Pandemie Corona-Infizierte ohne Symptome haben so viele Viren wie Erkrankte

Coronavirus asymptomatische Infektion: Eine Frau hustet in den Ellenbogen
Längst nicht alle Corona-Infektionen machen sich mit Symptomen wie Fieber und Husten bemerkbar 
© Drazen Zigic / Getty Images
Südkoreanische Forscher haben Hunderte Corona-Fälle untersucht und interessante Einblicke gewonnen: Rund 30 Prozent aller Corona-Infektionen verlaufen demnach ohne Symptome. Und: Im Körper jener Menschen findet sich das Virus in großen Mengen.

Corona gleicht einem Chamäleon: Nicht nur die Bandbreite der Symptome ist groß, auch die Schwere der Erkrankung variiert stark. Während einige Menschen mit heftigen Verläufen bis hin zum Lungenversagen zu kämpfen haben, entwickeln andere keine Symptome. Sie bleiben "asymptomatisch", heißt es im Mediziner-Jargon. Eine gute Nachricht ist das aber nur bedingt. Bereits seit längerem fürchten Epidemiologen, dass Infizierte ohne Beschwerden das Virus im Stillen weiterverbreiten könnten. Südkoreanische Forscher haben dafür nun weitere Hinweise gefunden – in Nase, Rachen und Lungen jener Patienten.

Wie sie im Fachblatt "Jama International Medicine" schreiben, können Menschen ohne Symptome genauso viele Viren im Körper haben wie Patienten mit Beschwerden. Auch die Zeitspanne, in der das Virus nachweisbar ist, ist demnach in etwa vergleichbar. Bei den asymptomatischen Patienten dauerte es im Mittel 17 Tage von Erhalt der Diagnose bis zu einem negativen Testergebnis. Bei den offensichtlich Erkrankten waren es 19,5 Tage. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Median-Wert, sprich: Bei der Hälfte der Patienten dauerte es kürzer, bei der anderen Hälfte länger.

Benjamin Cowling, Epidemiologe an der Universität von Hong Kong, sprach gegenüber der "New York Times" von "wichtigen" Daten. Sie würden bestätigen, was schon lange vermutet worden sei – nämlich "dass asymptomatische Fälle eine Infektion übertragen können". Hinweise dafür gibt es bereits viele, etwa durch Daten aus Antikörper-Studien, die eine hohe Dunkelziffer nahelegen.

30 Prozent bleiben ohne Symptome

Das Forscherteam wertete Daten von rund 303 überwiegend jungen Corona-Patienten eines Behandlungszentrums in Cheonan aus, von denen 193 über Symptome berichteten. Die übrigen 110 Menschen hatten zunächst keine Beschwerden. 21 von ihnen entwickelten schließlich doch noch Anzeichen von Covid-19, wahrscheinlich weil sie sich zunächst in der Inkubationsphase befunden hatten, das Virus aber bereits nachweisbar war.

Interessant waren vor allem jene, die übrig blieben: 89 zeigten während der gesamten Dauer der Infektion keine Symptome – das entspricht einem Anteil von rund 30 Prozent aller Infizierten. Die Größenordnung deckt sich in etwa mit Schätzungen aus anderen Studien. Laut einer Übersichtsarbeit in den "Annals of Internal Medicine" könnten zwischen 40 bis 45 Prozent aller Infektionen mit dem Coronavirus ohne Symptome verlaufen. 

Eine Stärke der Studie ist, dass sie klar zwischen asymptomatischen Patienten und jenen, die sie in der "präsymptomatischen" Phase befinden, unterscheidet. In der Praxis ist das nicht immer einfach, da Patienten über einen längeren Zeitraum hin überwacht und zu ihren Beschwerden befragt werden müssen. So kann ausgeschlossen werden, dass sie nicht doch noch zu einem späteren Zeitpunkt symptomatisch erkranken - mit Husten, Fieber, Hals- oder Kopfschmerzen.

Bekannt ist bereits, dass Infizierte das Coronavirus auch vor Symptombeginn weitergeben können. "Wir wissen inzwischen, dass die infektiöse Phase etwa eine Woche dauert, die ersten zwei Tage liegen dabei vor dem Symptombeginn", schrieb Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, jüngst in einem Gastbeitrag für die "Zeit". Die Rolle von asymptomatischen Infizierten ist dagegen schwer zu untersuchen, auch weil sie durch ihre Symptomlosigkeit schnell durchs Raster fallen können. Oft wird nur bei einschlägigen Symptomen getestet. Der Virennachweis bei asymptomatischen Patienten erfolgt dagegen eher zufällig – etwa nach Kontakt zu einem nachweislich Erkrankten

Wie ansteckend sind stille Infizierte?

Wie ansteckend asymptomatische Patienten sind, kann die aktuelle Studie jedoch nicht beantworten. Zum einen wurden die Patienten nach dem positiven Corona-Test isoliert und hatten keine Gelegenheit, andere Menschen zu infizieren. Zum anderen bestimmten die Forscher lediglich die Viruslast im Körper der Personen, nicht aber, ob sich das Virus im Labor anzüchten ließ. Nur lebende Viren können auch zu einer Infektion führen. Forscher gehen davon aus, dass Infizierte rund eine Woche lang infektiöse Viren ausscheiden, etwa durch Tröpfchen oder Aerosole wie sie beim Sprechen, Husten und Niesen entstehen.

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© Andrew Harnik/AP / DPA
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Ob und wie viele Personen ein Infizierter ansteckt, hängt nicht zuletzt vom Verhalten des Einzelnen ab: Wer trotz Husten und Fieber ins Großraumbüro geht, steckt voraussichtlich mehr Menschen an, als solche, die bereits bei leichten Beschwerden das Bett hüten. Symptomlos Erkrankte husten und niesen nicht, womöglich können sie das Virus damit nicht so effizient verteilen. Auf der anderen Seite wissen sie oft nichts von ihrer Infektion – die Wahrscheinlichkeit, dass sie einem normalen Sozialleben nachgehen und weitere Menschen infizieren könnten, ist damit größer.

Die aktuelle Studie unterstreicht daher, wie wichtig die sogenannten AHA-Regeln – Abstand, Hygiene, Alltagsmasken – sind. Auch und vor allem bei (scheinbar) völliger Gesundheit.

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