Metaphern über die Ampel müssten längst verbraucht sein, doch bei mir liegt noch eine im Schrank herum: Wenn eine Ampel ständig auf Rot steht, nimmt keiner sie ernst. Früher hieß es, die Große Koalition stärke die Ränder. Und jetzt? Wenn heute Bundestagswahl wäre, hätten Deutschlands Rechte so viele Prozentpunkte wie die Partei, die derzeit den Kanzler stellt, so man den Umfragen glaubt. Ich will nicht von deutscher Verantwortung faseln, noch will ich darüber reden, ob es in ganz Europa so läuft. Ich will von der Ampel nur wissen, weshalb sie zu blöd zu sein scheint, jemanden zu finden, der sie ordentlich einstellt.
Was will die Ampel?
Friedrich Merz stellt Neuwahlen in den Raum, weil die Ampel nicht zum Regieren komme. Ich bin gegen Neuwahlen, aber ansonsten bei Merz. Was will die Ampel? Sie ist angetreten gegen den Stagnationsmief der GroKo. Mit ihr wurde ein Generationswechsel möglich, von dem man leider kaum etwas merkt. Die meisten Minister sind zwar 20 Jahre jünger als Peter Altmaier, aber es wirkt nicht, als seien hier Politiker am Werk, die Ahnung haben von Digitalisierung und die der Fossillobby kritisch gegenüberstehen. An schlechten Tagen dachte man selbst bei Interviews des einstigen Hoffnungsträgers Robert Habeck, er wirke nun so niedergeschlagen wie Altmaier.
Alles beim Alten trotz neuer Regierung
Die Republik der Kleingärtner ist auch eine Republik der Kleinkrämer. Große Lösungen fürchtet man, am besten soll alles bleiben, wie es ist. Leben wie gestern, bitte! Wir wagen uns nicht einmal mehr an die kleinen Würfe, die Ampel redet seit Monaten über Heizungen, die ohnehin ausgewechselt werden müssen, und keiner versteht, weshalb man dafür nicht die beste Technik zum Standard macht, weil sie auf lange Sicht die wirtschaftlichste ist. Finanzminister Christian Lindner hat zu Hause wohl so ein Ding, den Bürgern gönnt er’s aber nicht.

Jagoda Marinić schreibt in ihrer Kolumne über in die Welt, wie sie ihr gefällt – oder auch nicht gefällt. Sie ist Autorin verschiedener Bücher (zuletzt "Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?", "Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land") und Host des Podcasts "Freiheit Deluxe". Als Moderatorin der Literatursendung "Das Buch meines Lebens" (Arte), fragt sie bekannte Persönlichkeiten, wie das Lesen ihr Leben verändert hat. Auf Twitter und bei Instagram findet man sie unter @jagodamarinic.
So keifen sich Rot, Gelb, Grün seit Monaten durch alle Themen. Die Liberalen spielen so was wie die IRO – die InnerRegierungsOpposition. Es reicht ihnen nicht, Themen einzubringen in Gesetzesentwürfe; sie müssen die Show machen, damit man bei den nächsten Wahlen lieber schwarz-gelb hätte. Das schwarz-gelbe Zusammenspiel mag als Wahlkampfdeal gut sein, als Vierjahresprojekt ist es eine Gefahr für die Stabilität im Land. Es geht nicht darum, ob wir streiten lernen müssen, das müssen wir, ja, aber über Sachverhalte! Das zurzeit sind hohle Showkämpfe. Die Regierungsparteien streiten nicht in der Sache, sie reißen sich im Wechsel die Federn aus. Nackte Hühner sind eher unansehnlich und für die meisten die Vorstufe zum Verzehr (sorry, Veganer!).
Streit hilft der Ampel nicht
Von der Opposition, den Medien, den Bürgerinnen und Bürgern werden die Ampelparteien gerade gegrillt. Doch der Regierung gelingt es nicht, klar über die Zukunft zu sprechen, Gesetzesvorhaben ohne Kollateralschäden durchzubringen. Die Ampel lässt diese Legislatur schon zu lange zum Showkampf der Regierungsparteien verkommen. Bei Beobachtern entsteht der Eindruck, nur die Themen wechseln, das Stück läuft ansonsten immer gleich. Manche politische Berichterstatter mögen das vielleicht, weil sie sich mit ihrer Nähe zu Ministern profilieren können: Wer bekommt welches Papier früher durchgestochen? Wer sitzt bei Habeck, wer bei Lindner auf dem Schoß? So hängen Teile der Medienblase und die Regierenden die Bevölkerung ab. Ist die Berlusconi-hafte Showbühne der Politik erst präpariert, betreten sie auch die Rechten. Sie können dieses Spiel besser, Demokratie ist nie ihr Ernst. Die Ampel muss jetzt zeigen, dass sie es anders macht.