Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat zum mutigen Verteidigen der freiheitlichen Demokratie aufgerufen. "Mir missfällt, dass in vielen unseren Debatten unsere Ängste vor den nächsten Wahlsiegen der AfD so plakativ vorgetragen werden, da könnte ich mir als AfD-Mensch ja nur die Hände reiben", sagte er zur Entgegennahme eines Preises der Deutschen Gesellschaft in Berlin. "Wir dürfen doch diesen Leuten nicht unsere Ängste schenken. Ja, wer sind wir denn?"
Das ehemalige Staatsoberhaupt ermunterte dazu, Ängste gegenüber denen zu zähmen, "die am rechten Rand so tun, als hätten sie eine Alternative, die besser wäre als das, was die Parteien der demokratischen Mitte aufgebaut haben in all diesen Jahrzehnten". Gauck nannte unter anderem die europäische Einigung, die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand.
Kritik an Verständnis für Putin
Gauck mahnte auch wegen Bedrohungen durch Russlands Präsident Wladimir Putin an, dass Deutschland lernen müsse, sich zu verteidigen. Einige täten so, "als wäre eine einfühlsame Wahrnehmung des Innenlebens eines Imperators die geeignete Form, politische Brücken zu bauen". Mit Blick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine fügte er hinzu: "Wer einem vom Aggressor überfallenen Opfer hilft und Waffen liefert, der verlängert nicht den Krieg, sondern er versucht, den Raum der Freiheit zu sichern. Und das ist unsere Aufgabe."
Gauck äußerte sich in einer Dankesrede bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft, die ihn mit ihrem Preis für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung ehrte. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) würdigte den früheren Pastor, DDR-Bürgerrechtler und Chef der Stasi-Unterlagenbehörde als Freiheitsprediger und Mutmacher, der auch Russlands aggressiven Kurs früh erkannt habe. "Sie waren der Zeitenwende voraus."
Der 1990 kurz nach dem Mauerfall gegründete Verein Deutsche Gesellschaft wirbt nach eigenen Angaben für Verständigung zwischen Ost und West und den Abbau von Vorurteilen. Die Vorstandsvorsitzende Sabine Bergmann-Pohl, die Präsidentin der letzten DDR-Volkskammer gewesen war, würdigte Gauck unter anderem auch als politischen Bundespräsidenten.