Mir geht der Stift", hatte er schon vor der Sendung auf seinem Facebook-Profil gepostet. Obwohl Roman Lob noch nicht einmal gesungen hat, liegt der Publikumsliebling knapp eine Stunde nach Beginn der Show in der Blitztabelle in Führung. Zurücklehnen und entspannen? Von wegen. Seine härtesten Konkurrentinnen werden gleich gnadenlos an ihm vorbeiziehen.
Drei Männer und sieben Frauen traten am Donnerstagabend in der dritten Runde von "Unser Star für Baku" gegeneinander an. Wer wird Deutschland beim Eurovision Song Contest am 26. Mai in Aserbaidschan vertreten? Am 16. Februar fällt die Entscheidung. Dieses Mal lautete die Aufgabe für die Telefonanrufer: Aus zehn mach acht. Doch die Abstimmung entwickelte sich erneut zur langwierigen Quälerei. Dabei könnte alles so einfach sein.
"Didelditdangdangdong", der ins Ohr geht
"Songs, die viel Interpretationsfreiraum schaffen", nennt Jury-Mitglied Alina Süggeler von der Band Frida Gold die Liederauswahl der Kandidaten. Soulröhre Rachel Scharenberg singt "Like A Star" von Corinne Bailey Rae. Leonie Burgmer, die blonde Studentin mit der Fräulein-Rottenmeier-Brille und den "Pippi Langstrumpf-Strümpfen" (Raab), gibt "I Love Your Smile" von Charlie Winston zum Besten. Und Sebastian Drey, der Mann mit Hut, überrascht mit seiner eigenen Komposition namens "Amnesie". "Dein Didelditdangdangdong ist uns in Erinnerung geblieben", lobt Jurypräsident Thomas D. Doch mancher Fernsehzuschauer wähnt sich da wohl schon eher beim Kulturkanal des ZDF als beim Grand-Prix-Vorentscheid.
Charts? Fehlanzeige. Up tempo? Haben wir nicht. Was zum Tanzen? Nö. Balladen dominieren diesen Liederabend. Zugegeben, sehr schöne und herzergreifende. Zum Beispiel das von Katja Petri vorgetragene "Lego House" des britischen Nachwuchsmusikers Ed Sheeran oder "How Come You Don't Call Me", im Original gesungen von Alicia Keys, jetzt überzeugend interpretiert von Céline Huber. Doch ein bisschen mehr Abwechslung zwischen bekannten Songs und solchen, die kaum einer kennt, wäre der Unterhaltung nicht abträglich gewesen. Erst Ornella de Santis sorgt mit "I want you back" von den Jackson Five für gute Disco-Stimmung und "Spaß" (Süggeler).
Elf Freunde für Umut Anil
Stimmungsaufheller hätte auch ein Song von Chartstürmer Tim Bendzko sein können. Doch statt für "Nur noch kurz die Welt retten" entscheidet sich Umut Anil für die langsame Ballade "Weitergehen". Immerhin hat der 21-Jährige, der es "nicht so mit Bewegung hat" (Thomas D), seine Fußballmannschaft als Groupies dabei. Doch die kann die Jury mit Gejohle nicht milde stimmen. "Ein großer Song. Ich weiß nicht, ob er zu groß für dich war", lautet das Urteil. Damit ist erneut einer der Jungs angezählt und ein weiterer zittert bereits.
Shelly Phillips flasht nicht nur die Jury, sondern auch die Kölner Bühne. Die "Rotzgöre" (Raab) singt "Fuck you" von Cee Lo Green und "liefert so großartig ab" (Süggerlin), dass sie kurz danach auf Platz eins der Blitztabelle steht. Kann Yana Gercke das sogar noch toppen? Den Preis für das mutigste Outfit hat die kleine Schwester von Topmodel-Siegerin Lena Gercke sich schon verdient. Mit schwarzer Lederjacke und goldenem Mini-Pailletten-Unterteil ("Für die Hose gibt's zwölf Punkte", Raab) lächelt sie in die Kamera, eher sie die "Monsterstimme" (Süggerlin) raus lässt. "Roxanne" von The Police klingt bei ihr so schmutzig, als würde sie jeden Abend im Nachtclub singen. Kann Roman Lob da mithalten?
Romans warmer Sound schleicht sich in den Gehörgang
"Ich hab' Bock auf die Nummer hier", sagt er. Und daran lässt er keinen Zweifel. Mit Beanie-Mütze und grauem Shirt sieht Lob zwar eher aus wie der nette Junge von nebenan als wie ein Popstar. Aber vielleicht ist genau das sein Geheimnis. "I am easy, easy like a Sunday morning" - passender hätte der 21-jährige Industriemechaniker mit den braunen Rehaugen sich die Nummer nicht aussuchen können. Seine Version von "Easy" von den Commodores schleicht sich "als warmer Sound in den Gehörgang" (Raab). Schon ehe er den Song beendet hat, steigt er damit wieder auf Platz eins in der Blitztabelle und Moderatorin Sandra Rieß ist sich sicher: "Alle sind verknallt in Roman."
Selbst die Blitztabelle ist ihm wohlgesonnen. Unangefochten liegt er auf Rang eins, während die unteren Plätze hin und her springen, als wäre ein Zufallsgenerator am Werk. Wen will die Jury noch in der nächsten Runde haben? "In dem man jemanden unterstützt, der unten ist, entscheidet man sich gegen jemanden, der oben ist", erklärt Thomas D. philosophisch seine Zurückhaltung. Dieses Mal gibt er keine Anrufempfehlung ab. Schließlich hatte er damit in den vergangenen Shows die gesamte Tabelle auf den Kopf gestellt. Als der Countdown zuschlägt, stehen Leonie Bergmer und Rachel Scharenberg als Verlierer fest. Also exakt die beiden, die von Anfang an ganz hinten lagen. Es könnte alles so einfach sein.