Es ist ein Urteil, das sicherlich für kontroverse Debatten sorgen dürfte. Sogar der britische "Guardian" hatte im Vorfeld über das berichtet, was in Berlin am Dienstagvormittag am Amtsgericht verhandelt wurde. Die Briten erhoben den anstehenden Urteilsspruch im Vorfeld nicht weniger als zu einem Fall, der "über die Meinungsfreiheit" entscheiden würde.
Die heute 22-jährige Angeklagte Ava M. hatte auf einer verbotenen Demonstration in Neukölln drei Tage nach dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel die umstrittene Parole "From the river to the sea - Palestine will be free" skandiert.
"From the River to the sea – Palestine will be free" – Amtsgericht Berlin verurteilt wegen Billigung von Straftaten
Die Parole, die häufig auf Pro-Palästina-Demonstrationen skandiert wird, ist insofern umstritten, als dass es verschiedene Interpretationen ihrer Bedeutung gibt. So wird sie zum einen als Aufforderung zur Auslöschung Israels verstanden, zum anderen nur als Wunsch zur Befreiung Palästinas von israelischer Besatzung.
Das Amtsgericht interpretierte die Parole in dem Fall der jungen Frau als Aufforderung zur Auslöschung Isarels und verurteilte sie am Dienstag zu einer Geldstrafe von 600 Euro zu 40 Tagessätzen. Die Vorsitzende Richterin interpretierte die Parole als Billigung von Straftaten, in dem konkreten Fall im Zusammenhang mit dem Totschlag und Mord der Hamas an der jüdischen Bevölkerung. Insbesondere der enge zeitliche Zusammenhang zum Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei mitentscheidend für die Verurteilung, so die Richterin. "Dieser Satz könne in diesem konkreten Zusammenhang nur als Leugnung des Existenzrechts Israels und Befürwortung des Angriffs verstanden werden", so die Vorsitzende in ihrer Urteilsbegründung. Der Verteidiger der Angeklagten hatte auf Freispruch plädiert. Die Parole sei mehrdeutig und in dem Fall gebe es keinen Hamas-Bezug. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Andere Gerichte verurteilten nicht wegen der Palästina-Parole
In der Vergangenheit hatten andere Gerichte in ähnlichen Fällen nicht verurteilt. So waren in Hamburg vor rund zwei Wochen zwei Angeklagte freigesprochen worden, die die Parole in abgewandelter Form skandiert hatten. Und auch das Landgericht Mannheim hatte in einem wegweisenden Urteil einen Mann freigesprochen, der den Spruch auf einem Schild bei einer Demonstration gezeigt hatte.
Gerade der Urteilsspruch aus Mannheim galt als vorbildlich für die künftige Rechtssprechung. Das Landgericht hatte in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass die Parole eine komplexe Geschichte habe und aus dem Spruch nicht ableitbar sei, wie das historische Palästina befreit werden solle.
Es besteht jedoch ein Unterschied zu den Urteilen in Mannheim und auch Hamburg, da in Berlin unter anderen Voraussetzungen verhandelt wurde. Das Bundesinnenministerium hatte im November vergangenen Jahres eine Verfügung erlassen, nach der "From the river to the sea – Palestine will be free" grundsätzlich der Hamas zugeordnet wird. Wer den Spruch seitdem skandiert, verwendet der Logik nach automatisch das Kennzeichen einer Terrororganisation, was strafbar ist. Das Urteil des Landgerichts Mannheim widersprach jedoch der automatischen Auslegung.
Der Fall in Berlin wiederum ereignete sich, bevor es die Verfügung des Bundesinnenministerium gab, sodass in diesem Fall aus anderen Gründen – nämlich wegen der Billigung von Straftaten – verurteilt wurde.
Ob der Unterschied dazu führt, dass das Urteil nicht trotzdem kontrovers rezipiert werden wird, ist fraglich. Im Gericht zumindest mussten Justizmitarbeiter nach dem Urteilsspruch den Saal wegen Protesten von den Zuschauerbänken räumen.