Neue Regeln in den Bädern So lief das Wochenende in den Berliner Freibädern – Debatte über Schnellverfahren gegen die Gewalttäter

Polizei am 9. Juli 2023 vor dem Columbiabad in Neukölln. Nach mehreren Tagen Schließung sollte das Freibad nun wieder öffnen.
Polizei am 9. Juli 2023 vor dem Columbiabad in Neukölln. Nach mehreren Tagen Schließung sollte das Freibad nun wieder öffnen.
© Carioline Bock / DPA
Strengere Einlasskontrollen, Ausweichpflicht, mehr Sicherheitspersonal: Nach der Freibad-Gewalt in Berlin gelten dort neue Regeln. So lief das Wochenende – und diese weiteren Forderungen zum Umgang mit den Problemen gibt es.

Pommes statt Prügel – das Wochenende eins nach den neuerlichen Gewaltausbrüchen in Berliner Freibädern (der stern berichtete) ist weitgehend ohne Zwischenfälle verlaufen. Die Polizei in der Hauptstadt meldete lediglich eine handgreifliche Auseinandersetzung aus dem Kreuzberger Prinzenbad, das auch in der Vergangenheit schon Schauplatz der Gewalt war. Ein Mann sei verletzt worden, als er einen Streit zwischen Jugendlichen habe schlichten wollen, so die Polizei. Die Beamten nahmen einen Tatverdächtigen fest, einen weiteren identifizierten sie.

Ansonsten herrschte offenbar ausgelassene Sommerstimmung in den mehr als zwei Dutzend Berliner Frei- und Sommerbädern. Angesichts des guten Wetters gab es großen Andrang – erstmals kam das neue Einlasssystem zum Einsatz. Hinein ins Schwimmbad kommt als Konsequenz aus der Gewalt nur, wer an der Kasse einen Ausweis vorlegt. So sollen unter anderem Personen, die Hausverbot bei den Berliner Bädern haben, am Zutritt gehindert werden.

Außerdem, so sieht es das Maßnahmenpaket vor, sollten bei drohender Überfüllung deutlich früher als bisher Einlassstopps verhängt werden sowie das Sicherheitspersonal aufgestockt werden. Neben den Bademeistern, Rettungsschwimmern und Sicherheitsdiensten waren nach Angaben der Polizei unter anderem im Sommerbad Pankow mehrsprachige sogenannte Konfliktlotsen im Einsatz, die deeskalierend auf Besucher einwirken sollen. Die Maßnahmen haben das Ziel, "die Sommer- und Freibäder sicherer und damit attraktiver für Besucherinnen und Besucher zu machen und zugleich die Beschäftigten der Bäder zu entlasten", erklärten die Berliner Bäder-Betriebe.

Die Polizei selbst hat an mehreren Brennpunktbädern mobile Wachen aufgestellt, in denen Beamte ansprechbar sind und die bei Zwischenfällen jederzeit reagieren können, zum Beispiel vor dem Kreuzberger Prinzenbad. Mitunter gingen Polizisten auch am Beckenrad und auf den Liegewiesen Patrouille.

Berliner Freibad-Gewalt Thema bei stern TV

Trotz des vergleichsweise friedlichen Freibad-Wochenendes in Berlin – die Diskussion über die sommerliche Gewalt, deren Ursachen sowie über geeignete Reaktionen darauf hielt an, unter anderem am Sonntagabend bei stern TV (sehen Sie die Sendung hier auf RTL+)

Aus Sicht von Psychologe Ahmad Mansour sind die Zustände in den Berliner und anderen Freibädern unter anderem auf Gruppen von Jugendlichen zurückzuführen, "die in ihrer Jugendkultur Gewalt als absolut legitim halten, dadurch sogar eine gewisse Anerkennung in der Gruppe bekommen". Er sehe einen Verlust an Empathie bei Kindern und Jugendlichen, teils hervorgerufen durch die Digitalisierung und die Corona-Schutzmaßnahmen. Nun entlade sich der Frust bei einigen.

Hinzu komme: "Wir haben es hier mit Kindern und Jugendlichen aus autoritären, patriarchalischen Strukturen zu tun, die zu Hause in ihrer Erziehung Gewalt erleben, nicht gegen ihre Eltern rebellieren können und draußen andere Möglichkeiten suchen, um gegen andere Autoritäten zu rebellieren." Diese Beobachtung teilen auch die Mitarbeiter des Columbiabads in Berlin-Neukölln, die jüngst via "Tagesspiegel" in einem Brandbrief auf die Lage in ihrem Bad aufmerksam machten. In der Regel seien es "Jugendliche aus arabischen Familien, teils auch Tschetschenen, die auffallen, die sich von Bademeistern nichts sagen lassen, als Mob auftreten", heißt es darin.

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Auch Michael Mertens, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei macht unter jungen Menschen eine immer stärker zu Tage tretende Respektlosigkeit aus. "Dem müssen wir entgegenwirken", sagte er. Aber wie?

Während etwa die Linken-Politikerin Daphne Weber in der Sendung eine deutliche Personalaufstockung in den Bädern forderte, um eingeschränkten Öffnungszeiten und damit einer Besucherballung mit höherem Konfliktpotenzial entgegenzuwirken, setzen andere auf konsequentere Strafverfolgung. 

Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann brachte in der "Bild am Sonntag" schnellere Gerichtsverfahren ins Spiel. "Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden. Auch am Wochenende. Die Strafprozessordnung gibt das her. Auch das Strafmaß muss voll ausgeschöpft werden, bis hin zu Haftstrafen", meinte er.

Grundsätzliche Zustimmung für den Vorschlag schnellerer Prozesse gab es bei stern TV von Polizeigewerkschafter Mertens. "Es würde auf jeden Fall helfen, wenn zeitnah zu einer Straftat auch ein Gerichtsverfahren stattfinden würde." Ob allerdings härtere Strafen tatsächlich etwas bringen, "das kann man so pauschal nicht sagen".

Der Deutsche Richterbund hat die Forderung des CDU-Generals als nicht umsetzbar kritisiert. "Die Politik, die öffentlichkeitswirksam immer wieder nach einer zügigen Strafverfolgung ruft, muss die Justiz dann auch deutlich besser ausstatten", erklärte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Bundesweit fehlten allein in der Strafjustiz rund 1500 Strafrichter und Staatsanwälte. Aus den Ampel-Parteien wurde Linnemann Populismus vorgeworfen.

Columbiabad öffnet wieder

"Vor allem müssen wir die Botschaft vermitteln, dass wir als Gesellschaft so etwas nicht akzeptieren und nicht akzeptieren werden", meinte Psychologe Mansour. Konsequenz und Härte im Rahmen der Gesetze könnten dabei helfen. Allerdings glaubt er, dass vor allem mehr Präventionsarbeit mit den Jugendlichen nötig sei. "Indem man den Menschen die Möglichkeit gibt, zu reflektieren, über die Straftaten und die Gewalt zu sprechen", sagte Mansour. "Indem man ihnen auch andere Werkzeuge gibt, mit ihrer Überforderung umzugehen."

Schnelle Lösungen zur Frage der Freibad-Gewalt wird es offenbar nicht geben. Ob die Sofortmaßnahmen der Berliner Bäder-Betreibe tatsächlich greifen und langfristig Ruhe an den Beckenrand bringen werden, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Zur Nagelprobe steht nun auch das "Problembad Nummer eins" wieder bereit. Nachdem sich in der vergangenen Woche so viele Mitarbeiter krankgemeldet hatten, dass es vorübergehend schließen musste, sollte das Columbiabad in Berlin-Neukölln an diesem Montagmorgen wieder öffnen.

Quellen: Polizei Berlin, Berliner Bäder-Betriebe, stern TV, "Tagesspiegel" (kostenpflichtiger Inhalt), "Bild am Sonntag", Nachrichtenagenturen DPA und AFP