"Blood Diamond" Kein Actionthriller nach dem Pornoprinzip

  • von Kathrin Buchner
Für diese Rolle hat er gute Chancen, den Oscar zu gewinnen: In "Blood Diamond" spielt Leonardo DiCaprio den zynischen Söldner Danny Archer, der mit dem Handel von "Blutdiamanten" das große Geld machen will.

Sie gelten als das gute Gewissen Hollywoods: George Clooney, der gegen Bush wettert und in "Syriana" die Machenschaft der Ölkartelle seziert, Brad Pitt, der Globalisierungsfilme wie "Babel" dreht und Kinder aus Afrika adoptiert, und Leonardo DiCaprio, der sich für Sprit-sparende Autos stark macht. In seiner jüngsten Rolle als Schmuggler und Söldner in Afrika hat er der Diamantenindustrie einen Schock mitten im Weihnachtsgeschäft bereitet.

Ausgerechnet in der Adventszeit lief "Blood Diamond" in Amerika an. Ein Actionthriller, der den skrupellosen Handel mit Rohdiamanten thematisiert, Edelsteine, die wie keine anderen ewige Treue und Liebe symbolisieren. Ein Stoff, aus dem (Alb-)träume sind: "Blutdiamanten" werden von Zwangsarbeitern, darunter viele Minderjährige, geschürft, Warlords schmuggeln sie dann über die Grenze und tauschen sie gegen Waffen, um Krieg in afrikanischen Krisenregionen zu finanzieren. In ganzseitigen Zeitungsannoncen betonte der Verband der Diamantindustrie, dass dank internationaler Kontrollen solche "Konfliktdiamanten" nicht mehr im Umlauf seien. Und außerdem sei der Bürgerkrieg im westafrikanischen Staat Sierra Leone mittlerweile beendet.

DiCaprio in bester Humphrey-Bogart-Manier

Dort nämlich spielt "Blood Diamond" während der 90er Jahre. Leonardo DiCaprio spielt den Danny Archer als knallharten Einzelgänger in bester Humphrey-Bogart-Traditon, selbstzerstörerisch, kettenrauchend, aufs eigene Überleben konzentriert. Während eines kurzen Gefängnisaufenthaltes erfährt er, dass ein schwarzer Mithäftling, der Fischer Solomon Vandy (Djimon Hounsou), einen Hundertkaräter in bester Rosa-Färbung versteckt hält. Mit gierigen Glitzern in den Augen und der Hilfe seiner Kontakte befreit Archer den Fischer aus dem Gefängnis. Vaudy ist leicht erpressbar: Er will seinen Sohn finden, der von Rebellen gekapert wurde und zur Killermaschine gedrillt wird.

Kinder, die zu Killermaschinen gedrillt werden

Nicht nur Blutdiamanten, auch das Thema Kindersoldaten baut Regisseur Edward Zwick (sein Bürgerkriegsdrama "Glory" wurde 1989 für den Oscar nominiert) in "Blood Diamond" ein. Und es sind krasse Bilder, die er zeigt: Jungs, die gerade in der Pubertät sind, in Trainingscamps leben, HipHop hören, Pornos im Netz gucken, sich cool vorkommen und mit Schlägen der Ausbilder einer Gehirnwäsche unterzogen werden. Mit präzisem Schuss ballern sie auf alles, was ihnen vor das Maschinengewehr kommt.

Gewaltszenen ohne Selbstzweck

Auch wenn der Film teils in einer Gewaltorgie geradezu explodiert - Kugeln durchlöchern sekundenlang zuckende Körper, Leichenteile fliegen durch die Straßen, es fließt literweise Blut, Dorfbewohner werden in ihren Hütten massakriert - "Blood Diamond" ist keiner dieser Actionfilme, die wie Pornos funktionieren: Die Handlung dient lediglich als Vorwand, um möglichst viel Ballerszenen unterzubringen. Hier sind sie ein Manifest des Mitgefühls, denn nur in ihrer grenzenlosen Grausamkeit rütteln sie auf. Schließlich wurde dieser Krieg nicht in den Studios von Hollywood erfunden, sondern in den Dörfer der Sierra Leone ausgefochten.

Adrenalinkick und versteckte Gefühle

Erholsam sind die Szenen, in denen Regisseur Zwick den theoretischen Überbau bietet, geschickt eingebaut in Person der Journalistin Maggie Bowen, von Jennifer Connelly überzeugend mit einer Mischung aus Humanismus und Abenteuerlust dargestellt. Sie wiederum benutzt Danny Archer, um an Informationen für ihre Geschichte zu kommen. In ihren Gesprächen lassen beide Stück für Stück die Hosen runter, Maggie, die statt reinem Gutmenschentum auch den Adrenalinkick eingesteht, Danny, der hinter der rauen Fassade Gefühle durchblicken lässt. Dazwischen ein gequälter Djimon Hounsou, der das Leiden eines ganzen Kontinents, aber auch seine Kompromisslosigkeit verkörpert.

Schön ambivalent ohne Schwarzweißmalerei ist "Blood Diamond" großes Abenteuer-Kino, hochbrisant, vielschichtiges und politisch engagiert, wenn auch phasenweise ein wenig lang. So viel sei verraten: Der Film hat kein rühriges, doch zumindest ein versöhnliches Ende. Und Leonardo DiCaprios zukünftige Freundin kann sicher sein: Einen Diamantring wird sie von ihm nie bekommen.

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