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M. Beisenherz - Sorry, ich bin privat hier #Thomallagate oder Chronik eines angekündigten Shitstorms

Es gibt Ideen, die gehen voll auf. Und hinterlassen einen doch mit einem schalen Gefühl. Unser Kolumnist Micky Beisenherz hatte eine vermeintlich tolle Idee, die so gut funktioniert hat, dass er dann doch irgendwie schlecht pennen konnte. Wenngleich die Shitstorm-Karawane bereits weiter gezogen ist - an dieser Stelle ein Bericht aus dem Auge des Fäkal- Hurricanes.
Eine Kolumne von Micky Beisenherz

Zugegeben, ich habe schon besser gepennt. Dabei ist das, was passiert ist, doch eigentlich genau das, was wir wollten. Und irgendwie auch nicht. Was war eigentlich los? Ich mache mich jetzt mal zur Antonia Rhados meines Gefühlskrisengebietes.

Also, da ist diese Talkshow, die ich in wenigen Tagen "pilotiere" (nicht zur Ausstrahlung gedacht). Super Gäste, gute Themen. Und zur Auflockerung ein Einspieler: Der Post-Raub ("Post" englisch ausgesprochen, Sie wissen schon, social media und so, hihi). Das ist im Grunde genommen das, was Joko und Klaas einigen Zeit unter dem Begriff "Shitstorm- Roulette" sehr erfolgreich betreiben. Nur ne Spur härter.

Und wer wäre dafür besser geeignet, als die wind- und wetterfeste Shitstorm- Magneteuse Sophia Thomalla. Die hat bereits reichlich Erfahrung mit der Canossa-Gang. (Gang wie Bande. Also englisch, hihi) Wir treffen uns nachmittags, ich greife mir ihr Smartphone. Ein zaghaftes Herantasten, spielerisch, gut gelaunt. Das Warm Up.

Am Anfang geht es nur darum, ob Apple nicht mal etwas erfinden kann, um schreiende Kinder im Flugzeug zu vermeiden. Immerhin habe sie den InTouch-Award gewonnen! 

Harmlos, eigentlich.

Mit einem gewissen Amüsement nehmen wir zur Kenntnis, dass das Lager zwiegespalten ist. Die einen, selber Eltern, die schreiende Kinder auch scheiße finden.  Die anderen, die finden, dass "Apple seit Jahren nix vernünftiges erfunden!" hat. Dazwischen die übliche Sachen, die Prominente so lesen.

Joa, ganz nett.

Dazwischen noch schnell ein Bild gepostet, weil: Ist es kein Bild, ist es kein Instagram.

Also jetzt Twitter. Was tun? Trump geht immer gut. Und diese ganze Sexismusgeschichte, für die sie ja fast berühmt geworden ist. Da muss doch was gehen.  Wir wollen ja den Stress.  Zeit, dass sich was dreht.

"Amerika ist wie ich: Lieber nen richtigen Kerl als ne Omma, die man pflegen muss. #TeamTrump"

Jetzt kommt langsam Bewegung rein. Wie kriegen wir die Menschen, die von der Thomalla schon einiges gewohnt sind soweit, dass genau das passiert, wofür die sozialen Netzwerke mittlerweile bekannt sind. Irgendwas gegen kleine Brüste.  So Genderkram. Ist ja ihr Thema. (Wenn es nicht gerade Dicke sind)

Aber irgendwie reicht das noch nicht. Es muss ein wenig storchen, damit auch wirklich jeder den Impuls verspürt, dabei zu sein.

"Es muss noch stumpfer sein." (Sophia)

Es wird noch stumpfer.

"Kleine Titten sind wie Flüchtlinge: Sie sind nun mal da, aber eigentlich will sie keiner." Ein allgemeines Lufteinziehen im Raum.

Wir bringen es.

Eine ganze Welle von Likes und Kommentaren rollt an. Kollektive Highfivigkeit.  Da haben wir was losgetreten.

Es hat etwas Rauschhaftes, wenn man soviel Resonanz bekommt. Ein Signum der Post-Castingshow-Ära, dass es in diesen Momenten fast egal ist, ob positiv oder negativ. Irgendwie gut, weil: Wir haben "alles richtig gemacht".

Aber auch das dumpfe Gefühl, da immer noch wider die eigenen Überzeugungen gepostet zu haben. Zugunsten des Traffics. Was zwar der Plan war, aber....nun ja... der Bauch funkt sanfte Signale leichten Unbehagens. Wir witzeln über "mausgerutscht" und darüber, dass sie zwischen -itz und - ow jetzt aus dem Stand 70% holen dürfte. "Jugend forscht"- das Promi Special.

Das Telefon klingelt. Sophias Manager ist not amused. Nachvollziehbar.

Ein Hashtag schält sich aus dem Klumpen Hass und Häme heraus:

#Thomallagate (Hier gehts lang zum Mitaufregen!)

Aber komm, wir haben unseren Spaß gehabt. Wir klären die Sache schon jetzt auf. Nicht erst morgen früh. Das Telefon soll an diesem Abend noch häufiger klingeln. Da ist der Dreh schon längst durch, und ich bin essen. Ich ignoriere die Reaktionen im Netz eine Weile konsequent. Irgendwann werde ich schwach und gucke.

Ui. Wir haben ein Monster erschaffen. Joko & Klaas distanzieren sich.  Das sticht ein wenig, ist aber nachvollziehbar, halten nicht wenige den Post für einen Teil des "Shitstorm Roulettes". RTL distanziert sich von der Jurorin ihrer Tanzshow. Kalkofe, Elton und tausende andere schütteln öffentlich den Kopf.

Das ist noch die harmlose Variante.

BILD, BUNTE, Closer und Co springen natürlich auf den Zug auf, klar. Das Thema wird aufgepumpt, filettiert und scheibchenweise serviert. Wärnse auch schön doof, diesen Empörungsbraten nicht aus dem Ofen zu holen. Morgen ist auch Sonntag- und dummerweise kommt gerade nix über Beckenbauer.

Ich gehe ins Bett. Mit der festen Absicht, mich nicht zu erklären und schon gar nicht zu entschuldigen.

Trotzdem schlafe ich schlecht. Ich bin der harmoniebedürftigste Streithansel aller Zeiten. Gegen fünf Uhr möchte ich alles erklären. Die werden doch wohl nicht ernsthaft denken, ich würde so gegenüber Flüchtlingen empfinden!

Meine Facebook-Freunde!  Die kennen mich doch besser! Mich, den "Andreas Scheuer von links" (Jan Fleischhauer).

Morgens dann der Weckruf durch innere Unruhe und der zaghafte Versuch einer Einordnung.

(Sophia bleibt übrigens angenehm standhaft, während die Werbepartner sturm klingeln und RTL ein Statement fordert. Es war ja meine Idee, also wäre es ein Leichtes gewesen, zu sagen: "Der geltungssüchtige Idiot hat mich überrumpelt".  Ich finde das imponierend.)

"Wir wollten doch nur mal gucken, ob und wie...!" Aber da rollt die Wutmaschine schon unaufhaltsam, das Mitmachinternet läuft, und man nimmt mindestens an, ich sei "besoffen" oder "zugekokst" gewesen- was einigen offenbar als Entschuldigung gereicht hätte. Naja.

Aber das bin nur ich.

Die Web-Pinata Sophia wiederum kann tausendfach lesen, wer sie wie wohin wünscht und was dort mit ihr zu geschehen habe. 10.000fach. "Saw- das Musical".

Dazwischen hat sie viel damit zu tun, den braunen Pöbel wieder rauszukärchern, der sich mit dem Post bei ihr auf der Seite eingenistet hat und ihr applaudiert. Die andere Seite. Wir reden hier immerhin von 31.000 neuen Freunden. 31.000. Sie hat mit dem Petry-Trick mal knapp 10% mehr Follower gewonnen.

Was also bleibt? Außer 40.000 Likes bei ihr, meinem Postfach voller "DU HURENSOHN!!!!"s und einem "Out" in der BILD (ich hab nicht nachgeguckt. Stand da was?).

Haben wir "der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten"? Haben wir die "Mechanismen von Social Media" in Gang gesetzt und aufgezeigt? War es ein gelungenes "Experiment"? Satire? Bellen hier gar getretene Hunde? Oder waren wir wie kleine Blagen, die zum Zündeln in den Social-Media- Wald gegangen sind und  ich die Pfoten verbrannt haben?

Die Frage bleibt: sollte bei einem Experiment das Ergebnis nicht überraschend sein? Dass sich alle aufregen bei diesem Post gaulandscher Coleur ist eigentlich nicht so überraschend. Zeigt es doch, dass das Gros der Leute beim Thema Flüchtlinge sehr sensibel ist. Vielleicht aber hassen auch einfach noch mehr Leute Sophia Thomalla.

Noch wahrscheinlicher aber, und das ist meine Erfahrung, sind sie einfach immer dabei, wenn es irgendwo was mitzumeinen gibt, und da kann es an Heftigkeit gar nicht derbe genug sein.

Selbst die schlaueren Leute. (Leute, der Ton! Der Ton!)

Machen wir uns nichts vor. wäre ich nicht im Zentrum des Geschehens, ich hätte wohl fleißig mitgebasht. Wenn auch vielleicht einen Hauch eleganter. Von "Du Hure!!" über "tu deiner mutter den gefallen und erheng dich" bis "Naja ich bin ja auch ein Flüchtling ? ich könnte dir neue titten kaufen du kakhaufen" ist alles dabei.D

as Neue an Facebook ist, soweit ich weiß, dass die Kommentare, die die meisten Likes bekommen, immer automatisch nach oben rutschen. Es dürften sich also viele angespornt fühlen, besonders scharf, um nicht zu sagen beleidigend zu kommentieren, um oben weiter sichtbar zu bleiben. Internet ist da, wo man Dich mit einem "Du dumme Fotze" zu mehr Anstand und Respekt auffordert.E

rstaunlich ist es dann doch schon: 31.000 Leute. 10 Prozent mehr Follower mit einem "unter uns: Es ist doch so"- Post. Aber dass Titten und Rechtslastigkeit bei Facebook besonders gut gehen,  haben wir dann irgendwie auch schon vorher gewusst.

War es das wert?  Gemessen an der Ermattung in meinem Gesicht: Nein. Auch eine Erkenntnis.

Ich bin müde.

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