Schweinegrippe Experte rechnet mit steigender Impflust

Die Schweinegrippe-Impfungen sind in Deutschland bislang schleppend angelaufen. Steigen die Opferzahlen werden die Vorbehalte in der Bevölkerung schnell schwinden, sagen Experten. Wie in der Ukraine.

Der Virologe Michael Pfleiderer rechnet damit, dass die Impfmüdigkeit der Deutschen bei der Schweinegrippe bald verschwinden wird. "Ich weiß, dass die Stimmung über Nacht umschlägt, sobald wie jetzt in den USA die Zahl der Schwerkranken steigt und die Krankenhausbetten knapp werden", sagte der Impfstoff-Experte vom Paul-Ehrlich-Institut der "WirtschaftsWoche". Es gebe keinen Grund für Vorbehalte: Die kritisierten Wirkungsverstärker seien erprobt und in herkömmlichen Grippe-Impfstoffen millionenfach gespritzt worden. Gegenwärtig werde "unglaublicher Blödsinn als Wahrheit" verkauft.

Die aktuelle Entwicklung könnte Pfleiderer Recht geben. Die Zahl der Schweinegrippe-Toten ist inzwischen bundesweit auf sechs gestiegen. Erstmals starb in Deutschland ein Mensch ohne bekannte Vorerkrankungen an den Folgen dieser Grippe. Die 48-jährige Frau konnte auf der Intensivstation der Universitätsklinik Bonn trotz künstlicher Beatmung nicht mehr gerettet werden. Sie hinterlässt vier Kinder und einen Ehemann. Im Saarland starb ein chronisch kranker, fünfjähriger Junge und in Augsburg ein schwerbehinderter 16-Jähriger an Schweinegrippe.

In mehreren Bundesländern mussten in der vergangenen Woche Schulen wegen der Schweinegrippe schließen. Im Süden der Bundesrepublik wurden am Wochenende mehrere Handballspiele der Regionalliga und der 2. Bundesliga abgesagt, weil einige Spieler an Schweinegrippe erkrankt sind. Es bestehe akute Ansteckungsgefahr, berichtete die Handball- Bundesliga-Vereinigung Frauen am Samstag. Das Robert Koch-Institut hat bislang mehr als 25.000 Schweinegrippefälle registriert.

Dramatischer ist die Lage in der Ukraine. Hier stieg die Zahl der Todesfälle am Samstag auf 48. Es herrscht Ausnahmezustand. Die Epidemie breite sich weiter mit rasendem Tempo aus, sagte Präsident Viktor Juschtschenko nach Angaben der Agentur Interfax am Samstag. In der Ex-Sowjetrepublik seien inzwischen rund 150.000 erkrankt. Allein im Gebiet Lwiw im Westen des Landes seien mehr als 60.000 Menschen infiziert. Der Regierung schloss landesweit alle Schulen und Kindergärten. Zudem sind Veranstaltungen mit größeren Menschenmengen, darunter Konzerte und Kinovorführungen, verboten.

Knapper Impfstoff

Die Impfaktion gegen die Schweinegrippe kommt in vielen Regionen Deutschlands auch knapp eine Woche nach Beginn nur schleppend voran. Zum einen bieten mehrere Hausärzte bewusst keine Impfungen an. Zum anderen wurde laut Stuttgarter Sozialministerium zumindest nach Baden-Württemberg deutlich weniger Impfstoff geliefert als im Juli geplant. Niedersachsen hatte wegen Lieferengpässen den Start der Schweinegrippe-Impfung um eine Woche auf kommenden Montag verschoben. Statt 900.000 Dosen Pandemrix pro Woche seien bisher in der ersten Marge 200.000 und in einer zweiten 112.000 in Baden-Württemberg angekommen. Die Situation bundesweit sei vergleichbar, sagte eine Sprecherin des Hersteller GlaxoSmithKline. Grund seien Anlaufschwierigkeiten bei der Herstellung. Vorrangig geimpft werden Klinikmitarbeiter, Polizisten, Feuerwehrleute und chronisch Kranke.

Für die verzögerte Lieferung sind nach Angaben des Herstellers Anlaufschwierigkeiten verantwortlich. "Am Anfang hat sich das Impfstoff-Saatvirus nicht so gut vermehren lassen wie erwartet", sagte die Sprecherin. Es zeichne sich ab, dass die im Juli anvisierte Zahl von bundesweit 8,3 Millionen Impfdosen monatlich vorerst deutlich unterschritten werde. Mittlerweile habe die Firma das Herstellungsverfahren optimiert: "Wir sehen eine Tendenz nach oben."

DPA
DPA

PRODUKTE & TIPPS