Es ist wirklich nicht so, dass ich in dem Verdacht stehe, besonders zügig meine Post zu öffnen. Briefe landen erst im Briefkasten, dann auf dem Esstisch, bevor sie bis auf Weiteres in der Küchenschublade verschwinden. Lediglich besondere Absender erregen meine Aufmerksamkeit. Oder besondere Umschlagfarben. Gelb zum Beispiel kann zu beschleunigtem Öffnen führen, in Kombination mit dem Wort "Staatsanwaltschaft" reißt es mich aus dem Post-Phlegma. Ein Phlegma, das absurderweise nur für analoge Eingänge gilt, während ebenso banale oder nervige Mails und Facebook-Nachrichten umgehend gierig geöffnet werden.
Tatsächlich wäre die gelegentliche Wahrnehmung des papiernen Posteingangs ganz hilfreich. So nämlich verdanke ich es allein der Warnung meiner Eltern, dass ich es nicht unverhofft zu einem Erbe gebracht habe.
Erbe klingt ja erst einmal toll. Aber in diesem besonderen Fall ließen lange Krankheit und die damit verbundene Erwerbsunfähigkeit darauf schließen, dass der wunderbare Verstorbene seiner Tochter nicht mehr zu hinterlassen wusste als unschätzbare Erinnerungen und sehr wohl schätzbare Schulden. Die sie als direkte Erbin bereits dankend abgelehnt hatte.
Eine Testamentseröffnung kann laufen wie diese Versteigerungen von Koffern, die auf Flughäfen nach einiger Zeit der Nichtabholung abenteuerlustigen Bietern überlassen werden. Auch da ist zwischen der edlen Briefmarkensammlung und einem stattlichen Sortiment antiker Unterhosen grundsätzlich alles drin.
Erbschaften verheißen selten Gutes
Hier war die Wahrscheinlichkeit einer Pleite so groß, dass meine Onkel, meine Eltern, meine Cousins und Cousinen zügig alles Nötige unternahmen, um bei Gericht den Kelch an sich vorbeiwandern zu lassen. Wie eingangs erwähnt, war es lediglich meinen Eltern zu verdanken, dass ich mich fristgerecht meldete, um den vermeintlichen Topf voll Gold, vermutlich aber den Topf voll Teer, ebenfalls durchzuwinken – auf dass noch jemand anders gefragt wird. So eine vergiftete Erbschaft ist wie ein stacheliger Brautstrauß – irgendeiner wird schon dumm genug sein, ihn aufzufangen.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Ganz miese Nummer eigentlich.
Doch, ach: Erbschaften verheißen ohnehin selten Gutes. Meistens haftet auch größeren Nachlässen ein leises Gift an, das unter den eigentlich reich Beschenkten sukzessive die engen Bande kappt. Wie ein Lösungsmittel, das nach und nach den sozialen Klebstoff auflöst.
Der Mensch neigt ja nicht zum Glücklichsein oder gar zum Gönnen, sondern blickt stets misstrauisch auf das, was er hat, und vielmehr noch auf das, was ihm nicht vergönnt war. So spazieren die Erben oft mit Gesichtern aus der Testamentsvollstreckung, die länger sind als das Leben des Erblassers. Und Gedanken, die schwärzer sind als das Pferd, das die Schwester bekommen hat, während man selbst nur mit dem Rasenmäher bedacht wurde. Kaum einer ist so plötzlich verstorben, dass er oder sie nicht noch über den Tod hinaus das Gefühl mangelnder Wertschätzung hätte vermitteln können.
Wie gesagt: Selten hat Erben etwas Positives bewirkt. Sicher, manche besitzen nun ein Haus oder eine Wohnung – allein, es mangelt ihnen an Geschwistern, die sie dort noch besuchen wollen. Das ist es nicht wert.
Und wenn ich meinen Verwandten einen Tipp geben darf: Falls das mit meinen ungeöffneten Strafzetteln und gelben Umschlägen so weitergeht – mein Erbe unbedingt ausschlagen.