Größtes Museumsareal der Welt Die Scheichs werfen Geld in die Kunstwelt

Gigantische Kunstwelten entstehen im Nahen Osten: Scheich Sultan aus Abu Dhabi plant ein Museumsareal auf 27 Quadratkilometern. Es soll das größte Kulturzentrum der Welt werden, erbaut von Architektenstars wie Frank Gehry. In Berlin wurde das Projekt vorgestellt.

Scheich Sultan aus Abu Dhabi hat ins Adlon geladen. Da kann man nicht nein sagen. Scheich Sultan ist nämlich der oberste Kulturscheich, und er hat Großes vor mit Abu Dhabi. 9,2 Prozent der Weltölreserven besitzt das arabische Emirat. Und jede Menge Geld. Deshalb drückt sich nun die Berliner Kulturelite im Luxushotel herum, knabbert Nüsschen und trinkt geminztes Limonenwasser. Keinen Alkohol natürlich, man ist ja schließlich bei Muslimen.

Auch aus Dresden, München und Chemnitz ist man angereist, um ganz nah dran zu sein am Ungeheuerlichen, Unfassbaren, das Abu Dhabi plant: eine Kulturinsel für 27 Milliarden Euro, manche munkeln sogar von 60 Milliarden, alles nur vom Feinsten, beste Architektur, erlesenste Kunstwerke, die aus aller Welt zusammengeliehen werden sollen. Leider stellt sich heraus, dass der Scheich nicht gekommen ist, sondern nur seinen Vize-Kulturchef und seinen Tourismusdirektor geschickt hat. Beide lassen sich mit "Seine Exzellenz" ansprechen, tragen aber zur Enttäuschung des Publikums dunklen Anzug statt Burnus. Sie bitten in den Palaissaal mit acht immensen Kronleuchtern und dicken, sandfarbenen Teppichen. Und dann geht es los. Romantisch-arabische Klänge, ein Sonnenuntergang, Kamele, Sand, Bagger: man präsentiert die Kulturinsel Saadiyat Island, auf deutsch "Insel des Glücks".

Star-Architekt Frank Gehry ist dabei

Vier Museen und ein Musiktheater sollen vor der Küste von Abu Dhabi entstehen, jedes von einem andern Architektenstar entworfen. Auf 27 Quadratkilometern soll in nur zehn Jahren das größte Kulturzentrum der Welt entstehen. Ströme von Touristen, so hofft man, werden es dem Emirat danken. Als erstes ergriff das expansionsfreudige Guggenheim Museum die Chance zum Mitmachen. Architekt Frank Gehry entwarf für Abu Dhabi in bewährter Manier ein Gebäude, das aussieht wie ein Haufen elegant hingeworfener Bauklötzchen.

Ex-Guggenheim-Chef Tom Krens, gerade nicht ganz freiwillig von seinem Amt zurück getreten, sitzt im Adlon in der ersten Reihe und nimmt die Honneurs entgegen. Für das Abu Dhabi-Projekt ist er weiterhin zuständig, und wer weiß, ob da nicht bald ein Direktorenposten zu vergeben ist. Viele Dependancen hat Krens schon eingeweiht: in Bilbao, in Las Vegas. Aber dies hier wird das größte Guggenheim Museum der Welt mit 42.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. 20 Jahre will man zusammen arbeiten, Kunst und Personal austauschen. Und Geld natürlich, keine Frage. Sehr viel Geld.

Louvre, Guggenheim – die Scheichs holen sich Schätze aus Europa

Auch der Louvre macht mit beim Abu Dhabi Projekt. Vom Architekten Jean Nouvel ließ man sich ein elegantes Haus entwerfen, das wie eine riesige Schüssel aussieht. Unter dem gewölbten Dach, das auf raffinierte Weise das Sonnenlicht filtert, sollen auf 24.000 Quadratmetern Schätze aus dem Louvre zu sehen sein. Dafür bekommt Paris eine fette Leihgebühr. Die Rede ist mal von 60, mal von 700 Millionen. Genaues will keiner sagen. Sicher ist nur: die Museumsleute aus Europa und den USA sollen den Scheichs auch zeigen, wie man eine Sammlung aufbaut und ein Museum führt. Das Performing Arts Center mit Musikhalle, Konzerthaus, Oper, Schauspielhaus und Mehrzweckhalle entwarf die Irakerin Zaha Hadid: ein weiches, kurvenreiches Gebilde. Um das Maritim-Museum kümmert sich der Japaner Tadao Ando. Das "Scheich Zayed National Museum" baut Lord Norman Foster. Damit sind so ziemlich alle großen Namen der Architektur in Abu Dhabi versammelt und werden die Scheich-Konkurrenten in Dubai vor Neid erblassen lassen. Dazu kommen Luxushotels, Yachthäfen, Wohnungen, zwei Golfplätze. 150.000 Menschen sollen bald auf der Insel des Glücks wohnen. Sehr, sehr wohlhabende Menschen natürlich. Auch die Deutschen Museumsdirektoren, Philharmoniechefs und Theaterleiter haben längst lange Ohren bekommen. Klaus Peter Schuster, Martin Roth und Reinhold Baumstark, die drei Generaldirektoren des Berliner, Dresdener und Münchner Museen, sind ins Adlon gekommen. Wie brave Buben sitzen sie mit begehrlichen Gesichtern in der ersten Reihe und hoffen, dass auch sie bald ein paar Kunstwerke an den Arabischen Golf schicken dürfen. Einen Antrittsbesuch in Abu Dhabi haben sie schon gemacht, die Verhandlungen laufen. Warum auch nicht. Schließlich sind die Depots voll, man kann sowieso nicht alles zu Hause zeigen. Und ein bisschen Scheich-Geld kann doch jeder gut gebrauchen.

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