Finanzen Rechnungshof schlägt bei Kommunalfinanzen Alarm

Es ist nicht gut bestellt um die Kassen in zahlreichen Rathäusern, sagt der Rechnungshof Rheinland-Pfalz. (Archivbild) Foto: Jen
Es ist nicht gut bestellt um die Kassen in zahlreichen Rathäusern, sagt der Rechnungshof Rheinland-Pfalz. (Archivbild) Foto
© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Trotz Mehreinnahmen sorgen noch stärker gestiegene Ausgaben für große kommunale Defizite. Die Finanzaufsicht warnt, sie hat viel Kritik an der Arbeit in den Rathäusern. Mehr Effizienz wird angemahnt.

Die Lage der kommunalen Kassen in Rheinland-Pfalz ist nach Einschätzung des Rechnungshofes trotz Rekordeinnahmen dramatisch. Es brauche strikte Haushaltsdisziplin, die von einer konsequenten Finanzaufsicht begleitet werden müsse, mahnte die Behörde an. In ihrem Kommunalbericht macht sie auch Stellen aus, an denen kommunale Verwaltungen effizienter werden und Geld sparen könnten. 

Das Gesamtdefizit der Kommunen im Land habe Ende vergangenen Jahres bei rund 625 Millionen Euro gelegen, schrieb der Rechnungshof. Das sei das zweithöchste Minus seit 2010. Gelegen habe das nicht etwa an niedrigen kommunalen Einnahmen – die hätten 2024 einen neuen Höchststand von 20,84 Milliarden Euro erreicht. Die Ausgaben seien allerdings noch stärker gestiegen, vor allem wegen höherer Ausgaben für Soziales und Personal. 

CDU fordert Neuaufstellung des kommunalen Finanzausgleichs 

Die CDU-Landtagsfraktion forderte eine "sofortige Evaluation und grundlegende Neuaufstellung des kommunalen Finanzausgleichs" (KFA) sowie einen Härtefallausgleich. Helge Schwab von der Gruppe der Freien Wähler verlangte einen Härtefallfonds für strukturell benachteiligte Kommunen. AfD-Fraktionschef Jan Bollinger plädierte für "konsequentes Abschieben" und "Bürokratieabbau".

Rechnungshof: Finanzlage dürfte sich weiter verschlechtern

Im laufenden Jahr rechnet der Rechnungshof mit einem noch mal deutlich größeren Fehlbetrag. Nach vorliegenden Zahlen beläuft sich das Defizit nach dem ersten Halbjahr 2025 bereits auf 1,57 Milliarden Euro. Auch wenn das Land einen gehörigen Teil der kommunalen Schulden übernommen habe, blieben diese hoch und drohten, schnell weiter zu wachsen, warnte der Rechnungshof. 

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Im vergangenen Jahr hätten knapp 40 Prozent der Kommunen ihre Kassen nicht ausgleichen können, rechnete der Rechnungshof vor – darunter elf von zwölf kreisfreien Städten sowie 22 von 24 Landkreisen. Für 2025 und 2026 werde ein schwaches beziehungsweise moderates Wachstum erwartet. Wenn wachsende Ausgaben auf stagnierende Einnahmen träfen, werde sich die Finanzlage der Kommunen weiter verschlechtern. 

"Es ist bedrückend, dass trotz der Entlastungsmaßnahmen die Verschuldung der Kommunen überdurchschnittlich bleibt", sagte Rechnungshofpräsident Marcel Hürter. Nach Ansicht seines Hauses braucht es eine gemeinsame Anstrengung von Kommunen, Land und Bund. Die Kommunen müssten die Ausgaben, über die sie selbst entscheiden könnten, im Griff behalten, mahnte Hürter. Das Land solle strukturell benachteiligte Kommunen unterstützen. 

Harsche Kritik an Abläufen in Kommunalverwaltungen

Und wo sieht der Rechnungshof bei Kommunen Verbesserungspotenzial? Kreisverwaltungen könnten ihre Organisation und Abläufe deutlich optimieren, heißt es in dem Bericht. Auch könne in "größerem Umfang" Personal eingespart werden. Sieben geprüfte Landkreise hätten in den unter die Lupe genommenen Aufgabenbereichen zusammen rechnerisch fast 100 Vollzeitkräfte mehr als erforderlich gehabt. 

Es gebe eine oft zu kleinteilige Organisation und ineffiziente Prozesse bei fehlendem Personal, zum Beispiel bei den Ausländerbehörden. Selbst Aufgaben, für die es bewährte Software gebe, würden von Hand und auf Papier erledigt. Potenzial sieht der Rechnungshof durch noch mehr interkommunale Zusammenarbeit, auch wenn dies eine Gebietsreform im kommunal sehr kleinteiligen Rheinland-Pfalz nicht ersetzen könne. 

Der Rechnungshof schreibt darüber hinaus von gravierenden Missständen in zwei Kommunen. Mehrere Bedienstete seien ohne rechtliche Grundlage über Jahre hinweg bei voller Bezahlung nach Hause geschickt worden, allein in diesen Fällen seien Schäden von mehr als 1,4 Millionen Euro entstanden. 

Explodierende Kosten, fehlenden Prüfungen

Genannt wird etwa der Fall einer beamteten Führungskraft eines Gemeindeverbands, die über Jahre zwar gute Beurteilungen erhalten habe, aber nach internen Konflikten dennoch über Jahre bei voller Besoldung freigestellt worden sei. Eine Gemeinde habe es sich rund 980.000 Euro kosten lassen, zwei Tarifbeschäftigte von der Arbeit fernzuhalten. Eine Person sei unter anderem wegen ihres Auftretens und Erscheinungsbildes neun Jahre freigestellt worden. Problematische oder leistungsunfähige Mitarbeiter dürften nicht durch langjährige bezahlte Freistellungen "entsorgt" werden, betonte die Behörde. 

Ferner monierte der Bericht, dass Jugendämter immer häufiger für den Unterhalt von Kindern einsprängen, oft jedoch nicht alles versucht werde, die unterhaltspflichtigen Eltern – zumeist Väter – in die Pflicht zu nehmen. Zahlreiche Kommunen engagierten sich in Windkraft- und Solaranlagen, einzelne Projekte seien aber schlicht unwirtschaftlich, befand der Rechnungshof. 

Darüber hinaus werde der Kostenrahmen bei manchen kommunalen Bauprojekten gesprengt. Beispielhaft erwähnte der Rechnungshof das ehemalige Karmeliterkloster in Boppard am Mittelrhein. Das denkmalgeschützte Gebäude habe für die Verwaltung der Stadt umgebaut und saniert werden sollen. Da das Bauwerk nicht gründlich untersucht worden sei, seien Mängel nicht entdeckt worden, die Gesamtkosten seien von 7,8 auf fast 20 Millionen Euro geklettert. Ein Neubau wäre wesentlich günstiger gewesen, meinte der Rechnungshof. 

Kritisches Fazit der Behörde: Organisation, Abläufe und Entscheidungen in Kommunen müssten verbessert werden, sie verursachten vermeidbare Kosten.

dpa