Das hat es in der Geschichte des renommierten PEN-Clubs noch nicht gegeben: Sechs Autoren der internationalen Literaten-Vereinigung, die vor allem auch gegründet wurde, um die Meinungsfreiheit in aller Welt zu verteidigen, haben sich gegen die Verleihung des Preises für Mut zur Meinungsfreiheit für die erste Ausgabe von "Charlie Hebdo" nach dem Attentat im Januar ausgesprochen. Unter anderem Michael Ondaatje ("Der englische Patient"), Booker-Prize-Träger Peter Carey ("Oscar und Lucinda") und Francine Prose wollen unter Protest der Preisverleihung beim alljährlichen PEN-Galadinner am kommenden Samstag fernbleiben.
Die Schriftsteller empörten sich über die in "Charlie Hebdo" veröffentlichten Darstellungen von Muslimen und "die allgemeine Entrechtung", heißt es.
Weder Bewunderung noch Respekt
Nach dem Massaker in Paris im Januar, bei dem selbsternannte Islamisten auf einer Mordtour elf Mitarbeiter des Satire-Magazins, einen Polizisten und vier Besucher eines jüdischen Supermarktes ermordeten, drückten Millionen Menschen unter dem Motto "Je Suis Charlie" ihre überwältigende, allgemeine Unterstützung für die Meinungsfreiheit aus, zu deren Symbol das Satireblatt mittlerweile geworden ist.
Doch gehen die anti-religiösen Karikaturen offenbar einigen Autoren zu weit. "Ich war schockiert, als ich von dem Preis hörte", zitiert der "Guardian" aus einem Interview mit Prose, die auch schon PEN-Präsidentin war. Sie sei für grenzenlose Meinungsfreiheit und verurteile die Anschläge, aber solch ein Preis drücke auch "Bewunderung und Respekt" für die Arbeit der Gewinner aus. Die sie offensichtlich nicht nachempfinden kann.
Die Preisverleihung ist der Höhepunkt des alljährlichen PEN-Festivals "World Voices", das künstlerische Erfolge und künstlerischen Ausdruck feiert. Ondaatje selbst war hier schon Preisträger, aber auch Salman Rushdie und Philip Roth.
Gegen das "Veto der Mörder"
PEN-Präsident Andrew Solomon reagierte auf die Entrüstung der Autoren mit der Feststellung, dass man sie wahrgenommen habe, jedoch "stark" von der "Angemessenheit" des Preises überzeugt sei. "Charlie Hebdo" habe nicht nur Muslime, sondern alle Religionen aufs Korn genommen. "Wir sind nicht der Ansicht, dass wir alle die Inhalte der 'Charlie Hebdo'-Karikaturen gutheißen müssen, um die Prinzipien zu bejahen, für die sie stehen", so Solomon.
Auf der PEN-Website heißt es außerdem: "Das 'Veto der Mörder' ist in den letzten Jahren zum globalen Phänomen geworden, besonders in den vergangenen Monaten, als wir nicht nur die Morde in Paris, sondern auch in Kopenhagen und Bangladesh gesehen haben. In Anbetracht der zunehmenden Verschärfung der gewalttätigen Intoleranz gegenüber Meinungen, die manche als beleidigend empfinden, hat der ehemalige Präsident des PEN-American-Center, Salman Rushdie, gesagt, dass er die "Satanischen Verse" zwar genauso wieder schreiben würde, dass er die Repressalien der heutigen Zeit aber wohl nicht überleben würde.
"Nur sechs Weicheier"
Rushdie selbst, der wegen einer Fatwa seit Ende der 80er Jahren unter Personenschutz stand, wurde am Montag noch etwas deutlicher. Auf Twitter machte der gefeierte Autor seinem Ärger Luft:
(Der Preis wird verliehen. PEN bleibt standhaft. Nur sechs Weicheier. Sechs Autoren auf der Suche nach ein bisschen Persönlichkeit.)
"Wenn PEN als Organisation der Meinungsfreiheit nicht Menschen verteidigen und feiern kann, die ermordet wurden, weil sie Bilder gezeichnet haben, dann hätte diese Organisation ihren Namen nicht verdient", so Rushdie zudem im "Guardian". "Was ich Peter [Carey], Michael [Oondatje] und den anderen sagen würde? Ich hoffe, ihr werdet niemals verfolgt."