In Deutschland ist erstmals ein Mensch nachweislich an der Schweinegrippe gestorben. Die Todesursache der 36-jährigen Patientin hätten Wissenschaftler in umfangreichen Tests herausgefunden, berichtete das Essener Universitätsklinikum am Donnerstag. Die Frau war bereits am 25. September einem Lungen- und Multiorganversagen erlegen. "Wir sind sehr sicher, dass H1N1 ursächlich für den Tod ist. Ohne die Infektion wäre die Patientin nicht gestorben", sagte der Ärztliche Direktor des Klinikums, Professor Gerald Holtmann.
Die Schweinegrippe habe dabei "Tür und Tor" für die Infektionen mit den anderen Keimen geöffnet. Durch die Infektion mit H1N1 sei die Immunabwehr der Patientin verschlechtert worden, erläuterte Holtmann. Letztlich hätten die Komplikationen der Viruserkrankung zum Tod der Patientin geführt. "Das war eine Kaskade von Ereignissen, die von H1N1 ausgelöst wurde", sagte der Mediziner. Das Uniklinikum Essen sieht keine Hinweise auf eine genetische Veränderung des Virus' bei der Patientin.
Derzeit sei noch völlig unklar, wo sich die aus Gelsenkirchen stammende Frau mit der Schweinegrippe angesteckt habe, so die Klinik. Weitere Infektionen im Umfeld der 36-Jährigen oder beim betreuenden Klinikpersonal seien nicht bekannt. Die zuckerkranke Frau war mit 180 Kilogramm übergewichtig und zudem starke Raucherin. Damit sei sie eine Risikopatientin gewesen, sagte Holtmann.
"Das individuelle Risiko ist nicht sehr hoch"
Die Frau war nach einer verschleppten Grippe in ein Krankenhaus gekommen und musste dort wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes künstlich beatmet werden. Wegen der besseren Behandlungsmöglichkeiten mit einer künstlichen Lunge wurde die 36-Jährige ins Essener Universitätsklinikum gebracht. Erst dort wurde neben den schweren Erregern auch das Schweinegrippe-Virus entdeckt. "Wir haben den Test auch zu unserer eigenen Sicherheit gemacht", erklärte Holtmann. Trotz einer Behandlung mit dem Grippemittel Tamiflu starb die Frau zehn Tage, nachdem sie in die Uniklinik Essen verlegt worden war. "Die Kaskade war zu diesem Zeitpunkt schon losgetreten", sagte Holtmann.
"Das, was wir jetzt gesehen haben, deckt sich mit den Erfahrungen der Kollegen aus anderen Ländern", so der Mediziner zum Verlauf der Krankheit. "Der erste Todesfall zeigt, dass das individuelle Risiko insgesamt nicht sehr hoch ist", sagte er. Typisch sei, dass in diesem Fall ein relativ junger Mensch betroffen sei, der zudem ein hohes gesundheitliches Risiko gehabt habe.
Ein gesunder Mensch habe dagegen nur ein "geringes Risiko" an H1N1 zu sterben. Das Risiko sei wahrscheinlich nicht höher als bei einer normalen Grippeinfektion, sagte Holtmann. In Deutschland hätten bereits rund 20.000 Menschen Schweinegrippe-Infektion durchgemacht. Rechne man die hohe Dunkelziffer hinzu, liege diese Zahl vermutlich bei rund 100.000, so der Mediziner.
Schutzimpfung für Risikogruppen
Trotzdem plädierte der Mediziner für Menschen aus Risikogruppen und Angehörige spezieller Berufsgruppen für eine Grippeschutzimpfung. Dies gelte sowohl für die normale Grippeschutzimpfung, als auch für die Impfungen gegen das Schweinegrippe-Virus.
Die bundesweite Impfung gegen das Virus kann frühestens am 26. Oktober anlaufen. Die Bundesländer könnten den Impfstoff voraussichtlich am 19. Oktober abholen, Transport und Verteilung auf die Gesundheitsämter und Impfärzte dauerten etwa eine Woche, hatte am Mittwoch das Thüringer Gesundheitsministerium mitgeteilt.
Bei einem fünfjährigen Jungen, der in München nach schwerer Krankheit zusätzlich auch an Schweinegrippe erkrankt war, hatten Experten das H1N1-Virus dagegen nicht für den Tod des Kindes verantwortlich gemacht. Der Junge sei an einer Lungenentzündung gestorben, hatte das Städtische Klinikum mitgeteilt.