Der Name Bai Ling beglückt den Deutschen an sich mit zweierlei Assoziationen: Er denkt, erstens, an ein Paar oft und gerne gezeigte Brüste. Und, zweitens, an einen Sketch von Gerhard Polt. "2785 Mark und a bisserl was, ab Bangkok Airport", hatte Polts Figur Grundwürmer für seine legendäre thailändische Katalogfrau Mai Ling dereinst gezahlt. "Sag einmal schön Grüß Gott, Mai Ling!"
Beim Namen hören die Ähnlichkeiten zwischen der Polt'schen Fiktion und der Ling'schen Realität aber auch schon auf. Denn für die Chinesin ist Sex nicht der letzte Ausweg, nicht Unterwerfung. Im Gegenteil. Bai Ling zelebriert ihren Körper, stilisiert sich als erotischen Man-Eater, als Männer und Frauen verschlingender Vamp. Ihren Körper stellt sie offen und herausfordernd zur Schau: Sex ist Macht. Was schert es Bai Ling schon, dass sie eher Abklatsch ist als Original, ein Imitat der Madonnas und Sharon Stones dieser Welt?
"Sex ist besser als jede Droge"
Sicher, Bai Ling, 36, hat auch Filme gemacht. Viele. "The Crow" etwa, "Wild, Wild West", "Dumplings" oder Spike Lees "She hate me." Sicher, in China ist sie ein Star. Heißt es. Und sicher: Vor zwei Jahren war sie Mitglied jener Jury, die auf der Berlinale den Goldenen Bären vergibt. Aber berühmt haben Bai Ling nicht ihre Filme gemacht. Berühmt wurde die zierliche Chinesin, weil sie auf spärliche Kleidung steht - "Berlin-Nackte" wurde sie genannt, als sie freizügig durchs kalte Berlin stöckelte. Berühmt wurde sie, weil sie sich für den "Playboy" auszog. Dazu pflegt sie gerne das Image der Verruchten. Sie habe mindestens 50 Liebhaber gehabt, verriet sie der "Bild" 2005. Mittlerweile ist sie, natürlich, auch bi. Und "News of the World" sagte sie: "Ich verführe jeden. Ich liebe es, nackt zu sein. Sex ist einfach das Größte, besser als jede Droge." Na bravo.
Nun ist also wieder Berlinale, und Bai Ling ist zurück. Als Foto-Objekt. Nicht für den "Playboy", sondern für Udo Spreitzenbarth, den Fotografen. Sie ist jetzt Kunst, gerne auch textilfrei. "8 Spirits" heißt das Ensemble aus 25 Fotos, die Ausstellung, die sie bis Ende März in Berlin zeigt. Für schlappe 18.500 Euro pro Foto können Sie sich Bai Ling ins Wohnzimmer hängen. Mal scharz-weiß, mal farbig. Vor dem Reichstag, vor dem Brandenburger Tor, in der Wüste, oder, das ist truly apart, vor einem Porträt von Wilhelm Zwo. Mal gibt sie sich züchtig, mal in Rüschen, mal im Slip. Häufig oben ohne. Chinese beauty, old European style. Das ist nicht billig. Das ist klar.
Ein "teuflisch-köstlicher" Slip
Wobei. Rauschend-funkelnd, verrucht-wild war die Vernissage, auf der es Fotos und Modell am Mittwochabend zu besichtigen gab, beileibe nicht. Eher bieder, was auch an der Umgebung liegen mag. Denn Bai Lings Fotos hängen nicht etwa in einer hippen Galerie, nicht in einer schlüpfrigen, rotlichtigen Umgebung, sondern, brav in der ersten Etage eines Business-Hotels in Berlin-Mitte, dort, wo man sonst eher die typischen weich gezeichneten Blumenbilder vermuten würde. Der Teppichboden ist praktisch grau-grün, der angrenzende Konferenzsaal heißt "Willy Brandt."
Aber was soll's? Bai Lings Körper wird nun manch geschniegeltem Gast aus dem mittleren Management eines deutschen Groß- oder Kleinkonzerns den morgendlichen Weg vom Zimmer in die Frühstücks-Landschaft versüßen, zumindest bis zum 20. März. Vielleicht bleibt das Managerlein dann kurz vor dem Foto "Car Service IV" stehen. Es zeigt die Chinesin, wie sie sich aufreizend auf der ledernen Rückbank einer Limousine räkelt, nur mit einem schwarz-pinken Slip bekleidet. Sie bietet sich an. Vielleicht rückt der Mann dann ein Stück näher, lugt Bai Ling verschämt in den Schritt, und versucht, den Schriftzug auf dem Slip zu entziffern. "Devilicious" steht da drauf. "Teuflisch-köstlich". Gleich gibt's Kaffee und Rühreier.
Bai Ling selbst, so scheint es, juckt das Ambiente kaum. Bei der Vernissage ist sie zauberhaft. Offen, freundlich. Sie trägt etwas kleines Schwarzes, mit Pailetten besetzt. Die Promi-Dichte ist null, gekommen ist das mittlere Management. Auch das stört Bai Ling nicht. Sie winkt in die einzige Fernseh-Kamera, posiert vor den Fotos, zeigt brav-provokant auf ihre abgebildeten Brüste und lässt sich von den Vernissage-Gäste fotografieren, mit Digi-Cams und Handys. Wie von Touristen. Bai Ling, der gezähmte Vamp, auf einer deutschen Betriebsfeier.
"Wir kommen alle von verschiedenen Planeten"
Was das denn auf sich habe mit den "8 Spirits", den acht Geistern, fragen wir sie. Es handele sich um Facetten ihrer Persönlichkeit, erklärt Bai Ling mit ruhiger Stimme. Um ihre Stimmungen, um "acht kleine Mädchen in Mini-Röcken." Mal sexy, mal schüchtern, mal weise, mal sarkastisch. Und so weiter. Es gehe hier in der Sache auch um etwas anderes als bei den "Playboy"-Fotos. "Der Sinn des 'Playboy' besteht darin, dass Männer Fantasien haben, Träume, sie sexuell anzuziehen. Mit diesen Bildern ist das anders. Sie halten eher private Momente fest", sagt Bai Ling.
Einblicke in die Psyche des deutschen Kaisers
Privat sei sie, erzählt Bai Ling, in ihrem vorherigen Leben ein wildes Tier gewesen. Dessen Gefühle würden nun auch wieder dargestellt, etwa, wenn sie nackt in der heißen Wüste sitzt. Überhaupt das mit den anderen, vorherigen und weit entfernten Welten ist für das Modell ein großes Thema. "Wir kommen wahrscheinlich alle von verschiedenen, fremden Planeten", sagt sie. "Und wir wissen es gar nicht. Und wir haben alle eine Mission: Wir sind hier, um Spaß zu haben für diese kurze Zeit, in der wir auf der Erde sind." Vor allem unsere Körper, sagt sie, seien ein Geschenk, auf das wir stolz sein müssten - auch wenn das nicht immer einfach sei. "Ich kann meinen Eltern vieles von dem, was ich mache, nicht erzählen", gesteht sie. "Aber ich selbst habe die inneren Widerstände überwunden und bin stolz darauf. Ich komme in höhere, gefährlichere, aber auch schönere Ebenen vor."
Interessantes hat Bai Ling übrigens auch zum deutschen Kaiser zu sagen. "Ich kenne Wilhelm II. nicht", erläutert sie. "Aber auf dem Bild scheint es, als habe er Angst vor mir, weil ich sein tiefes Geheimnis erblicke und versuche, ihn zu öffnen, etwas Sonnenlicht in ihn scheinen zu lassen." Man wünscht sich in diesem Moment, dass sie einmal wirklich aufeinander getroffen wären, der verklemmte Wilhelm Zwo und die schöne Chinesin.
"Verständig, flexibel und anschmiegsam"
Richtig amüsiert haben wir uns auf der Vernissage trotzdem nicht. Das kam erst später. Erst als wir wieder zu Hause waren, haben wir uns noch einmal Polts Mai-Ling-Sketch angehört. Wir haben Tränen gelacht. "Sie ist auch ausgesprochen sauber. Sie schmutzt nicht", beschreibt Grundwürmer seinen asiatischen Einkauf mit bayerisch-knarzender Stimme. "Wie der Asiate an und für sich nicht schmutzt." Und: "Sie ist auch ausgesprochen verständig, flexibel und anschmiegsam. Überhaupt's, das Schlafzimmer. Das sind sie ja berühmt, die Asiatinnen. Da könnten's Deutsche sein."
Was für ein grandioses Schwein.