Die Netflix-Serie "Inventing Anna“ verfilmt die wahre Geschichte von Anna Sorokin, gespielt von Julia Garner. Sie stellte sich in New York als Anna Delvey vor und schlich sich so in die High Society ein. Allen erzählt sie, sie sei eine reiche Erbin mit beträchtlichem Vermögen im Hintergrund. Auf ihren angeblich vorhandenen Treuhandfonds habe sie allerdings noch keinen Zugriff, da sie noch zu jung sei. Es ist eine Geschichte über Schein und Sein, über Social Media und falsche Freundschaften. Eine beliebte Ausrede von Anna Sorokin, wenn ihre Kreditkarte gerade wieder mal nicht funktioniert: Es liege nicht an ihr, das Kartenlesegerät sei kaputt. Schuld sind natürlich immer die anderen.
"Inventing Anna": Neu auf Netflix
"Grey's Anatomy"-Produzentin Shonda Rhimes verfilmte die Geschichte, die in drei Sätzen zusammengefasst werden kann, in neun Folgen. Alle dauern zwischen 60 und 90 Minuten. Nachdem man die erste Folge geschafft hat, wird es zunächst interessanter. Doch in der ersten Folge sieht man der Journalistin Vivian Kent dabei zu, wie sie Anna Sorokin dazu bringen will, ihr ein Interview zu geben.

Im Laufe der Serie kann man sie dabei beobachten, wie sie immer wieder die Grenzen der journalistischen Unabhängigkeit überschreitet, wie sie die angebrachte, professionelle Distanz zu Anna Sorokin verliert. Ihre Mimik ist oft übertrieben und sie wirkt leicht hysterisch. So braucht sie diese Geschichte dazu, um einen früheren Fehler ihrer Karriere wieder auszubügeln. Dazu kommt, dass sie während der Recherchen hochschwanger ist. In mehreren Szenen liegt sie mit Wehen vor ihren Gesprächspartnern und es wirkt einfach nur skurril. Klischeebehaftet ist leider auch die Darstellung ihrer Schwangerschaft und der Geburt. Wie in Filmen und Serien üblich, beginnt sie mit einem dramatischen Platzen der Fruchtblase. Auch wenn das in der Realität eher seltener vorkommt.
Grenzwertige Darstellung
Streitbar ist auch die Darstellung der Anna Sorokin. Grenzwertig ist etwa, dass es Szenen gibt, in denen nur ihre Outfits zu sehen sind und gesagt wird, von welcher Marke sie sind. Auf einem Instagram-Account wird später die Kleidung gezeigt, welche sie vor Gericht getragen hat. Die zweite Episode heißt: "The devil wore Anna". Das kann als direkte Anspielung auf den Film "The Devil wears Prada" verstanden werden. Dort geht es um eine aufstrebende Journalistin in der Modewelt.
Eine Dokumentation wäre passender gewesen als eine Serie
Der Grundtenor in "Inventing Anna" scheint feministisch zu sein. Eine junge Frau schafft es, namhafte Bankiers und Kreative zu narren und gratis für sich arbeiten zu lassen. Statt einzuordnen, wie verwerflich ihr Handeln ist, sollen die Zuschauenden sie dafür bewundern, dass sie es überhaupt geschafft hat, in dieser Männer-dominierten Finanzwelt gehört zu werden. Dabei geht es um schweren Finanzbetrug.
Es ist ein Thema, dem eine realistische Einordnung in einem seriösen Setting wie etwa einer Dokumentation, gut getan hätte. Stattdessen wirkt es wie eine Mischung aus Gossip Girl und anderen New-York-Serien. Die meisten Folgen sind so belanglos, dass man sie gefahrlos im Hintergrund laufen lassen kann, und nebenbei saugen oder Abendessen kochen kann. Man verpasst nicht wirklich etwas. Fraglich ist, warum eine renommierte Produzentin wie Shonda Rhimes so eine PR-Serie für Anna Sorokin kreiert. Und man muss es als PR bezeichnen, denn Aufmerksamkeit oder wie sie es sagt: Fame ist anscheinend das einzige, das Anna Sorokin bei der ganzen Sache je wollte. Bekommen hat sie die nun. Leider. Mit Netflix als Plattform und einer Gage von angeblich 320.000 US-Dollar scheint sich die Hochstapelei fast für sie gelohnt zu haben.