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Rheuma-Medikament Tödliches Vioxx

Das vom Markt genommene Rheuma-Präparat Vioxx hat vermutlich auch in Deutschland zahlreiche Todesfälle und Nebenwirkungen verursacht. Nun drohen Schadenersatzklagen gegen den Hersteller.

Das Ende September vom Markt genommene Rheumamittel Vioxx hat nach Einschätzung von Experten auch in Deutschland zahlreiche Todesfälle und dramatische Nebenwirkungen verursacht. Hochrechnungen zufolge habe das Präparat bei bis zu 2.700 Patienten zu Schlaganfällen, Thrombosen und Herzinfarkten geführt, erklärte Peter Sawicki, Leiter des neuen Instituts für Qualität im Gesundheitswesen, am Wochenende. "Ein Teil dieser Menschen wird diese gefährlichen Nebenwirkungen nicht überlebt haben." Der Hersteller wies dies als Spekulation zurück.

Berechnungen ergeben 430.000 Vioxx-Patienten in Deutschland

Man habe stets verantwortungsbewusst und im Sinne der Patienten gehandelt und Informationen zu Risiken frühzeitig weitergegeben, betonte die MSD Sharp & Dohme GmbH am Sonntag in Haar bei München. Das Medikament sei freiwillig vom Markt genommen worden. Die von Sawicki verbreiteten Opferzahlen entbehrten jeder soliden wissenschaftlichen Grundlage.

Der anerkannte Wissenschaftler hatte nach den 2003 von den Krankenkassen erstatteten 125 Millionen Tagesdosen hochgerechnet, dass es bis zu 430.000 Vioxx-Patienten in Deutschland gab. Die Fälle von Nebenwirkungen berechnete er nach eigenen Angaben bezogen auf die Langzeitstudie, die zum Rückruf der Arznei geführt hatte. Er äußerte sich in der "Bild am Sonntag" und im "Spiegel". Für die USA werde hochgerechnet, dass statistisch 27.785 Herzattacken und Herztode zwischen 1999 und 2003 mit Vioxx zusammenhängen könnten, berichten beide Blätter. Sawicki sprach von grobem Versagen von Pharmaunternehmen und Kontrollbehörden.

Unternehmen kannte die Risiken

Den Verdacht auf mögliche Herz-Kreislauf-Probleme gab es nach Darstellung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits im Jahr 2000. Damals seien die europäischen Zulassungsbehörden zu einer positiven Nutzen-Risiko-Bewertung gekommen, hätten aber zusätzliche Hinweise auf Nebenwirkungen verlangt. Der Arzneimittelexperte Wolfgang Becker-Brüser sagte der "Bild am Sonntag", Experten hätten schon lange vor der Thrombosegefahr durch Vioxx gewarnt. Das Unternehmen habe das gewusst.

MSD erklärte hingegen, der "Vorwurf der Vertuschung ist falsch". Frühere klinische Studien hätten kein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko durch Vioxx ergeben. Erst eine jetzt abgebrochene Langzeitstudie habe ein solches Risiko nach 18 oder mehr Monaten Einnahme gezeigt. Daraufhin habe MSD die Arznei sofort freiwillig zurückgezogen. Mit Vioxx machte der Hersteller nach eigenen Angaben 2003 weltweit 2,5 Milliarden Dollar Umsatz.

Cox-2-Hemmer unter Verdacht

Auch andere, ähnliche Medikamente stehen laut Experten nun im Verdacht, gravierende Nebenwirkungen zu haben. Es gehe um die gesamte Wirkstoffgruppe der so genannten Cox-2-Hemmer. "Bislang sieht es danach aus, dass nicht nur Vioxx ein Nebenwirkungsproblem hat", sagte Bruno Müller-Oerlinghausen von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft dem "Spiegel".

Der Opferanwalt Andreas Schulz macht inzwischen im Namen von Angehörigen eines verstorbenen Vioxx-Patienten Schadenersatzansprüche gegenüber MSD geltend, wie das Magazin "Focus" meldete. Im Auftrag mehrerer angeblich Vioxx-Geschädigter will sich Schulz auch einer Sammelklage in den USA anschließen.

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