Aufstiege und Gipfel: Diese Motive stehen im Mittelpunkt von Stefan Nimmesgerns Fotografie. Er liebt die Berge und porträtiert Land und Leute in beeindruckenden Aufnahmen. Wer sich mit der Geschichte des Fotografen beschäftigt, bekommt auch eine Ahnung, warum das so ist: Aufstieg und Abstieg - diese Metapher zieht sich durch Nimmesgerns Leben wie ein roter Faden.
Im Jahr 2005 bekommt der Fotograf die Diagnose Herzinsuffizienz. Sein Herz ist stark vergrößert, wie aufgeblasen, und schlägt in der Minute nur noch knapp 40 Mal. Bei gesunden Menschen schlägt das Herz im Schnitt 60 bis 80 Mal in der Minute. Nimmesgern schluckt Medikamente und versucht, die Krankheit auszublenden. "Ich ging regelmäßig laufen, unternahm viele Bergtouren", schreibt der 62-Jährige in seinem Buch "Wiederaufstieg", in dem er seine Geschichte mit Bildern seiner Reisen nacherzählt. "Ich fühlte mich im Grunde genommen einigermaßen fit. Im Rückblick muss ich mir eingestehen, dass ich die Schwere meiner Krankheit lange ignoriert oder zumindest unterschätzt hatte."
Den ersten Rückschlag bekommt Nimmesgern im Jahr 2006 während der Besteigung des 6.962 Meter hohen Aconcagua in Argentinien. Auf einer Höhe von etwa 6800 Metern geht ihm die Puste aus. Er muss pausieren, während seine Gruppe weiter zum Gipfel vordringt. Der Abstieg gerät zur Tortur: "Selbst an kleinsten Gegenanstiegen fühlte es sich an, als ob ein eiserner Gürtel meine Lungen zuschnürt. Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Da war nur noch blanke Angst."
Der Kardiologe zuhause schüttelt nur noch den Kopf und fragt entgeistert: "Wie hast Du es mit diesem Herz bis auf 6800 Meter geschafft?" Die letzten Meter zum Gipfel, so mutmaßt der Arzt, hätte er womöglich nicht überlebt.
Ein Warnschuss - doch Nimmesgern überhört ihn. Stattdessen bereitet er sich auf eine Patagonien-Expedition mit Reinhold Messner vor und lässt sich einen Herzschrittmacher einsetzen. Als der Justiziar des Summit Clubs von den Herzproblemen hört, fliegt Nimmesgern aus dem Team. Zu groß ist das Risiko, dass seine gesundheitlichen Probleme den Erfolg des gesamten Teams gefährden.
Opulent erzählte Geschichte mit Tiefgang
2009 folgt der Schock: Auf einer Feier bricht Nimmesgern zusammen. Sein Herz schlägt nicht mehr; er ist klinisch tot. Auf der Feier ist zufällig ein Rettungssanitäter, der ihn wiederbeleben kann. Und Nimmesgern realisiert: Wenn er überleben will, braucht er ein Spenderherz.
In dem Bildband "Wiederaufstieg" erzählt der Fotograf seinen persönlichen Leidensweg - aber auch seinen Weg zur Besserung - mit beeindruckenden Fotografien nach. Eine opulent erzählte Geschichte mit Tiefgang, nach deren Lektüre man den Eindruck bekommt, dass Nimmesgern nun nach Jahren des Unterwegsseins endlich bei sich angekommen ist.