Dioxin-Skandal Bauer Babbes Schweine dürfen nicht sterben

  • von Manuela Pfohl
Walter Babbe hat 2500 Schweine und ein großes Problem: Sein Hof in Schleswig-Holstein ist wegen der Dioxin-Gefahr geschlossen. Und plötzlich interessiert sich die halbe Welt für ihn.

Eigentlich geht das alles gar nicht. Bauer Babbe schüttelt den Kopf. "Das hier ist doch ein landwirtschaftlicher Betrieb, da können Fremde nicht so einfach rein. Da gibt es doch Bestimmungen", sagt der 51-jährige Landwirt, verschränkt die Arme vor der Brust und bleibt demonstrativ vor seinem Haus stehen. Ein roter Backsteinbau am Rand von Travenbrück. Links ist der Stall, rechts die gute Stube. Unter seinen Füßen ein Abtreter mit zwei rosa Schweinchen drauf. Und über ihm ein Weihnachtsstern. Dörfliche Idylle. Doch irgendwie scheinen die alle verrückt zu spielen, die Leute, die heute zu ihm kommen und mal sehen wollen, wie das so ist, wenn einem der Hof dicht gemacht wird wegen des Dioxin-Skandals. Alle wollen in den Stall gucken.

Denn Walter Babbe ist einer der bundesweit bereits über 4700 Betriebe in Deutschland, die vorsorglich geschlossen wurden, weil sie mit Dioxin verunreinigtes Futter bezogen haben könnten. Die meisten dieser Höfe liegen in Niedersachsen. Babbes Landwirtschaft ist in Schleswig-Holstein. Ein in malerischer Landschaft gelegener Familienbetrieb, den Walter Babbe seit 1975 bewirtschaftet. Damals war das Ganze noch viel kleiner. Jetzt haben er und seine Frau 2000 Schweine in Travenbrück und 550 im Nachbarort - und seit Donnerstag haben sie auch noch einen Haufen Ärger dazu.

"Ein Verlust wird es so oder so"

"Gestern Vormittag kam der Anruf, nachmittags waren die dann auch da und haben es noch mal offiziell gemacht mit der Schließung", sagt Babbe. Sein Pech: Ein einziges Mal, nämlich am 15. November vergangenen Jahres, hat er für seine Schweine im Nachbardorf Zusatzfutter gekauft, eine Wochenration, die womöglich den Dioxin-Abfall der Firma Harles und Jentzsch im schleswig-holsteinischen Uetersen enthielt. Und nun wird geprüft, ob aus Babbes Schweinen, so wie eigentlich geplant, im März noch leckere Koteletts werden dürfen. Der Landwirt hat die große Hoffnung, dass die Dioxin-Werte unterhalb des Grenzwertes liegen. Am Wochenende könnte das Ergebnis schon vorliegen "Aber ein Verlust wird es so oder so", winkt Babbe ab. "Die Preise sind jetzt schon im Keller."

Aber wozu soll er das dem dänischen Fernsehteam erzählen und all den anderen Journalisten, die sich heute bei ihm die Klinke in die Hand geben. Das sind doch Städter, die haben ja sowieso keine Ahnung. "90 Prozent der Bevölkerung weiß doch heutzutage gar nicht mehr, wie das ist, wenn man Tiere hat und einen Bauernhof. Da fehlt doch jeder Bezug", sagt Babbe. Und dann dürfen die Dänen mit der Kamera und der Fotograf von der Tageszeitung doch einen kurzen Blick in den Stall werfen. Drin stehen die Schweine mit putzigen Ringelschwänzchen und neugierigen Augen. Manche steigen mit ihren Vorderfüßen auf die Holzgitter im Stall und quieken direkt in die surrenden Kameras hinein. "Tja, nun müssen wir mal sehen, was mit ihnen wird", sagt Babbe und zack, ist der Stall wieder zu. "Die Tiere dürfen nämlich keine Zugluft bekommen."

Babbe glaubt nicht an den Erfolg härterer Strafen

Das klingt nach Bio-Bauernhof-Idylle. Ist es aber nicht. Babbe betreibt konventionelle Landwirtschaft. Er sagt, er sei kein Idealist. Einer, der nur aufs Geldverdienen aus sei, sei er aber auch nicht, versichert er mit erhobenem Zeigefinger. "Die Landwirtschaft ist doch eh kein Geschäft, mit dem man Geld verdienen kann", sagt Babbe. Dass ihm nun so einer, wie der Typ aus Uetersen, aber auch noch das letzte bisschen Wertschöpfung ruiniert, macht ihn stinksauer. "Eine Unverantwortlichkeit, die einen ganzen Berufsstand in Misskredit bringt."

In den Nachrichten hat Babbe gehört, dass die Indizien im Moment für ein hohes Maß an krimineller Energie sprechen, dass die Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen das Unternehmen aus Uetersen ermittelt und dass einige Politiker und auch viele Verbraucher härtere Strafen fordern. Im Bauernverband, dem auch Babbe angehört, wird das Thema heftig debattiert.

"Jetzt ist aber Schluss"

Er selbst glaubt nicht, dass mit schärferen Gesetzen etwas erreicht würde. "Auf den nächsten Skandal kann man schon mal warten. Da helfen all die Verordnungen und Gesetze nichts. Das hat man ja in der Vergangenheit gesehen. Da kümmert sich doch von denen keiner drum." Ginge es nach Babbe, müsste die Politik stattdessen an das Bewusstsein der Leute ran, "damit die sich mal an die Zehn Gebote erinnern".

Und auch die Leute, die immer billiger einkaufen wollten und oft keinen Respekt mehr vor der Schöpfung hätten, müssten sich fragen lassen, welche Verantwortung sie tragen. Die Dänen nicken. Der Kameramann schwenkt über den Hof: über den in Herzform gestutzten Buxbaum im Vorgarten, das große blaue Silo vor dem weiß verschneiten Feld, die Scheune mit den Strohballen, die bucklige Dorfstraße und ein Auto, das gerade auf den Hof rollt. Noch ein Fernsehteam. "Jetzt ist aber Schluss", sagt Babbe.

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