Mehrere Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen die deutsche Metal-Band Rammstein. Nachdem eine Irin erstmals über die Geschehnisse hinter der Bühne berichtet hat, meldeten sich in Windeseile weitere Betroffene. Zwei schilderten einem Rechercheverbund zwischen "NDR" und "Süddeutscher Zeitung", was mutmaßlich mit Frauen passiert, die von einer Frau in den sozialen Medien angesprochen wurden. Die Rede ist von sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Die Band forderte das Recht ein, nicht vorverurteilt zu werden. Zuletzt erklärte Rammstein: "Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst".
Nun will Kayla Shyx ihre Reichweite nutzen. Die Influencerin erreicht bei Tiktok 1,7 Millionen Follower, auf Youtube haben 759.000 Menschen ihre Videos abonniert und bei Instagram folgen ihr fast 800.000 Personen. Auch sie wurde im Juni vergangenen Jahres in die viel diskutierte "Row Zero" der deutschen Band Rammstein eingeladen. Schon damals habe sie über ihre Erlebnisse sprechen wollen, gibt jetzt aber an, sei aber von ihrem Management angehalten worden, es zu lassen.
"Das war so fucking seltsam oh mein Gott"
Nachdem sich aber mit der Irin Shelby Lynn eine Frau in die Öffentlichkeit gewagt hat, will Kayla Shyx, bürgerlich Kaya Loska, sich ebenfalls nicht mehr verstecken. Das halbstündige Video mit dem Titel "Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert" beginnt sie damit, Ausschnitte aus ihren Whatsapp-Chatverläufen zum Zeitpunkt des Konzerts zu zeigen. Darin liest man Sätze wie "Es war so fucking unangenehm", "Wie (sic!) wurden da einfach reingeholt damit sich Rammstein welche aussuchen kann", "das war so fucking seltsam oh mein Gott" und "Ich habe sowas noch nie erlebt".
Sie spricht auch von Alena Makeeva, der selbsternannten Casting-Direktorin für die Frauen, die Rammstein bislang auf jedem Konzert in die "Row Zero" eingeladen hat. "Die Frau war so richtig nett zu uns", heißt es. Makeeva ist seit Beginn der Anschuldigungen gegen Rammstein in die Schlagzeilen geraten, da sie offenbar dafür verantwortlich ist, Frauen für die Band auszuwählen und in die Reihe Null, also auf die besten Plätze bei einem Rammstein-Konzert, einzuladen. Damit gingen bislang auch Teilnahmen an Parties und Treffen mit der Band vor und nach Konzerten einher. Tatsächlich ist das in München jetzt anders. Wie der Radiosender "Charivari 95.5" berichtet, wird es bei den Konzerten in dieser Woche keine solche Reihe geben – das hätten die Olympiapark GmbH und die Band so entschieden. Rammstein bestreitet, dass Makeeva für die Band in offizieller Funktion tätig war.
Management forderte Rücknahme der Stellungnahme
Loska beginnt das Video mit einer Erklärung: "Boah, das ist echt ein schweres Video", sagt sie. Sie erklärt, weshalb sie, obwohl sie die Situation auf einer Afterparty der Band im Juni 2022 sehr unangenehm fand, bisher nichts dazu gesagt hat. Schon damals habe sie eigentlich darüber sprechen wollen, aber das Video sei nicht online gegangen. Als Grund legt Loska Nachrichten mit ihrem alten Management vor, worin eine Bitte zu lesen ist, die Story zu den Erlebnissen vom Netz zu nehmen. Die Gründe des Managements hat sie geschwärzt, der Chat endet mit dem Satz von ihr: "Auch wenn es mir nicht leicht fällt kann ich sagen wir paar Monate warten bis ich das öffentlich thematisiere". Zwischen den geschwärzten Stellen ist etwas von "Rammstein Auftrag" zu lesen, möglich wäre also ein Interessenkonflikt des Managements.
Nach kurzer Zusammenfassung der Situation, darunter auch dem Einblenden des Lindemann-Gedichts "Wenn du schläfst", in dem es um sexuelle Fantasien mit einer betäubten Frau geht, folgt die Schilderung dessen, was Loska nach eigenen Angaben bei Rammstein erlebt hat.
Eine Party neben der Party
"Ich kann bestätigen, dass das bei Rammstein so abläuft und Mädchen rekrutiert werden", sagt Loska, "weil ich eins dieser Mädchen war". "Ich bin am 4. Juni 2022 zum Rammstein-Konzert gegangen und habe eine Zuschauerin von mir mitgenommen. Ich habe über Kontakte meines alten Managements Karten für die "Feuerzone" bekommen, also ganz vorne. In der Pause kam eine Frau zu uns, die relativ jung aussah. Sie lud uns zu der Aftershow-Party ein und war extrem nett". Es seien Fragen gestellt worden – zum Alter, zur Verbindung zur Band und ob sie große Fans seien. Bei der vermeintlichen After-Party angekommen, seien viele Leute vor Ort gewesen, erzählt Loska. Darunter auch bekannte deutsche Schauspieler. Das habe ihr das Gefühl von Sicherheit gegeben.
Aber: Das sei nicht die Party gewesen, auf die Loska und ihre Zuschauerin eingeladen worden seien. Sie sei mit sieben oder acht Mädchen aus der "Row Zero" zusammengesteckt worden. Danach seien drei oder vier Männer des Sicherheitspersonals hinzugekommen und die Frauen hätten sich in einer Reihe aufstellen müssen. Die Frauengruppe sei dann durch die Partygesellschaft geführt worden und aufgefordert worden, die Smartphones abzugeben. Auf die Frage, wohin es nun gehe, habe Makeeva gesagt, dass eine "kleine Party mit Till" das Ziel sei. "Da hätte ich umdrehen sollen", erklärt Loska, "aber Makeeva hat uns die ganze Zeit beruhigt und ich war unter miesem Druck". Im Nachhinein bezeichnet sie die Situation als "durchtrieben".
Karges Hinterzimmer statt Glamour-Party
Den Raum beschreibt Loska als karges Hinterzimmer mit zwei schwarzen Couchmöbeln und viel Alkohol. "Da saßen dann die acht Mädchen aufgereiht, manche wirkten benommen. Die haben nicht den Eindruck gemacht, als wären die da. Die waren wirklich leer". Weiter heißt es: "Miese Atmosphäre , es war stockstill. Keine der Mädchen hat geredet und auf einmal machts bei mir Klick". In diesem Moment habe sie die Situation erstmals als bedrohlich empfunden. Auch andere Frauen hätten auf sie verängstigt gewirkt – während Makeeva ständig Alkohol angeboten hätte.
Daraufhin sei Loska mit ihrer Begleitung und zwei anderen Frauen auf die Toilette gegangen, um sich zu beraten. Dort habe sie erfahren, was bereits auf einer anderen Party vor dem Konzert passiert sei – wo Loska selbst nicht war. "Mir wurde erzählt in diesem Raum sei bereits vor dem Konzert gefeiert worden. Da kamen dann Männer, darunter auch Till Lindemann". Loska erklärt, Lindemann habe sich dort bereits ein Mädchen ausgesucht, welches ihn in den Konzertpausen oral befriedigen solle. "Ob ihr gesagt wurde, was von ihr erwartet wird, weiß ich nicht", fügt sie hinzu.
Loska beschreibt die Situation, in der sich die Frauen befanden, als bedrohlich und einschüchternd. Sie habe zu keinem Zeitpunkt gewusst, dass sie "Teil einer Orgie" werden solle und halte das nicht für "normal", nur weil es sich um harte Musik handele. "Da wusste ich, ich muss hier sofort raus", erzählt sie. Makeeva, die sich bei Instagram als Casting-Direktorin bezeichnet, habe das nicht verstanden und kritisch hinterfragt, ob sie denn nicht Till treffen wolle. Statt die Tür zu öffnen, habe sie zunächst wieder Getränke angeboten.
Niemand soll Fragen beantwortet haben
Loska habe abgelehnt und sei mit ihrem Gast gegangen. Makeeva habe zu verstehen gegeben, dass die Frauen aber dann auch nicht auf der größeren Party erwünscht seien. Wenig später sei eine Frau, mit der Loska zuvor auf der Toilette gesprochen hatte, ebenfalls aus dem Raum gekommen. Sie habe die Reißleine gezogen, da es geheißen habe, Till Lindemann habe nicht mehr kommen wollen, sondern habe verlangt, dass sich die Frauen in einen Bus setzen und zum Hotel kommen.
"Und bevor Leute jetzt sagen, dass man ja weiß, worauf man sich einlässt: Es wird nicht kommuniziert, dass es eine Party mit Till privat ist. Die Rede ist von einer normalen Party. Und selbst wenn man aktiv nachfragt, ob es in Richtung Sex geht, wird es verneint", erklärt sie abschließend. Auch Loska hält es für möglich, dass in den Getränken K.O.-Tropfen gewesen sein könnten. Darüber hatte auch Shelby Lynn gesprochen.
Immer wieder betont Loska, dass sie mit mehreren Mädchen und Frauen gesprochen habe, die ähnliche oder schlimmere Erfahrungen gemacht hätten. Sei selbst hat Till Lindemann nicht getroffen. Ihren Berichten stehen andere Aussagen gegenüber, die den Frontmann als zurückhaltenden Mann beschreiben, der mit der ganzen Aufmerksamkeit auf diesen Events gar nicht umgehen könne. Erst kürzlich berichteten zwei Frauen der "NZZ", dass Lindemann geradezu verschüchtert auftreten sei. Einen ähnlich harmlosen Bericht gibt es in Form eines Video-Interviews bei "RTL".
Rammstein selbst hat sich seit dem offiziellen Statement auf Instagram bisher nicht mehr zu Wort gemeldet. Auch einen Kommentar zum Wegfall der Reihe Null in München gibt es nicht. Alena Makeeva hat ihr Instagram-Profil, welches am vergangenen Sonntag noch öffentlich war, inzwischen auf privat gestellt. Derzeit sieht es so aus, als habe Till Lindemann sein Instagram-Profil deaktiviert. Es ist nicht länger erreichbar. Die Drogerie-Kette Rossmann hat indes das Parfum der Band aus dem Programm genommen, der Kiwi-Verlag hat die Zusammenarbeit mit Lindemann einseitig beendet.