals auf den 36-Jährigen zugehen, um ihm eine weitere Wiedergutmachung anzubieten. Sommer hält die Stellungnahme für "scheinheilig". Er wolle kein Geld von der Bahn, sondern auf Missstände hinweisen. Daher könne er sich vorstellen, der Deutschen Bahn dabei zu helfen, ihr Sicherheitskonzept zu verbessern.

Quellen:"Badische Zeitung", "Frankfurter Neue Presse"

fs

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