Anzeige
Anzeige

Hans-Martin Tillack BER-Eröffnung erst 2018? Politiker schauten viel zu lange zu

Alle hatten es längst befürchtet: Mit der Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER wird es wohl 2017 doch nichts mehr. Die Politiker im Aufsichtsrat sahen bei den Problemen offenkundig viel zu lange viel zu unbeteiligt zu.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller mimte philosophischen Gleichmut. "Es kommt nicht darauf an, ob es Dezember 2017 oder Januar 2018 wird", beruhigte der SPD-Politiker am Donnerstag.

Es ging, natürlich, um die berüchtigste Baustelle Deutschlands - und um das Datum, an dem der Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) endlich in Betrieb geht. Seit dem ersten geplatzten Termin im Jahr 2011 entschwindet die Eröffnung immer weiter in die Zukunft. Angekündigt, abgesagt, verschoben: Die Jahre vergehen, und der BER bleibt ein Flughafen, auf dem Flugzeuge weder starten noch landen.

Müller räumt ein, was alle längst erwartet haben

So wie Brandenburger Tor oder Reichstag scheint die Problembaustelle bereits zum festen Inventar der Hauptstadt zu gehören. Und so zieht sie ("Erlebnis BER") sogar bereits Touristen aus dem ganzen Bundesgebiet an. Fragt der Besucher: "Wann wird er fertig?" Antwortet die BER-Führerin: "Das weiß ich auch nicht."Also hielt sich der Aufschrei in Grenzen, als Müller jetzt einräumen musste, was alle längst erwartet hatten: Dass es leider, leider vielleicht auch 2017 nicht klappt und eine Eröffnung im Jahr 2018 "nicht mehr" auszuschließen sei.

Doch mit Schulterzucken allein ist es nicht getan. Und zumindest Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist gewarnt. Bereits Anfang Januar mahnte ihn der Bundesrechnungshof, in einem neunseitigen vertraulichen Brief: "Eine Verschiebung der BER-Inbetriebnahme in das 1. Halbjahr 2018 hätte weitreichende, insbesondere finanzielle Folgen", schrieben die Prüfer. Der Verkehrsminister sollte bei einer Verschiebung "den zusätzlichen Kapitalbedarf" prüfen und nötigenfalls "Vorsorge im Bundeshaushalt" treffen.

Kein Widerspruch aus dem Verkehrsministerium

Jetzt schon sind die Kosten des Airports von ursprünglich geplanten 2,2 auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen. Doch je länger auf der Flughafenbaustelle nur gebaut und nicht geflogen wird, desto teurer wird es. Und auch die erhofften Erlöse aus dem Flughafenbetrieb fließen dann "später als geplant", sagt der Rechnungshof.

Minister Dobrindt sieht das offenkundig genauso. Das Verkehrsministerium habe den "Feststellungen und Hinweisen nicht widersprochen", hielt der Rechnungshof dieser Tage in einem Brief an Gesine Lötzsch (Linkspartei) fest. Sie ist die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages. Dobrindt müsse nun "dafür sorgen dass die Risiken für den Bundeshaushalt klar benannt werden", verlangt der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. Bisher schaue der Verkehrsminister nur "untätig zu und zeigt mit dem Finger auf andere".

Politiker schauten offenkundig viel zu lange zu

Sicher ist: Die deutschen Steuerzahler müssen die Misswirtschaft der Berliner Flughafenbauer erneut mit ausbaden. In einem Bericht der BER-Baustellenüberwachung von Anfang des Jahres werden wieder all die Probleme aufgezählt, die die BER-Baustelle seit Jahren plagen: Subunternehmer schlittern in die Pleite, viel weniger Arbeiter sind im Einsatz als geplant, Baupläne werden nicht rechtzeitig fertig und Baugenehmigungen kommen viel später als erwartet.

Die Politiker im Aufsichtsrat, darunter ein Staatssekretär aus Dobrindts Verkehrsministeriums, schauten offenkundig viel zu lange viel zu unbeteiligt zu. Der Rechnungshof legt jetzt auch den Finger in diese Wunde. Er hatte, wie er das Ministerium jetzt erinnert, bereits im Mai 2013 empfohlen, die Arbeit der Aufsichtsratsmitglieder durch "ein externes projektbegleitendes Controlling" zu professionalisieren. Jahrelang glaubten die Regierenden von Brandenburg, Berlin und Bund dennoch, es ginge auch ohne Expertenrat. Vielleicht aus Selbstüberschätzung, vielleicht wegen des Widerstands des damaligen Flughafenchefs Hartmut Mehdorn, vertagten die Aufsichtsratsmitglieder die Bestellung kompetenter Gutachter. In einem Seitenhieb auf Mehdorn spricht der Rechnungshof nun in Sachen Controlling von einer "langen Anlaufphase", die in der "Verantwortung der vorherigen Geschäftsführung" liege.

Im Juli 2014 beschlossen die Flughafengesellschafter – also Brandenburg, Berlin und der Bund - zumindest ein Controlling light: Sie wollten, so der Rechnungshof, "einmalig die Effektivität" der Kontroll- und Berichterstattungssysteme der Flughafengesellschaft überprüfen lassen. Mehdorn hatte bereits seinen Rücktritt als Airportchef angekündigt, als im Januar 2015 endlich der Auftrag an die Gutachter rausging. Als ihr Papier im Juni 2015 endgültig vorlag, enthielt es – laut Rechnungshof – "zahlreiche Empfehlungen" für ein besseres Baustellenmanagement.

Doch selbst mit Stand Januar 2016 sahen die Prüfer des Rechnungshofes "die Umsetzung" dieser Verbesserungsvorschläge "als noch nicht abgeschlossen an". "Der Bundesrechnungshof bedauert", so schreibt er nun, dass nach dem langen Warten "nunmehr auch hinsichtlich der Umsetzung des Gutachtens Verzögerungen eintreten".

Aber warum sollte am BER auf einmal irgendetwas pünktlich stattfinden?

Hans-Martin Tillack können Sie auf Twitter folgen unter: @hmtillack

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel