Vorwurf schwerer Straftaten Untersuchung: Keine Belege für rituelle Gewalt in Bistümern

Mehrere Bistümer haben eine Untersuchung zu ritueller Gewalt durch Netzwerke in der katholischen Kirche vorgestellt. (Archivbild
Mehrere Bistümer haben eine Untersuchung zu ritueller Gewalt durch Netzwerke in der katholischen Kirche vorgestellt. (Archivbild) Foto
© Hendrik Schmidt/dpa
Eine Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei findet keine Belege für rituelle Gewalt in der katholischen Kirche. Gutachter sprechen von Scheinerinnerungen der Betroffenen.

Nach Vorwürfen in den vergangenen Jahren gegen die katholische Kirche zu ritueller Gewalt haben mehrere Bistümer eine Untersuchung vorgestellt. Die Kanzlei Feigen-Graf aus Köln hat Interviews mit einem Großteil der Betroffenen geführt, die in der Kirche ein Netzwerk mit Tätern gesehen haben. Zusätzlich bewerteten Psychologen die Aussagen.

Das Ergebnis: Es spricht laut der Untersuchung nichts dafür, dass die Beschuldigten, darunter Priester, aber auch Bischöfe aus den Bistümern Münster, Essen, Paderborn, Hildesheim in Niedersachsen und dem Erzbistum Köln, schwerste Straftaten wie Vergewaltigungen, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche und sogar Tötungsdelikte begangen haben.

Die rund ein Dutzend Betroffenen haben in ihren Vorwürfen neben anderen die Namen der verstorbenen Franz Kardinal Hengsbach (Essen), Joseph Kardinal Höffner, Joachim Kardinal Meisner (beide Köln), Johannes Kardinal Degenhardt (Paderborn), Bischof Reinhard Lettmann (Münster) genannt. 

Rolle der Therapeuten 

Laut der Mitteilung der Bistümer spielen Therapeuten der Betroffenen eine entscheidende Rolle. "Es spricht viel dafür, dass die Schilderungen, sie seien Opfer von Täternetzwerken ritueller Gewalt geworden, insbesondere auf den Therapiekontext zurückgeführt werden können." Und weiter: "Die dort mögliche Vielzahl an fremd- und autosuggestiven Bedingungen hat wahrscheinlich in mehreren Fällen dazu geführt, dass sich die Betroffenen noch stärker in den selbsterfüllenden Prozess der Suche nach immer neuen Erinnerungen geflüchtet haben."

Ausdrücklich betonen die Autoren der Untersuchung, dass den Betroffenen kein Vorwurf gemacht werden könne. "In aller Regel glauben sie das, was sie berichten." 

Die Untersuchung habe keinen einzigen belastbaren Hinweis auf die beschriebenen Vorwürfe ritueller Gewalt und die beschriebenen organisiertenTäternetzwerke erbracht, teilen die Bistümer mit. "Allen Betroffenenaussagen ist das vollständige Fehlen konkreter objektiver Nachweise gemeinsam. Als plausible Alternativerklärung für die erhobenen Vorwürfebenennt die Untersuchung mögliche suggestive Einflüsse von außen, insbesondere im Therapiekontext".

Laut der Kanzlei Feigen-Graf hat die in den Therapien vertretene Rituelle-Gewalt-Theorie den Betroffenen nur eine scheinbare Erklärung geliefert und dabei einen Ausweg aus Trauma und Hilflosigkeit vorgespiegelt. Die Lage der Menschen sei damit aber aus Sicht der Kanzlei erheblich verschlimmert worden. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Psychologen: Scheinerinnerungen

Diese Einschätzung bestätigt auch das psychologische Gutachten einer Psychologin und einer Rechtspsychologin. Silvia Gubi-Kelm und Petra Wolf sagen, "dass in den vorliegenden Fällen nicht von genuinen Erinnerungen an rituellen sexuellen Missbrauch auszugehen ist. Vielmehr weisen die Informationen über die Entstehung und Entwicklung der Angaben darauf hin, dass die vorliegenden Schilderungen auf Scheinerinnerungen basieren."Sie seien geradezu prototypisch für die Entstehung und Entwicklung von falschen autobiografischen Erinnerungen.

Beratungsstelle zu spät geschlossen

Kritik üben die Autoren auch an der früheren Beratungsstellen des Bistums Münster für Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt und am Arbeitskreis Rituelle Gewalt. Die Schließung der Beratungsstelle in Münster im März 2023, deren Mitarbeiterinnen Anhängerinnen der Rituellen-Gewalt-Theorie waren, war richtig, sei aber aus heutiger Sicht deutlich zu spät erfolgt, wie die Autoren schreiben. Denn auch die Arbeit der Beratungsstelle habe ihren Anteil daran, dass die Betroffenen sich immer tiefer in die Suche nach Erinnerungen verstrickt hätten.

Der Bericht wird geschwärzt und anonymisiert veröffentlicht.

dpa