Doku "Gerhard Richter Painting" Mit dem Meister im Atelier

Er ist der größte lebende deutsche Maler: Gerhard Richter. Corinna Belz hat den Meister über Monate begleitet. Heraus kam ein Film, der bei Fans der Malerei das Herz höher schlagen lässt.

Eine Kamera in seinem Atelier, ob das die richtige Entscheidung war? Gerhard Richter scheint sich nicht ganz sicher zu sein. "Ich laufe anders, wenn die Kamera läuft", sagt er. Dass Deutschlands berühmter Maler sich überhaupt darauf eingelassen hat, sich bei seiner Arbeit filmisch begleiten lässt, ist Corinna Belz zu verdanken. Die Regisseurin hat sich das Vertrauen des Künstlers erarbeitet, als dieser 2006 ein Fenster für den Kölner Dom gestaltete und sie seine Arbeit für Arte dokumentiert hat. Doch für "Gerhard Richter Painting" geht es nun einen Schritt weiter, hinein ins Atelier, um ihm bei Malen zuzusehen.

Wie entsteht ein Bild von Gerhard Richter? Eine Antwort auf diese Frage zu finden, fällt dem Künstler nicht leicht, denn der Prozess ist schwierig. Und ob ein Bild fertig ist, weiß auch Richter erst nach einer ganzen Weile, denn manche Werke "halten nicht lange". Aus diesem Grund muss jedes Bild zwei Phasen durchlaufen: die Schaffenszeit im Atelier in Köln-Hahnwald und eine gewisse "Hängezeit" in Richters zweitem Atelier in der Kölner Innenstadt. Wenn die Arbeiten dort nebeneinander hängen, ändert sich Richters Blick. "Jedes Bild ist der Todfeind des anderen", zitiert er Adorno.

Von April bis September 2009 begleitet Belz den Künstler, der Ausstellungen in New York, London und Köln vorbereiten muss. Doch noch sind nicht alle Bilder fertig, zwei sogenannte Abstrakten müssen geschaffen werden - die die Kamera von der weißen Leinwand bis zum Resultat begleiten kann. Zwei Mittelformate sollen es werden, mit der Rakel gearbeitet. Eigentlich ist dieses Arbeitsgerät ein schweres Holzbrett im rechten Winkel, auf das die Ölfarbe aufgetragen wird. Doch seine Assistenten haben für Richter ein leichteres Modell aus Plexiglas entwickelt. Doch nicht nur aus diesem Grund wirkt es wie ein Wunder, mit welcher Leichtigkeit der 79-Jährige mit dem fast zwei Meter langen Werkzeug hantiert.

"Die machen, was sie wollen"

Anfangs wirkt der Meister nicht zufrieden. "Die machen, was sie wollen", sagt er über seine Werke, die für ihn ein Eigenleben zu haben scheinen. Und wenn das, was die Bilder machen, nicht mit Richters innerem Auge harmoniert, wird die nächste Schicht sehr großflächig auf die vorherige aufgetragen. Und überdeckt nahezu alles, was vorher war. So sehr Gerhard Richter von den Kontrasten eines antiken Torsos schwärmen kann - die Kontraste der weichen Rundungen und der fehlenden Arme und Beine faszinieren ihn-, so wenig Bestand hat das unfertige eigene Werk vor seinen Augen. Und wenn gerade gar nichts läuft, nervt auch die Kamera: "Mit dem Malen und der Beobachtung, das ist das Schlimmste, was es gibt!", schimpft er dann.

Schon das Ausstellen der fertigen Bilder hat für Gerhard Richter immer etwas "zwischen ertappt und gesehen werden". Dem als medienscheu bekannten Künstler dennoch bei der Arbeit über die Schulter sehen zu können, zu erleben, wie seine Bilder seinem kritischen Blick standhalten müssen, schafft eine intime Atmosphäre, die diese Dokumentation auszeichnet. Der Kinogänger ringt mit, wenn Richter mit sich ringt. Mit seinem Farbauftrag hadert. Nach Worten sucht, um zu formulieren, wann ein Bild fertig ist.

Einblick ins Schaffen und Präsentieren

Darüber hinaus mitzuerleben, wie der gesamte Apparat um einen so großen Maler herum funktioniert, gewährt dem Zuschauer aufregende Einblicke in den Kunstbetrieb. Die Sorgfalt, mit der das Hängen der Bilder mit daumennagelgroßen Verkleinerungen in Museumsmodellen vorbereitet wird. Wie über das optimale Licht nachgedacht wird, das, so Richter im Museum Ludwig, "am besten so kalt sein soll, dass der Besucher froh ist, wenn er wieder rausgehen kann".

Nach all der schweren Arbeit, die die Kunst dem Mann, der im Februar 2012 seinen 80. Geburtstag feiert, körperlich und geistig abverlangt hat, kommt Gerhard Richter zu einem Resümee, das man ihm nicht ohne weiteres ansehen konnte. Und das jeden, der das nicht über seine Arbeit sagen kann, wie einen Schock treffen muss. Gerhard Richters letzter Satz in Corinna Belz' Werk fällt, während er rakelt und lautet: "Das macht Spaß!"

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