Schlafstörungen Endlich wieder Ruhe finden

Millionen Menschen fürchten sich vor der nächsten Nacht. Schlafstörungen sind der Horror, der sie quält. Viele finden keine Hilfe. Dabei gibt es gute Therapien und wirksame Selbsthilfe-Möglichkeiten.

Das Bett ist für Anna Müggel (Name von der Redaktion geändert) der Ort des Grauens. Da liegt sie spätbends, die Vorhänge zugezogen, das Licht gelöscht, und lauert darauf, müde zu werden, in den Schlaf zu sinken. Doch der will nicht kommen. Sie wälzt sich von einer Seite auf die andere, wartet und wartet. Die Zeit kriecht wie eine Schnecke, Minuten werden zur Ewigkeit. Das Herz schlägt laut, Gedanken bedrücken sie, Grübeleien wuchern zu Wahnvorstellungen. Schlaf, komm, fleht sie. Doch beharrlich weigert er sich. Stunde um Stunde verstreicht, die Nacht wird zur endlosen Qual. Verzweifelt sehnt die 30-Jährige den Morgen herbei, damit das alles ein Ende hat. Um fünf in der Früh nickt sie endlich ein, für gerade mal zwei Stunden. Um sieben Uhr kriecht sie gerädert aus den Federn.

Und das geht jede Nacht so. Seit Sommer 2001 erleidet Anna Müggel die Folter, seit sie ihre Examensklausuren hinter sich gebracht hat. "Ich bin völlig fertig", sagt die Juristin, "ungeheuer schlaff, ich hatte Kreislaufzusammenbrüche, mein Immunsystem ist im Eimer, ich bekomme eine Erkältung nach der anderen. Nacken und Rücken sind total verspannt und schmerzen." Mehrmals die Woche schleppt sich die Heidelbergerin zum Physiotherapeuten, der ihr ein wenig Linderung verschafft.

Volkskrankheit Schlafstörung

Unter ähnlichen Qualen wie die junge Frau, schätzen Medizin-Statistiker, leiden fünf bis zehn Millionen Bundesbürger. Als "nicht erholsamen Schlaf" bezeichnen die Experten massive Beeinträchtigungen der Nachtruhe, die mindestens vier Wochen anhalten. Sie rauben die Lebenslust, machen arbeitsunfähig und krank - mit enormen volkswirtschaftlichen Folgen. Zur Schar der lang anhaltend Schlaflosen kommen Millionen, die zumindest gelegentlich über nächtliche Ruhelosigkeit klagen. Wie viele Menschen alles in allem betroffen sind, weiß niemand genau, manche Mediziner gehen sogar davon aus, dass fast 50 Prozent der Bevölkerung schlecht schlummern. 88 verschiedene Diagnosen nennt die "International Classification of Sleep Disorders" (ICSD), das anerkannte Register der Schlaf-Gebrechen - kaum ein Arzt kennt sie alle aus eigener Anschauung.

"Schlafstörungen sind ein gewaltiges Problem in unserer Gesellschaft, das über Jahrzehnte bagatellisiert wurde und erst jetzt in seiner Bedeutung und seinem Umfang deutlich wird", sagt Dieter Riemann, Professor für klinische Psychologie an der Uniklinik Freiburg und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.

Hilfe ist nicht flächendeckend genug

Während im vergangenen Jahrzehnt vor allem die Versorgung notorischer Schnarcher intensiv ausgebaut wurde - sie ist inzwischen eine Haupterwerbsquelle der zahlreichen deutschen Schlaflabors -, ist für das Wohl von Ein- und Durchschlafschwachen, unfreiwilligen Vielschläfern, Schlafrhythmus-Gestörten oder chronischen Albtraum-Opfern längst nicht flächendeckend gesorgt. Immerhin: Das lange übliche pauschale und großzügige Verschreiben von Schlaf- und Beruhigungsmitteln des suchtgefährlichen Benzodiazepin-Typs ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen: 348 Millionen Tagesdosen wurden 1992 verordnet, 2001 waren es nur noch 102 Millionen.

Was Gepeinigte so herbeisehnen und Gesunde als selbstverständlich erachten, ist ein physiologisches Grundbedürfnis. Obwohl Homo sapiens den Schlaf, vom Dichter Heinrich Heine als die "köstlichste Erfindung" der Natur gepriesen, seit Anbeginn seiner Existenz erlebt, ist das Abtauchen ins Schlummer-Dasein bis heute ein rätselhaftes Phänomen geblieben. Wir teilen es mit praktisch allen Geschöpfen, die ein Nervensystem haben. Pferd und Schnabeltier schlafen ebenso wie Fledermaus und Honigbiene. Das Opossum ratzt 19 Stunden täglich, die Giraffe nicht einmal zwei. Bei so manchem Vogel schläft jeweils nur eine Hirnhälfte, während die andere Acht gibt, ob ein Feind naht. Auch Delfine sind für diesen Halb-Dämmer begabt. Beim Menschen aber schläft das ganze Hirn, durchschnittlich acht Stunden täglich, bei manchem zehn, bei manchem vier.

Was ist Schlaf?

Um das geheimnisvolle Geschehen zu verstehen, haben Forscher tausendundmanche Nacht Probanden in Labors mit Elektroden beklebt, die Entrückenden mit Kabeln und Kameras überwacht und einiges über den nächtlichen Trip auf der Matratze herausgefunden.

Das Gehirn besitzt kein eigentliches Schlafzentrum, vielmehr ist dort eine ganze Reihe von Regionen an der Regelung der tageszyklischen Körperfunktionen beteiligt. Wie die innere Uhr im Detail funktioniert, ist nicht endgültig geklärt. Auch die Antwort auf die Frage, warum wir überhaupt schlafen, fehlt. Verbrauchte Energie jedenfalls, das wissen Forscher inzwischen, bringt der Schlummer nicht zurück, auch wenn wir es oft so empfinden.

Im Widerstreit der Theorien plädieren die einen dafür, die Nachtruhe sei nötig, um unser Langzeitgedächtnis zu strukturieren. Andere Wissenschaftler glauben, es gehe lediglich darum, die Balance bestimmter geladener Teilchen (Ionen), die für die Signalverarbeitung im Nervensystem wichtig sind, wiederherzustellen. Nach deren Ansicht sind Träume tatsächlich nur Schäume, zweitrangige Nebeneffekte der elektrochemischen Aufräumarbeiten, andere Spezialisten jedoch halten sie für äußerst wichtig für unser seelisches Erleben.

Individuelle Schlafzeiten

Welchen Zweck der Schlaf auch erfüllen mag, er braucht seine Zeit. Säuglinge bringen es auf 14 bis 16 Stunden täglich, Senioren oft nur noch auf sechs, inklusive Mittagsnickerchen. Vor allem in den mittleren Altersgruppen aber decken viele Menschen heutzutage nicht mehr den Mindestbedarf an nächtlicher Erholung, den ihr Körper fordert - die moderne Lebensweise treibt sie dazu.

Denn auf keinen Fall zu üppig bemessen, so heißt es, sollte die Bettruhe sein, wenn der Mensch als tüchtiges Mitglied der Gesellschaft gelten will. Wer lang in den Federn bleibt, der "stiehlt dem lieben Gott die Zeit" und ist landläufiger Meinung zufolge ein Nichtsnutz. "Penner" und "Schlafmütze" schimpft der Volksmund den Unproduktiven. Schon im 19. Jahrhundert notierte der Amerikaner Thomas Alva Edison in sein Tagebuch: Die meisten Menschen "schlafen einhundert Prozent mehr als nötig" - und erfand die elektrische Glühbirne, die die Nacht zum Tage machte. Auch der sowjetische Diktator Josef Stalin forderte das Volk immer wieder auf, mehr zu arbeiten und weniger zu schlafen. "Seht hinauf zu meinem Büro im Kreml", sagte er, "dort brennt auch mitten in der Nacht das Licht. Dort sitze ich am Schreibtisch und arbeite für unser Land."

Schlaftipps

- Nehmen Sie ab Mittag keine koffeinhaltigen Getränke mehr zu sich; wenn möglich, sollten Sie ganz darauf verzichten.
- Finger weg von Bier, Wein und Schnaps! Beim Sinken des Blut-Alkoholspiegels während des Schlafs kommt es zu einem Weckimpuls.
- Essen Sie abends keine schweren Mahlzeiten!
- Bewegen Sie sich. Ein Spaziergang oder Sex wirken schlaffördernd. Aber kein Hochleistungssport und keine anstrengende Arbeit (auch keine geistige) unmittelbar vor dem Zubettgehen!
- Ein Einschlafritual kann nützlich sein - etwa das allabendliche Ausführen des Hundes, ein warmes Bad oder das berühmte Glas Milch mit Honig.
- Einige Medikamente, etwa gewisse Appetitzügler, können den Schlaf stören. Fragen Sie den Arzt, ob Ihre Arzneimittel solche Nebenwirkungen haben.
- Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre im Schlafzimmer. Es sollte möglichst dunkel und leise, die Zimmertemperatur nach individuellem Geschmack eingestellt sein.
- Sehen Sie, wenn Sie im Bett liegen, nicht mehr auf die Uhr!

Erst recht im Zeitalter der Globalisierung gilt der Workaholic als Held - die Schlaffeinde triumphieren. 20- bis 40-jährige Deutsche, so das Ergebnis einer Umfrage des Allensbacher Institutes für Demoskopie aus diesem Jahr, erholen sich derzeit im Schnitt weniger als sechs Stunden pro Nacht. Vor allem Arbeit und die Sorge für kleine Kinder werden als Ursache angeführt. Und das ist nicht nur hierzulande so.

Katastrophaler Zustand

Ein katastrophaler Zustand, meint Stanley Coren von der British Columbia University im kanadischen Vancouver. Die verlängerten Wachzeiten, die sich die Menschen der Industrienationen auferlegen, haben nach Meinung des Psychologen schwerwiegende Folgen. Denn jemand, "der unausgeschlafen zur Arbeit geht oder Auto fährt", mahnt er, handele "genauso tadelnswert, gefährlich, ja kriminell wie die Person, die betrunken Auto fährt oder am Arbeitsplatz erscheint".

Totaler Schlafentzug über Tage, das haben Experimente mit Freiwilligen wiederholt gezeigt, verursacht massive Seh- und Konzentrationsstörungen; nach längerer Zeit kommt es zu Wahnvorstellungen. Im Tierversuch kann das Defizit sogar tödlich enden. Ratten, die drei Wochen lang am Schlummer gehindert wurden, starben. Für den Menschen kann bereits eine geringere Entbehrung schwere Konsequenzen haben. So wurde überprüft, was mit Kindern in der Schule passiert, wenn sie permanent zu wenig Nachtruhe bekommen - etwa durch zu langes Fernsehen. "Je kürzer die Schlafdauer der Jugendlichen, desto mieser werden die Leistungen und Noten", berichtet Ekkehart Paditz von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Technischen Universität Dresden. "Schon regelmäßig eine einzige Stunde zu wenig bringt nachweisbare Verschlechterungen."

Schlafmangel als Unfallursache

Bei Ärzten, Piloten, Fernfahrern und Schichtarbeitern ist mangelnde Entspannung im Bett die Ursache schwerwiegender Fehlentscheidungen. Anhand von Unfalldaten aus Kanada fand Schlafforscher Coren heraus, dass unmittelbar nach der Zeitumstellung im Frühjahr, wenn die Nacht eine Stunde kürzer ist, die Zahl der Verkehrscrashs um knapp sieben Prozent steigt. Der volkswirtschaftliche Schaden aller auf Übermüdung zurückzuführenden Unfälle ist immens. In den USA übersteigt er jährlich 50 Milliarden Dollar. Hierzulande gibt es keine solchen Erhebungen.

Wie viel Schlaf im Einzelfall sein muss, um gesellschaftliche und persönliche Katastrophen abzuwenden, kann kein Forscher beantworten. Was zählt, ist das subjektive Wohlgefühl. Auf alle Fälle sollte sich jeder, der unter "nicht erholsamem Schlaf" leidet, eingehend körperlich untersuchen lassen.

Organische Ursachen

Denn fast jede - womöglich noch unerkannte - Krankheit kann Auswirkungen auf den Schlummer haben. Besonders massiv sind Apnoen. Etwa ein Drittel aller, die im Bett keine wirkliche Erholung finden, leidet darunter; überwiegend sind es schnarchende Männer. Bei ihnen treten des Nachts Atemstillstände auf: Weil die Muskulatur im Rachenbereich erschlafft, verschließt der Sog beim Einatmen die Luftwege. Auf diese Weise kann während einer Nacht bis zu 100-mal die Atmung aussetzen. Erst wenn das Gehirn, meist zehn bis 30 Sekunden nach einem solchen Stillstand merkt, dass sich Sauerstoffmangel einstellt, bekommt der Organismus einen Befehl, die Luftröhre wieder zu öffnen. Paradoxerweise merken die Geplagten meist gar nichts davon, allenfalls die Bettpartner. Apnoiker sind tagsüber meist müde und fallen gelegentlich in einen Sekundenschlaf. Oft stellen sich zudem Herzrhythmusstörungen sowie erhöhter Blutdruck ein.

Guter Rat

Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)
c/o Hephata-Klinik
Schimmelpfengstraße 2
34613 Schwalmstadt-Treysa.
Von dort erhalten Sie gegen Einsendung eines frankierten (1,44 Euro) und adressierten DIN-A5-Rückumschlags Listen von anerkannten schlafmedizinischen Zentren, Selbsthilfegruppen und Literatur.

Ratgeber-Bücher

Tilmann Müller, Beate Paterok:
"Schlaftraining". Hogrefe Verlag 1999, 162 Seiten, 26,95 Euro

Jutta Backhaus, Dieter Riemann:
"Schlafstörungen bewältigen", Beltz Psychologie Verlags Union 2000, 120 Seiten, 18 Euro

Ebenfalls organisch bedingt, aber weitaus seltener ist die Narkolepsie. Ursache dafür ist eine Störung in einem Teil des Zwischenhirns, dem Hypothalamus. Sie bewirkt durchgehende Müdigkeit, auch am Tage. Darüber hinaus kommt es zu plötzlichen unbeherrschbaren Dösattacken - beim Friseur, im Restaurant oder am Arbeitsplatz. Strengstens verboten für Schlafsüchtige ist Autofahren. Meist dauert ein Anfall nur ein paar Minuten. Doch weil viele Mitmenschen das Leiden gar nicht kennen und dem Kranken schnell den Stempel "durchgeknallt" verpassen, haben es Narkoleptiker sehr schwer, in ihrer Umwelt Verständnis zu finden.

Im zentralen Nervensystem liegt auch die Ursache eines noch mysteriösen Schlafproblems, das Mediziner "Restless-Legs-Syndrom" nennen. Wenn es ans Einnicken geht, quält die Betroffenen ein unerträglicher Bewegungsdrang in den Gliedmaßen. Es kribbelt und juckt fürchterlich. Nur durchs Aufstehen und Umherlaufen klingen die nervösen Beschwerden ab. Also verlässt der Kranke das Bett. Doch wenn er sich dann wieder hinlegt, geht das Spiel von neuem los.

Unbekannt ist ebenfalls noch, was im Hirn des Schlafwandlers vor sich geht und dessen ungewöhnliches Verhalten auslöst. Da wird von Menschen berichtet, die sich aus dem Bett erheben und - ohne aufzuwachen - alles Mögliche anstellen. Von Hausfrauen, die Möbel abstauben, von einem Bäcker, der den Ofen anheizt, und einem Kind, das im Fluss schwimmen geht. Zwar bringt das nächtliche Umherirren, von dem der Betroffene überhaupt nichts mitbekommt, kaum Müdigkeitsprobleme für den nächsten Tag. Doch jede Menge andere Gefahren drohen. Die Verletzungsgefahr ist enorm, häufig verunglücken die Umhertapsenden. So sind schon Menschen aus Häusern gestürzt, weil sie das Fenster mit der Tür verwechselten.

Wenn die Psyche den Schlaf raubt

Zu all diesen organisch bedingten Beschwerden kommt die große Zahl der Schlafstörungen, die durch massive psychiatrische Erkrankungen entstehen. Ob Demenz oder Depression, Angsterkrankung oder Psychose - sie alle behindern das Ein- und Durchschlummern und rauben den Erkrankten das notwendige Relaxen. Und schließlich gibt es das Heer von Menschen, deren Beschwerden weder organisch noch psychiatrisch, sondern allgemein psychischer Natur sind. Und bei denen kein noch so langes Schäfchenzählen hilft.

Meist berichten die Leidenden, dass sie einfach nicht abschalten können. Während sie im Bett liegen, kreisen die Gedanken um Sorgen, die immer größer werden, und die Grübeleien finden kein Ende. Da kann es sich um die Auseinandersetzung mit dem Chef, den Ärger beim Hausbau, den Kummer mit dem Partner, den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes oder irgendeine andere seelische Belastung handeln. Manchmal sind es sogar relativ harmlose Dinge; doch sie gehen nicht aus dem Kopf und hämmern darin. Killer des nächtlichen Friedens können auch Albträume sein, die immer wiederkehren, den Eingenickten hochschrecken und nicht wieder einschlafen lassen.

Oft ist die auslösende Situation längst passé, doch das Wachliegen hat sich verselbstständigt und ist chronisch geworden. Denn wer einmal Angst vorm Nicht-Einschlafen-Können entwickelt hat und sich darin festbeißt, der läuft große Gefahr, gerade durch diese Verkrampfung das Wegdösen vollends zu verlernen.

Die eigene Seele ist der Plagegeist

Gelegentlich wird zunächst ein Sündenbock gesucht, werden der Mond, ominöse Erdstrahlen oder Elektrosmog verantwortlich gemacht. Doch irgendwann muss der Gepeinigte feststellen, dass der Terror nicht von außen, sondern von innen kommt. Die eigene Seele ist der Plagegeist.

"Die Problematik ist sehr spezifisch und kann sehr komplex sein", sagt der Freiburger Schlafexperte Dieter Riemann. "Deshalb ist unbedingt eine individuelle Behandlung nötig." Doch viele der Leidenden gehen erst gar nicht zum Arzt. Sie tun ihre nächtliche Qual als Lappalie ab oder fürchten, dass sie ohnehin nur Schlaftabletten verschrieben bekommen. "Tatsächlich nehmen wirklich viele Mediziner die Beschwerden nicht ernst", sagt der Professor, "zu wenig Ärzte und Psychologen kennen sich mit der Diagnose und Therapie von Schlafstörungen umfassend aus. Da liegt eine Menge im Argen. Es fehlt an der Aus- und Weiterbildung von Experten."

Das ist umso bedauerlicher, als in den vergangenen Jahren viele wirksame Therapien entwickelt wurden. Beispielsweise Atemmasken gegen Apnoen, die nachts getragen werden und per Überdruck die Luftwege offen halten; bei Narkolepsie und Restless Legs verschaffen Medikamente Linderung. Und bei Depressionen sind meist Antidepressiva erfolgreich.

Auch für all die anderen Schlafgestörten gibt es gute Chancen auf Heilung. Oft bringt bereits das Befolgen einiger Tipps eine Menge (siehe Kasten). Darüber hinaus warnen die Experten dringend vor Alkohol als Hilfsmittel, entzaubern die Mär vom Schlummertrunk. "Zwar erleichtert ein Drink manchmal das Einschlafen etwas, doch er verschlechtert das Durchschlafen", sagt Riemann. "Denn wenn die Alkoholwirkung in der Nacht nachlässt, gibt es im Körper einen Mini-Entzug, der einen Weckimpuls zur Folge hat."

Auch Tabletten sind mit größter Vorsicht zu genießen. "Bei langfristiger Einnahme kann Benzodiazepin wirkungslos werden und damit zu einer permanenten Dosissteigerung führen", sagt der Freiburger Experte. Für die Rückkehr zum normalen Schlaf muss man runter von den Medikamenten, langsam, aber stetig.

Knappe Bettzeiten können helfen

Bei hartnäckigen Fällen sind Entspannungs- oder Verhaltenstraining von Segen. Bestens bewährt hat sich auch die "Restriktionstherapie". Da werden den Kranken feste, zunächst relativ knappe, Bettzeiten verordnet. Nur zu diesen Phasen dürfen sie ins Bett. So soll die "Verwilderung" des biologischen Rhythmus gestoppt werden. Meist stellen sich dann die ersten Besserungen ein, auf die Therapeut und Kranker aufbauen können.

Wie jetzt auch bei Anna Müggel. Nach vielen ergebnislosen Arztbesuchen, Schlaftablettenkonsum bis zum Geht-nicht-mehr, dem Beherzigen tausend gut gemeinter Tipps von allen Seiten und wirkungslosen Musik- und Maltherapien landete die Heidelberger Juristin Ende des vergangenen Jahres in der Schlafmedizinischen Abteilung der Uniklinik Freiburg. Da sie organisch gesund war, empfahlen ihr die Experten Schlafrestriktion und körperliche Bewegung.

Mit Erfolg. Zug um Zug setzt die 30-Jährige die Medikamente ab. "Ich schlafe jetzt oft fünf bis sechs Stunden", berichtet sie überglücklich, "allerdings gibt es auch mal wieder schlechtere Nächte. Doch die vergesse ich einfach." Sogar dem Auslöser ihres Leids glaubt Anna Müggel inzwischen auf die Schliche gekommen zu sein. "Ich habe enorme Angst, im Job zu versagen. Und das hat mir vermutlich die Schlafstörungen eingebrockt", sagt sie. Nun gilt es, diesem Problem die Stirn zu bieten. Möglichst ausgeschlafen.

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Horst Güntheroth

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