Null-Covid-Strategie Drei Monate statt drei Wochen: US-Anwalt berichtet von seiner Quarantäne-Odyssee in China

Chinesen in Corona-Schutzanzügen
Chinesen in Corona-Schutzanzügen: Wegen der strengen Corona-Maßnahmen gleicht die Metropole Shanghai seit Wochen einer Geisterstadt
© Hector Retamal / AFP
Es liest sich wie die absurdeste Pechsträhne seit Pandemiebeginn. Eigentlich wollte ein Anwalt aus Los Angeles lediglich seine Eltern in China besuchen. Stattdessen erlebte er eine dreimonatige Quarantäne-Odyssee.

Eigentlich wollte Xue Liangquan einfach nur seine Eltern in China besuchen, die er seit Pandemiebeginn nicht mehr gesehen hatte. Dass die Einreise nicht gerade unkompliziert ablaufen würde, das war dem 37-jährigen, in Los Angeles praktizierenden Anwalt schon vor Abflug klar.

Doch statt wie geplant nach einer dreiwöchigen Hotel-Quarantäne mit Mutter und Vater das chinesische Neujahrsfest zu feiern, verließ er das Land drei Monate und mehrere Krankenhaus- und Hotelisolationen später. Seine Eltern sah er keine Minute.

Die Geschichte seiner Tortur hielt Xue in einem ausführlichen, bebilderten Blogeintrag auf der Social-Media-Plattform WeChat fest. Die "New York Times" und "Business Insider" berichteten.

Sechs Wochen Quarantäne, zwei Tage Freiheit

Wie vorgeschrieben habe er den chinesischen Behörden vorab negative Corona-Testergebnisse vorgelegt.  7600 US-Dollar habe sein Flug von Los Angeles nach Guangzhou am 2. Januar gekostet. Nach Ablauf der dreiwöchigen, gesetzlichen Hotel-Quarantäne in der südchinesischen Hafenmetropole wollte Xue weiter in die Provinz Shandong, im Osten des Landes reisen, um seine Eltern endlich wiederzusehen. So der Plan.

Doch dank Chinas strenger "Null-Covid-Strategie", die einige der strengsten Quarantäne-Regeln der Welt beinhaltet, kam alles anders. Nach seiner Ankunft in Guangzhou sei er nach einem erneuten Test zunächst wie erwartet in Hotel-Quarantäne geschickt worden. Auf den ersten Blick hätte es ihn schlimmer treffen können: Fotos zeigen ein einfaches, aber sauberes Zimmer, sogar ein Jacuzzi habe es gegeben, berichtet Xue.  

Die erste Hiobsbotschaft ließ aber offenbar nicht lange auf sich warten: Sein Test am Flughafen sei positiv. Also rein in den Ganzkörper-Schutzanzug, raus aus dem Hotel und ohne Umschweife per Rettungswagen in ein Krankenhaus – sein Zuhause für die nächsten vier Wochen.

Sein Zimmer soll er sich dort mit zwei anderen Corona-Positiven geteilt haben. Seinen Eltern habe er täglich per Videochat beruhigt, ihnen versichert, dass seine Symptome mild seien, dass man ihn gut behandeln würde. Außerdem habe er aus dem "Homeoffice" für seine Kanzlei in Kalifornien gearbeitet. Schließlich gab es sonst nicht viel zu tun.

Am 31. Januar, am Vorabend des chinesischen Neujahrsfestes, dass er ursprünglich hatte mit seinen Eltern verbringen wollen, schaute er sich die Frühlingsfestgala auf seinem Tablet an, allein.

Am nächsten Tag, einen Monat nach seiner Einreise, sei Xue aus der Krankenhausquarantäne entlassen worden – nur, um direkt im nächsten Hospital zu landen. Zwei weitere Wochen will der 37-Jährige auf einer Station für Genesene verbracht haben. Statt im Anschluss endlich nach Shandong zu seinen Eltern zu fahren, habe er sich in einen Flieger nach Shanghai gesetzt, um andere Verwandte zu besuchen. Denn in seiner Heimatprovinz seien die Corona-Maßnahmen noch deutlich strenger gewesen.

Nach einem Negativtest in Shanghai sei Xue zum ersten Mal seit sechs Wochen frei gewesen. Sein Glück hielt zwei Tage.

"Ich kann nur mir selbst die Schuld geben"

Laut der Gesundheitsbehörde von Guangzhou hätte sich die einzige andere Person, mit der Xue zusammen in einem Bus vom Krankenhaus gesessen habe, angesteckt. Weil er selbst nun als enger Kontakt gelte, müsse er erneut in Hotel-Quarantäne.

Als er am 6. März aus Isolation Nummer Drei entlassen werden sollte, habe das Telefon geklingelt, die Gesundheitsbehörde am anderen Ende. Xue habe sich nun selbst infiziert. "Ich bat sie, mir den Bericht zu zeigen, aber sie sagten, sie hätten ihn nicht und würden nur Befehle befolgen", zitiert der "Business Insider" aus dem Blogeintrag des Anwalts.

Wieder Krankenhaus, wieder Hotel. Als Xue am 31. März wieder auf die Straße darf, will er nur noch zurück in die USA. Der einzige Verwandten, den er in China zu Gesicht bekam, sei sein jüngerer Bruder in Shanghai gewesen.

Ob die Maßnahmen am Ende reichlich übertrieben waren oder er einfach nur eine absurde Pechsträhne hatte: Letztendlich will Xue niemandem für seine dreimonatige Corona-Odyssee verantwortlich machen. "Ich gebe niemandem die Schuld: keiner Person, Regierung oder Organisation […] Ich kann nur mir selbst die Schuld geben, weil ich so viel Pech hatte", zitiert die "New York Times" den 37-Jährigen.

Einen neuen Versuch wolle er jedoch erst dann wieder unternehmen, wenn die Beschränkungen in China gelockert sind. Stand jetzt könnte das noch dauern. Shanghai gleicht seit Wochen einer Geisterstadt, der internationale Reiseverkehr von und nach China ist praktisch nicht mehr möglich.

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