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Dioxin-Skandal Verseuchtes Futter seit Monaten im Handel

Der Dioxin-Skandal schwelt offenbar weitaus länger als bislang vermutet. Bereits im März 2010 wurde in der Probe eines Futtermittelherstellers zu viel Dioxin festgestellt.

Mit Dioxin verseuchte Industriefette wurden offenbar über einen weitaus längeren Zeitraum zu Tierfutter verarbeitet und verbreitet als bisher bekannt. Bereits am 19. März 2010 habe ein privates Labor eine Probe des Uetersener Futtermittellieferanten Harles und Jentzsch positiv auf zu viel Dioxin getestet, berichtete die "Hannoversche Allgemeine Zeitung".

Ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministeriums hat die Angaben inzwischen bestätitgt. Der Betrieb habe das Problem nicht gemeldet, was ein klarer Rechtsverstoß sei. Die zulässige Höchstmenge von 0,75 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Fett sei um mehr als das Doppelte überschritten worden. Es sei damit nicht verkehrsfähig gewesen, hieß es aus dem Kieler Ministerium.

Wie die Zeitung berichtete, gelangte schon vor zehn Monaten verseuchtes Tierfutter in den Handel. Die Behörden hättenerst Ende Dezember von der Grenzwertüberschreitung erfahren. Eine Gefahr für Verbraucher habe vermutlich aber nicht bestanden, weil bei der weiteren Vermischung des belasteten Fettes zu Tierfutter die Höchstgrenze wieder unterschritten worden sein dürfte, so der Sprecher.

Das positive Ergebnis stammt den Angaben zufolge aus einer Eigenkontrolle des Unternehmens und wurde den Behörden nicht mitgeteilt. Die Probe wurde am 29. Dezember von der schleswig-holsteinischen Futtermittelüberwachung in Uetersen (Kreis Pinneberg) beschlagnahmt und der Staatsanwaltschaft übergeben. Auch nach dem März 2010 habe es bei Eigenkontrolluntersuchungen des Unternehmens Auffälligkeiten gegeben, die ebenfalls unterschlagen worden seien, sagte der Ministeriumssprecher weiter.

Arzt zeigt Harles und Jentzsch an

Das Bielefelder "Westfalen-Blatt" berichtet, dass sich für die Behörden inzwischen der Verdacht auf eine Straftat erhärtet. Der Zeitung zufolge habe die Spedition Lübbe im niedersächsischen Bösel keine Genehmigung gehabt, auf ihrem Gelände Fette für die Futtermittelherstellung zu lagern und zu mischen. Das Blatt beruft sich dabei auf Angaben aus dem niedersächsischen Agrarministerium. Die Herstellung von Futtermittelfett sei illegal erfolgt. Da bei den Behörden lediglich ein Transportunternehmen gemeldet war, habe es auch keine Kontrollen der produzierten Ware gegeben.

Es bestehe der Verdacht, dass der Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch im schleswig-holsteinischen Uetersen die Spedition genutzt habe, um sich der Überwachung der Behörden zu entziehen, sagte Ministeriumssprecher Gert Hahne dem "Westfalen-Blatt". Von Bösel aus war mit Dioxin belastetes Futterfett bundesweit an Futtermittelhersteller geliefert worden. Gegen die Spedition Lübbe ermittelt die Oldenburger Staatsanwaltschaft, gegen Harles und Jentzsch die Staatsanwaltschaft in Itzehoe. Zudem liegt gegen die Uetersener Firma inzwischen die Strafanzeige eines Verbrauchers vor. Ein Arzt aus Havixbeck bei Münster hat Harles und Jentzsch nach Angaben der Münsteraner Staatsanwaltschaft wegen schwerer Körperverletzung und versuchten Mordes angezeigt, berichten die "Westfälischen Nachrichten."

Harles und Jentzsch hatte dem Bericht zufolge für die Herstellung des Futterfetts technische Mischfettsäure genutzt, die bei der Biodieselproduktion der Firma Petrotec AG in Emden angefallen und von der niederländischen Firma Olivet geliefert worden sei. Das Dioxin könnte sich in Rest- und Abfallrohstoffen befunden haben, die zu der Biodieselproduktion verwendet wurden, sagte Ministeriumssprecher Hahne der Zeitung. Da es sich um eine technische Produktion handele, sei Dioxin hier aber nicht relevant.

Knapp sieben Tonnen Fleisch in Thüringen beschlagnahmt

Unterdessen sind in einem Thüringer Schlachthof rund 6,6 Tonnen Fleisch wegen Dioxin-Verdachts von den Behörden sichergestellt worden. Ein Teil davon stamme von Schweinen aus einem Mastbetrieb in Sachsen-Anhalt, wo die Tiere vermutlich dioxinbelastetes Futter erhalten haben, teilte das Gesundheitsministerium am Freitag auf Anfrage mit. Aus der gesperrten Schweinemästerei sei ein Tier Anfang der Woche geschlachtet worden, um das Fleisch auf Dioxinrückstände zu testen. Auch der Schlachtbetrieb habe eine Untersuchung eingeleitet. Das Fleisch dürfe erst verkauft werden, wenn die Ergebnisse sind, hieß es.

Schweinemast stärker betroffen als bisher bekannt

Die "Frankfurter Rundschau" berichtet, von dem Dioxin-Skandal seien viel mehr Schweinemastbetriebe betroffen als zunächst mitgeteilt. Ein Sprecher des Thüringer Gesundheitsministeriums gab demnach an, dass ein ostthüringischer Mastbetrieb mitgeteilt habe, dass insgesamt 9500 kontaminierte Ferkel zur Weiterzucht bundesweit an Betriebe ausgeliefert worden seien. Am Donnerstag hatte dem Bericht zufolge lediglich das hessische Landwirtschaftsministerium mitgeteilt, dass an einen Mastbetrieb im osthessischen Kreis Hersfeld-Rotenburg 320 belastete Ferkel geliefert worden seien.

Die Ferkel aus dem Thüringer Mastbetrieb seien von der achten Lebenswoche an mit verseuchtem Futter gefüttert und Mitte Dezember im Alter von elf bis zwölf Wochen nach Hessen geliefert worden, schrieb die "FR". Das thüringische und das hessische Ministerium gaben demnach jedoch Entwarnung: Die Belastung der Ferkel sei nach bisherigen Erkenntnissen so gering, dass für den Verbraucher keine Gesundheitsgefahren bestünden. Der betroffene Hof in Osthessen sei gesperrt. Nach Angaben des Ministeriums in Wiesbaden befinden sich noch alle 320 Ferkel auf dem Gelände des Mastbetriebs. Keines der mit dem dioxinbelasteten Futter gemästeten Tiere sei in den Handel oder zur Weiterverarbeitung gelangt.

dho/kng/AFP/DPA DPA

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