Erbkrankheiten Durchbruch in der Gentherapie

Ein krankes Gen durch ein gesundes ersetzen - was einfach klingt, stellt Mediziner in der Praxis vor riesige Probleme. Nun konnten deutsche Mediziner zwei Männer mit Hilfe der Gentherapie heilen - eine Weltpremiere.

Zum weltweit ersten Mal haben Mediziner erwachsene Patienten erfolgreich mit gentherapeutischen Methoden behandelt. Die Wissenschaftler therapierten zwei Männer mit einer angeborenen Immunschwäche, berichtet die Zeitschrift "Nature Medicine". Die 27 Forscher aus Frankfurt, Heidelberg und Zürich sprechen von einem "Durchbruch in der Gentherapie".

Lebenslange Angst vor Pilzen und Bakterien

Bei der seltenen Erbkrankheit chronische Granulomatose (CGD) ist ein Gen defekt: Dadurch sind bestimmte weiße Blutkörperchen, so genannte Phagozyten, nicht dazu fähig, eingedrungene Pilze oder Bakterien abzutöten. Als Folge sind die Betroffenen zeitlebens von Pilz- und Bakterieninfektionen bedroht. Die beiden Patienten, inzwischen 25 und 26 Jahre alt, hatten bisher große Teile ihres Lebens in Krankenhäusern verbracht.

Eine Heilung von CGD, an der bundesweit schätzungsweise 100 Menschen leiden, war bislang lediglich über eine Knochenmarkstransplantation möglich. Dies setze jedoch einen passenden Spender voraus, erläuterte Dorothee von Laer vom Georg-Speyer-Haus in Frankfurt am Main.

Stammzellen im Knochenmark ausgetauscht

Im Rahmen der Gentherapie entnahmen die Mediziner den Patienten zunächst blutbildende Stammzellen und schleusten im Labor eine intakte Kopie des defekten Gens in diese ein. Unterdessen verringerte eine milde Chemotherapie die Zahl der blutbildenden Stammzellen im Knochenmark der Patienten, um Platz für die neuen Zellen zu schaffen. Nachdem man die genetisch modifizierten Zellen wieder in die Patienten übertragen hatte, stieg der Anteil der gesunden Zellen im Blut deutlich an.

Die Folgen zeigten sich bei beiden Männern wenig später: Zwei hartnäckige und gegen herkömmliche Medikamente resistente Infektionen - bei dem einen Patienten eine bakterielle Leberinfektion und bei dem anderen eine pilzbedingte Lungeninfektion - heilten nach der Behandlung aus, und auch sonst traten keine großen Bakterien- oder Pilzinfektionen mehr auf. 16 Monate nach Therapiebeginn lag der Anteil genmodifizierter Zellen bei 20 bis 30 Prozent, berichten die Forscher. Dies reicht laut von Laer aus, um die Patienten vor gehäuften Infektionen mit Pilzen oder Bakterien zu schützen.

Entscheidend für den Erfolg war nach Angaben der Wissenschaftlerin eine neue Methode der Gentherapie. Es sei gelungen, eine sehr effiziente Genfähre in viele Zellen einzuleiten. Allerdings könne bisher nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Patienten durch die Gentherapie an Blutkrebs erkranken. Derzeit werde erforscht, wie man diese mögliche Nebenwirkung verhindern könne.

Auftrieb für die Gentherapie

Es ist das erste Mal, dass eine Behandlung von Erwachsenen per Gentherapie gelungen ist. Bislang waren von Laer zufolge lediglich Kinder mit verschiedenen Formen der angeborenen Immunschwäche SCID erfolgreich gentherapeutisch behandelt worden. Die Forscherin glaubt, dass die erfolgreiche Behandlung der CGD-Patienten der Gentherapie generell wieder Auftrieb verschaffen kann, nachdem deren Potenzial anfangs übertrieben euphorisch und dann pessimistisch bewertet worden war: "Wir kommen gerade aus dem Tief heraus."

Von Laer rechnet damit, dass sich die Gentherapie in den kommenden Jahren bei manchen Krebserkrankungen oder angeborenen Defekten wie etwa der Bluterkrankheit etablieren wird. Derzeit sind in Deutschland drei gentherapeutische Studien in Vorbereitung: Zur Behandlung von Patienten mit CGD, mit dem Wiskott-Aldrich-Syndrom sowie dem Aids-Lymphom.

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