Während Niedersachsen die Tiere in weiten Regionen wegsperren lässt, gilt das Freilaufverbot in Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen nur in der Nähe von Rastplätzen der Zugvögel. Die meisten Bundesländer sehen dagegen noch keine direkte Gefahr für Tier und Mensch durch die in Asien grassierende Grippe und haben daher noch kein Freilaufverbot angeordnet. Allerdings werden Wildvögel und Geflügel im gesamten Bundesgebiet verstärkt auf Erreger hin untersucht.
Kein Grund zur Vogelgrippe-Panik
Mediziner warnen vor übertriebenen Ängsten und Panikmache bei der Vogelgrippe. Von der in Asien grassierenden Seuche seien "primär die Vögel" betroffen, sagte Nikolaus Frühwein, der Präsident der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen am Mittwoch in München. In Südostasien lebten mehrere hundert Millionen Menschen in enger Nachbarschaft mit Vögeln, es gebe bislang jedoch nur etwa hundert Erkrankungen.
Die Vogelgrippe gebe es mindestens seit 1918, sagte Frühwein. Eine für den Menschen gefährliche weltweite Epidemie könne nur dann entstehen, wenn das Vogelgrippe-Virus H5N1 sich mit einem Influenzaerreger vermischt. "Ob es wirklich einmal eine Pandemie gibt, ist die Frage", sagte Frühwein. "Wir hätten diese Aussage, dass eine Pandemie bevorsteht, jedes Jahr seit 1918 machen können." Sollte es allerdings tatsächlich zu einer solchen Vermischung kommen, werde sich das Virus sehr schnell ausbreiten.
Sorgen bereitet den Medizinern jedoch die abnehmende Impfbereitschaft in der Bevölkerung gegen Masern, Kinderlähmung und andere einst häufige Krankheiten. "Wir hatten die letzte große Masernepidemie mit 3000 Todesfällen im Jahr 1964", sagte Heinz Reiniger vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Kinderlähmung habe noch in den fünfziger Jahren viele tausend Todesopfer gefordert. "Es ist nicht nachvollziehbar, wie man gegen Impfungen sein kann", sagte Frühwein. In Südbayern waren im Frühsommer knapp 180 Menschen an Masern erkrankt, darunter mehrere Dutzend Kinder an einer Montessori-Schule in Peißenberg. Zahlreiche Eltern lehnten Impfungen ab.
Niedersachen ist Geflügelland Nummer eins
Im Geflügelland Nummer eins, Niedersachsen, muss deutschlandweit das meiste Geflügel eingesperrt werden. Kriterien für das Freilaufverbot waren Zugvogelrouten, Rastplätze und Geflügeldichte. Über die Hälfte der Landesfläche ist betroffen. In diesen Gebieten gilt das Verbot bis zum 30. November für alle gewerblichen und privaten Geflügelhalter. Damit soll verhindert werden, dass möglicherweise infizierte Zugvögel mit Geflügel in Kontakt kommen. In Niedersachsen gibt es nach Angaben des Agrarministeriums etwa 72 Millionen Stück Federvieh. Etwa 10 Prozent leben in Freilandhaltung.
In Mecklenburg-Vorpommern muss das Geflügel nur in Gemeinden weggesperrt werden, in deren Nähe es größere Rastplätze von Zugvögeln gibt. Wie viele Tiere es betrifft, ist wegen der vielen kleinen Tierhalter unklar. In den anderen Gemeinden soll das Federvieh in geschlossenen Ställen gefüttert und getränkt werden.
Bayern sieht noch keine Gefährdung
Auch in Nordrhein-Westfalen gelten entsprechende Schutzvorschriften nur in Gebieten mit typischen Rastplätzen von Wasservögeln. Das Geflügel muss allerdings nicht zwangsläufig im Stall gehalten werden: Es reicht, die Freiluftgatter zu benetzen, wenn dadurch Wildgänse von den Tieren fern gehalten werden können. Betroffen sind Bestände von insgesamt gut 30.000 Hühnern und Gänsen.
In den übrigen Bundesländern kann Geflügel noch im Freien laufen. Ein Verbot sei in Bayern noch nicht zwingend erforderlich, sagte eine Sprecherin des Landesgesundheitsministeriums. Pläne lägen aber vor: "Wenn sich die Gefahrenlage ändert, können wir sofort reagieren." In Rheinland-Pfalz soll das ursprünglich von Mitte September an geplante Verbot der Freilandhaltung ebenfalls erst in Kraft treten, wenn akute Gefahr droht. Auch Hamburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt schätzen derzeit die Gefahr als gering ein. In Schleswig-Holstein sollen bis Jahresende zusätzlich bis zu 500 verendete Wildvögel untersucht werden.
In Brandenburg sind alle Halter angehalten, Futter und Tränken in Innenräume zu verlegen, um keine Wildvögel anzulocken. Sollte Gefahr in Verzug sein, kann das Land nach Angaben des Agrarministeriums kurzfristig reagieren.
DPA