Tierseuche in Brandenburg Ausnahmezustand Vogelgrippe: Neuer Ausbruch in Enten-Betrieb

Helfer in Schutzanzügen sind zur Beseitigung toter Kraniche in der Nähe von Linum im Einsatz. Foto: Christophe Gateau/dpa
Helfer in Schutzanzügen sind zur Beseitigung toter Kraniche in der Nähe von Linum im Einsatz. Foto
© Christophe Gateau/dpa
80.000 Enten unter Quarantäne, um die 2.000 tote Kraniche befürchtet: Warum Helfer wegen der Vogelgrippe am Limit sind und Landwirte um ihre Existenz bangen.

Angesichts des massenhaften Kranichsterbens im Nordwesten Brandenburgs bleiben Artenschützer und Behörden im Ausnahmezustand. Geflügelzüchter ergreifen Schutzmaßnahmen, um eine weitere Ausbreitung der Tierseuche einzudämmen. Doch in Neuhardenberg traf es laut Märkisch-Oderland-Kreis jetzt einen weiteren Betrieb mit 80.000 Enten. 

Im Linumer Teichland - im Herbst ein Kranich-Hotspot - könnte sich die Zahl der toten Wildvögel auf rund 2.000 erhöhen, schätzte der Leiter des Artenschutzzentrums in Linum, Norbert Schneeweiß. Der kräftezehrende Einsatz der Helfer zur Beseitigung der Kadaver soll noch Tage dauern. Bislang haben sie nach Behörden-Angaben 1.000 bis 1.200 tote Kraniche eingesammelt. 

Geflügelhalter müssen sich weiterhin auf eine hohe Infektionsgefahr einstellen. In drei Betrieben in Brandenburg sind bislang fast 18.000 Gänse, Enten und Puten getötet worden. Ein neuer Fall kommt nun in Neuhardenberg dazu. Die Behörden prüften noch, ob alle 80.000 Enten, die in Ställen gehalten worden seien, gekeult werden müssten, sagte eine Sprecherin des Kreises Märkisch-Oderland. In der Agrarbranche deutschlandweit wächst die Sorge vor wirtschaftlichen Schäden. 

Verdachtsfälle bei Wildvögeln in Berlin 

Auch in Berlin gibt es inzwischen 16 Vogelgrippe-Verdachtsfälle. Davon wurden bislang zwei im Landeslabor positiv auf das Virus getestet. Zoo und Tierpark sind weiterhin geöffnet. Sie brachten aber besonders empfängliche Vogelarten vorzeitig in ihre Winterquartiere, darunter auch die Pelikane. 

Land schickt nach Kritik Verstärkung für Helfer im Kranich-Gebiet

Im Linumer Teichgebiet sind die Helfer in Schutzanzügen seit dem Wochenende im Einsatz - ein Team von fünf bis zehn Ehrenamtlichen und Mitarbeiter des Landesamtes für Umwelt. Nach Kritik, dass die Freiwilligen nicht genügend professionelle Unterstützung bekämen, hat das Land jetzt Mitarbeiter des Landesforstbetriebs zur Unterstützung geschickt. 

Landrat Ralf Reinhardt (SPD) sagte in Linum, 20 Mitarbeiter aus der Behörde sollten beim Einsammeln der Kadaver helfen. Sie hätten Erfahrung im Umgang mit der Maul- und Klauenseuche.

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"Das geht unter die Haut"

Die Bergung massenhaft verendeter Kraniche bringt die freiwilligen Helfer an den Rand ihrer Kräfte. "Das geht unter die Haut. (...)", sagte der Leiter des Artenschutzzentrums, der Biologe Schneeweiß. Er ist seit vielen Jahren für den Artenschutz aktiv und koordiniert den Einsatz der Helfer.

"Das steht auch nicht jeder durch. Es sind Leute weinend von der Fläche gegangen (...)", erzählte er. Die Helfer seien vier bis acht Stunden im Einsatz. Das sei auch körperlich sehr belastend. Laut Landesumweltamt sind erwachsene Kraniche etwa 4,5 bis sieben Kilo schwer. Rund 200 Kadaver hätten die Helfer bislang pro Tag bergen können. 

Entspannung im Kranich-Rastgebiet Mitte der Woche?

Artenschützer Schneeweiß schätzte, dass der Einsatz der Helfer noch einige Tagen weitergehen muss. "Wir gehen davon aus, dass wir noch übers Wochenende und Anfang nächster Woche in ähnlicher Zahl und in ähnlicher Intensität hier Kadaver absammeln (...)." Er hoffe dann, dass Mitte nächster Woche eine Entspannung eintrete. 

Haben die Behörden schnell genug regiert? "Es hat eine Dimension, da braucht es ein paar Tage bis es anläuft", sagte Schneeweiß. Bislang seien wenige Ehrenamtliche vor Ort greifbar gewesen. "Jetzt ist die Welle der Unterstützung angelaufen. Wir sind sehr froh darüber." 

Landwirte sind in Sorge, weil infizierte Kraniche das gefährliche Virus auf weitere Geflügelbestände übertragen können. Landkreise ordneten daher an, dass Geflügelhalter ihre Tiere in geschlossene Ställe oder unter schützende Abdeckungen bringen müssen.

Wird Entschädigung aufgestockt? 

Das Bundesagrarministerium beantragte zudem bei der EU, die Obergrenze bei Entschädigungszahlungen für getötetes Geflügel solle von 50 Euro auf bis zu 110 Euro je Tier hochgesetzt werden. In der Regel ist der Marktwert Grundlage für Entschädigungszahlungen aus der Tierseuchenkasse. 

Die Aviäre Influenza, abgeleitet vom lateinischen Begriff für Vogel (avis), ist eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die vor allem bei wildlebenden Wasservögeln anzutreffen ist. Gefährlich ist nach Angaben des Loeffler-Instituts die hochansteckende Virusvariante HPAIV, die derzeit als H5N1 grassiert. Sie führt bei infizierten Tieren in der Regel zu schweren Verläufen und endet oft tödlich. Umgangssprachlich wird die Geflügelpest meist Vogelgrippe genannt.

dpa