Überschwemmungs-Katastrophe Schießbefehl gegen Plünderer

Vor dem Besuch von US-Präsident George W. Bush in den Katastrophengebieten wird das Krisenmanagement der Behörden massiv kritisiert. Große Probleme bereitet die Eskalation der Gewalt. Die Helfer müssen unter Kriegsbedingungen arbeiten.

Vor dem heutigen Besuch von US-Präsident George W. Bush in den Hurrikan-Katastrophengebieten wird die Kritik am Krisenmanagement der Behörden immer lauter. Bush hat unterdessen beim Kongress 10,5 Milliarden Dollar (8,4 Milliarden Euro) als Soforthilfe beantragt. Dem stimmte der Senat in der Nacht zu. Das Repräsentantenhaus will heute entscheiden.

In den verwüsteten Regionen in den Bundesstaaten Louisiana, Mississippi und Alabama fehlen vor allem Nahrungsmittel, sauberes Trinkwasser, Medikamente und Transportmittel zur Evakuierung von zehntausenden von Menschen. Leichen verwesen in den Straßen oder stapelten sich an bestimmten Punkten, berichtete der Nachrichtensender CNN. Entkräfte Menschen lägen auf den Straßen. Die Zahl der Toten wird mittlerweile auf mehrere tausend geschätzt.

Chaos und Anarchie

Große Probleme sind zudem ausufernde Gewalt, die die Rettungsoperationen behinderten, und Plünderungen. Der Direktor der Behörde für Katastrophenmanagement (FEMA), Michael Brown, sagte nach CNN-Angaben, seine Behörde versuche in New Orleans unter Kriegsbedingungen zu arbeiten.

In New Orleans (Louisiana), wo viele Gestrandete seit fast vier Tagen vergeblich auf Hilfe warten, brach Chaos und Anarchie aus. An der Küste von Mississippi durchsuchten verzweifelte Kinder Abfalltüten nach Essensresten. Die Behörden verteidigten sich gegen den Vorwurf unzureichender Planung. "Dies ist anders als jedes andere Desaster, das die USA je getroffen hat", sagte Brown. "Die Hilfe kommt."

Retter von der Lage überfordert

Die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, hat 40.000 Nationalgardisten angefordert, um für Ordnung zu sorgen. Bis Freitag sollen 12 000 davon in New Orleans im Einsatz sein. Dort spielten sich am Donnerstag erschreckende Szenen ab: Vor dem Kongresszentrum stürzten sich tausende ausgelaugte Flüchtlinge auf fünf Busse. "Jedes Mal, wenn wir Leute rausholen, kommen neue hinzu", sagte FEMA- Direktor Brown. Am späten Nachmittag waren auf der einzigen noch befahrbaren großen Zugangsstraße nach New Orleans Bus-Konvois zu sehen.

Der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, sandte einen "verzweifelten SOS-Ruf" aus. Für 15 000 bis 20 000 Menschen am Kongresszentrum gebe es keine Vorräte mehr. Aus Hotels flehten gestrandete Touristen Fernsehstationen um Hilfe an, ebenso ein Arzt aus dem Charity-Krankenhaus, der für seine 250 Patienten kein Wasser und kein Essen mehr hatte. In New Orleans waren Banden unterwegs, die Geschäfte plünderten und Menschen bedrohten. Aus Hotels, in denen noch hunderte Touristen festsitzen, traue sich niemand auf die Straße, berichtete eine Touristin. Die Angestellten bewachten das Gebäude mit gezogenen Pistolen. Präsident Bush kündigte "Null Toleranz" gegenüber Plünderern an.

Auf dem Flughafen in New Orleans kamen unterdessen in strömendem Regen Patienten an, die die Armee mit Hubschraubern aus Krankenhäusern geholt hatte. Notdürftig mit Decken geschützt wurden sie zur Notversorgung in einen Hangar gebracht. Sie sollten später ausgeflogen werden.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Katastrophengebiet fast so groß wie Großbritannien

Das Katastrophengebiet erstreckt sich nach Angaben von Heimatschutzminister Michael Chertoff über 233.000 Quadratkilometer, ein Gebiet fast so groß wie Großbritannien. Der Kongress wurde aus der Sommerpause zurückgerufen. Er wollte noch heute das Zehn-Milliarden-Dollar-Hilfspaket verabschieden.

Präsident Bush will sich heute zuerst von einem Helikopter aus ein Bild von der Lage in Mississippi und Alabama verschaffen und dann nach New Orleans weiterfliegen, wie der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, am Donnerstag mitteilte. Danach will der Präsident auch einige Orte zu Fuß aufsuchen.

Jede Hilfe willkommen

Die US-Regierung will die Hilfsangebote aus aller Welt ohne Ausnahme annehmen. Das sagte der Sprecher des Außenministeriums, Sean McCormack, am Donnerstag in Washington. "Wir nehmen alles an, was die schwierige, tragische Situation der Menschen, die von Hurrikan "Katrina" betroffen sind, leichter macht", sagte er. "Es sollte uns ermutigen, dass die Welt den Amerikanern in Notzeiten die Hand reicht."

Mehr als zwei Dutzend Länder und internationale Organisationen hätten sich bereits gemeldet, und die Liste werde stündlich länger, sagte McCormack. Unter anderem seien Boote, Flugzeuge, Zelte, Decken, Generatoren und Geld angeboten worden. Für Deutschland hatte Außenminister Joschka Fischer seiner US-Kollegin Condoleezza Rice am Donnerstag Hilfe angeboten.

Deutschland bot den USA Unterstützung an, um der "entsetzlichen Naturkatastrophe" Herr zu werden, sagten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer in Berlin. Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz und Care International riefen zu Spenden auf.

DPA