Barcelona braucht eine Pause. Eine Pause vom Tourismus, von Airbnb-Vermietungen, die ganze Stadtteile gentrifizieren, und von all dem Rummel, der damit verbunden ist. Die Stadt muss sich erholen und vor allem auch ihre Bewohner. Wer einen Besuch in der katalanischen Hauptstadt geplant hat, um sich die Bauwerke von Antoni Gaudí anzusehen, muss aber nicht traurig sein. In diesem Jahr hat der Taschen Verlag einen Bildband herausgebracht, der auf 300 Seiten wahrscheinlich mehr von Gaudís Architektur zeigt, als man als Fußgänger in der Stadt je zu sehen bekäme.
In der Reihe "Das vollständige Werk" widmet sich Rainer Zerbst sämtlichen Gebäuden des Mannes, dessen letztes Großprojekt noch immer nicht vollendet ist: Der Bau des Temple Expiatori de la Sagrada Familia, den meisten Menschen nur unter den letzten beiden Worten bekannt, der im Jahr 1883 begonnen wurde, soll 2026 abgeschlossen werden – zu Gaudís 100. Todestag.
Bunt, verspielt und unfassbar schön
Zerbst strukturiert den schweren Bildband nach der Bauzeit und dem Ort der Objekte. Gaudí, der von 1852 bis 1926 gelebt hat, begann 1878 mit der Casa Vicens in Barcelona, dem Ort, an dem er mit 17 Jahren sein Architekturstudium begann und wo die meisten seiner Werke zu finden sind. "Für den Direktor des Architekturseminars bestand am Ende kein Zweifel daran, dass man mit dem Examen entweder ein Genie oder einen Verrückten habe bestehen lassen – ein Urteil, dem Gaudí in seiner Laufbahn nicht nur einmal begegnete", schreibt der Autor.
Die offizielle Anerkennung seiner Arbeit blieb Gaudí sein Leben lang versagt. Lediglich ein Mal beauftragte ihn die Stadt Barcelona – mit der Gestaltung einer Straßenlaterne, die tatsächlich angefertigt und auch von der Presse und der Bevölkerung gewürdigt wurde. Den Auftrag für sein Lebenswerk, die Sagrada Familia, erhielt er allerdings schon, als seine ersten Gebäude noch gar nicht vollendet waren – weil der ursprüngliche Architekt sich mit den Auftraggebern überworfen hatte.
Spannend schildert Zerbst das Leben von Gaudí, dessen zahlreiche auffällige Bauwerke das Erscheinungsbild von Barcelona prägen: bunt, verspielt und unfassbar schön. Allein für seinen größten Mäzen, den katalanischen Unternehmer und Politiker Graf von Güell, entwarf und baute er einen Palacio, eine Bodega, eine Krypta und einen ganzen Park. Der Bildband mit brandneuen Fotos und historischen Aufnahmen steigert die Vorfreude auf einen Spanien-Besuch – und wählt man eine nicht so überlaufene Reisezeit, darf man natürlich auch nach Barcelona.