Ständige Erreichbarkeit, lange Wege zur Arbeit, Überstunden, auch am Wochenende – viele Arbeitnehmer in Deutschland fühlen sich dadurch überlastet. Psychische Beschwerden seien häufig die Folge, berichtet das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) im Fehlzeiten-Report 2012. "Im Grunde ist es gut für die Gesundheit, wenn Beschäftigte ihre Arbeit räumlich und zeitlich an die eigenen Bedürfnisse anpassen können. Aber diese Flexibilität braucht ihre Grenzen", sagte Herausgeber Helmut Schröder.
Menschen, die Beruf und Freizeit nicht miteinander vereinbaren können, klagen über mehr als doppelt so viele Symptome wie Erschöpfung, Nicht-Abschalten-Können, Kopfschmerzen oder Niedergeschlagenheit wie der Durchschnitt. Wer häufig private Aktivitäten wegen des Jobs verschiebt, an Sonntag- und Feiertagen arbeitet oder oft Überstunden macht, hat häufiger psychische Beschwerden.
Laut der Studie erhielt etwa jeder dritte Erwerbstätige innerhalb von vier Wochen oft Anrufe oder E-Mails außerhalb der Arbeitszeit oder leistete Überstunden. Mehr als jeder Zehnte nimmt Arbeit mit nach Hause und arbeitet am Wochenende oder an Feiertagen. Fast jeder achte Beschäftigte gab an, er habe Probleme mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit. Viele haben wegen des Jobs auch schon private Aktivitäten geändert. "All diese Belastungen im Arbeitsalltag führen dazu, dass diese Beschäftigten mehr an psychischen Beschwerden leiden als diejenigen, die diesen Belastungen nicht ausgesetzt sind", erläuterte Schröder.
Pendeln kann stark belasten
Rund 40 Prozent der Berufstätigen sind laut WIdO inzwischen mobil. Sie pendeln am Wochenende, fahren täglich mindestens eine Stunde zur Arbeit oder haben ihren Wohnort aufgrund beruflicher Anforderungen gewechselt. Zwar vermeiden sie dadurch oft Arbeitslosigkeit oder nutzen Aufstiegschancen. Gleichzeitig sind sie aber auch stärker psychischen Belastungen ausgesetzt. Wer über 500 Kilometer zur Arbeit pendelt, hat laut Report zum Beispiel ein um 20 Prozent erhöhtes Risiko, deswegen erschöpft oder niedergeschlagen zu sein. Das schlägt sich in den Krankheitstagen nieder – Langstreckenpendler fehlten 2011 im Schnitt einen halben Tag länger wegen psychischer Erkrankungen als andere Beschäftigte.
Insgesamt ist die Zahl der psychischen Erkrankungen seit 1994 um 120 Prozent gestiegen. Das macht sich bei den Fehlzeiten bemerkbar: 2011 waren Beschäftigte mit einer psychischen Erkrankung im Schnitt doppelt so lange krankgeschrieben wie andere – nämlich 22,5 Tage statt 11 Tage. Nach einer Hochrechnung des WIdO fehlten 2011 mehr als 130.000 gesetzlich Versicherte wegen eines sogenannten Burnouts am Arbeitsplatz.