
Schon vor Napoleons Russland-Feldzug bekämpften deutsche Romantiker den Universalismus der Aufklärung. Das heil sah man nun in der Volksseele, in der nationalen Kultur und den eigenen Mythen - die sich von denen anderer Nationen unterschieden. Nach 1812 und dem Scheitern der Französischen Revolution suchten auch russische Schriftsteller nach einem originären russischen Geist. Autoren wie Nikolai Gogol sahen im Westen Materialismus und Individualismus auf vorherrschend. Im Gegensatz dazu beschrieben sie die russische Seele als von christlicher Nächstenliebe geprägt. In seinem unvollendet gebliebenen Meisterwerk "Die toten Seelen" kritisiert Gogol das nach-napoleonische Russland, das seiner Auffassung nach noch stark materialistisch geprägt war. Der umtriebige Pawel Tschitschikow kauft Großgrundbesitzern ihre verstorbenen Leibeigenen - ihre toten Seelen - ab, für die sie aufgrund der Absurdität des russischen Systems noch immer Steuern entrichten müssen. Seine toten Seelen verpfändet er wiederum gewinnbringend zurück an den Zaren. Eine herrliche Satire, die eine Idee vermittelt, was Gogol der europäischen Kultur entgegensetzen möchte.
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