Benedikt XVI. ist zu einer historischen und vor allem heiklen Reise ins Heilige Land aufgebrochen. Der deutsche Papst wird an der Klagemauer in Jerusalem stehen, die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besuchen und dann ein Flüchtlingslager der Palästinenser - Brennpunkte einer Pilgerfahrt des katholischen Kirchenoberhauptes, die allerseits höchst aufmerksam verfolgt werden wird. Gastgeber Israel will den Pontifex in der "Operation weißer Umhang" mit einem beispiellosen Aufgebot von 80.000 Sicherheitskräften schützen. Jerusalem ist schon jetzt in einem Belagerungszustand. Rechtsextreme Aktivisten wollen Benedikts Besuch dort mit Protestaktionen stören.
Gratwanderung zwischen Religion und Politik
Die einwöchige Reise steht ist für den Papst eine Gratwanderung zwischen Religion und Politik. Anfang des Jahres gab es erhebliche Verstimmungen mit den Juden, als Benedikt die Exkommunikation des Holocaust-Leugners und Pius-Bruders Richard Williamson aufhob. Und dann kommt er nur knapp vier Monate nach dem blutigen israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen in die Region.
"Ich kann es nicht erwarten, unter Euch zu sein und Eure Hoffnungen zu teilen", sagte Benedikt Jordaniern, Israelis und Palästinensern. Er bringe eine Botschaft des Friedens und der Einheit mit. Seine Erwartungen sind hoch, die an ihn gerichteten allerdings noch höher. Somit gab es Enttäuschungen schon vor Reisebeginn. Die christlichen Palästinenser hätten es sich gewünscht, dass er für sie so viel Zeit hat wie für die Israelis. Und in Bagdad hatten manche gehofft, er werde noch einen überraschenden Abstecher zu ihnen machen. Aber der Papst ist nicht der US-Präsident.
Anstrengendstes Programm seiner zwölf Auslandsreisen
Auch wenn manche in Rom ihm abgeraten hatten: Benedikt wollte diese Reise auf den Spuren seines Vorgängers Johannes Paul II., der vor neun Jahren ebenfalls Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete besucht hatte. In der Neuzeit war ansonsten nur Paul VI. 1964 in der Heimatregion Jesu. Jetzt hat der 82-jährige Joseph Ratzinger das Heilige Land im Blick, mit dem dichtesten und anstrengendsten Programm seiner zwölf Auslandsreisen - nicht weniger als 25 Reden, vier Gottesdienste und eine Reihe anderer Termine stehen ihm bevor.
Im Heiligen Land leben nur noch 170.000 Christen. Für viele ist die Lage schwierig. In Israel sind die arabischen Christen sozusagen eine Minderheit in der Minderheit: Die meisten Araber, die nur ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, sind Muslime. Zum Drahtseilakt wird das Zusammenleben von Christen mit islamischen Fundamentalisten in den Palästinensergebieten. Schon viele sind deshalb ausgewandert.
Man solle den Papst-Besuch nicht durch eine politische, sondern religiöse Brille betrachten, empfiehlt der Botschafter des Vatikans im Heiligen Land, Erzbischof Antonio Franco. Die Beteiligten wie etwa der Bürgermeister von Bethlehem, Victor Bararseh, sehen das anders: Sein Besuch im Flüchtlingslager Aida sei eine "politische Erklärung", wonach "der Papst auf der Seite der Unterdrückten steht und wirklich glaubt, dass es eine friedliche Lösung des Konflikts geben sollte".
"Der Papst sitzt hier sozusagen wie in einem Glashaus, in dem Instrumentalisierungen immer latent vorhanden sind", sagt der Kustos der Heiligen Stätten, Pierbattista Pizzaballa, und weist damit auf Fußangeln hin, auf die Benedikt wohl aufpassen muss: "Aber mit seiner Persönlichkeit und seinem Wortschatz wird er sich davon nicht vereinnahmen lassen." Das dürfte zutreffen, jedoch hat der Pontifex auf Reisen wiederholt mit kritischen Äußerungen zum Islam oder zum Kondom im Kampf gegen Aids Schlagzeilen gemacht. Jeder Satz wird nun auf die Goldwaage gelegt.

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Rechtsstatus kirchlicher Güter noch nicht beendet
Hinter der Vorfreude auf Tempelberg, Bethlehem und Nazareth verblasst sicherlich für Benedikt die Tatsache, dass die schwierigen Verhandlungen zwischen dem Vatikan und Israel etwa zum Rechtsstatus kirchlicher Güter auch nach zehn Jahren noch nicht beendet sind. Und während eines der Ziele dieser Pilgerreise darin liegt, "konkret die christlichen Minderheiten in der Region zu ermutigen", wie es Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone formulierte, muss Benedikt die Balance halten. Es geht um interreligiöse Impulse, um das immer mal wieder getrübte Verhältnis zwischen Christen und Juden. Und es geht darum, den Dialog mit den Muslimen zu entkrampfen. Ein heikles Feld: "Monster der Kreuzzüge" gegen "Monster religiöser Intoleranz", so hat Erzbischof Celestino Migliore das Spannungsfeld beschrieben.
Die Vergangenheit holt ihn mehrfach ein. In Jad Vaschem macht er einen Bogen um das historische Museum. Dort wird Vorgänger Pius XII. als Papst dargestellt, der nicht genügend gegen die Verfolgung der Juden getan habe - was Benedikt vehement bestreitet. Zudem muss er mit Protesten immer noch erboster Muslime rechnen, die ihm sein Zitat zum Verhältnis von Islam und Gewalt von 2006 in Regensburg vorhalten. Es war als Affront gegen den Propheten Mohammed gewertet worden, hat aber auch einen verstärkten Dialog ausgelöst. Hinweise darauf, welches Fingerspitzengefühl die historische Reise erfordert.